Hintergrund der Austritte sind unter anderem Proteste gegen die Mitgliedschaft kommunaler Stadtwerke bei Zukunft Gas, da dieser problematische Lobbyarbeit für die Fortsetzung fossiler Gasgeschäfte betreibe.
Nach Protesten sind weitere Stadtwerke aus dem Gaslobbyverband Zukunft Gas ausgetreten. Dazu zählt auch der große Gasnetzbetreiber Gelsenwasser Energienetze, der in 53 Gemeinden in Nordrhein-Westfalen die Gasnetze betreut. Mittlerweile sind mehr als ein Viertel der ursprünglich rund 100 Stadtwerke, die bei Zukunft Gas Mitglied waren, ausgetreten. Hintergrund der Austritte sind unter anderem Proteste gegen die Mitgliedschaft kommunaler Stadtwerke bei Zukunft Gas, da dieser problematische Lobbyarbeit für die Fortsetzung fossiler Gasgeschäfte betreibe.
Christina Deckwirth, Sprecherin von LobbyControl: „Die Debatte um die Zukunft der Energie- und Wärmeversorgung in den Kommunen wird gerade sehr hitzig geführt. Es ist schädlich für die Demokratie, wenn diese zentrale Richtungsentscheidung durch irreführende Lobbybotschaften verzerrt wird. Doch genau das tut Zukunft Gas, wenn es teuren und überwiegend fossilen Wasserstoff zum Heizen bewirbt. Das nutzt vor allem den großen Gaskonzernen, die weiter Milliardengewinne mit Gas machen wollen. Den Schaden tragen die Verbraucherinnen und Verbraucher und die Kommunen, wenn dadurch die Abkehr vom absehbar teuren und klimaschädlichen Gas hinausgezögert wird. Es ist gut, dass nun immer mehr Stadtwerke dem Gaslobbyverband Zukunft Gas den Rücken kehren. Stadtwerke sollten sich nicht weiter vor den Lobby-Karren der Gaskonzerne spannen lassen. Der Gemeinwohlauftrag muss klar Vorrang vor einseitigen fossilen Lobbyinteressen haben.“
Kate Cahoon, Team Lead von 350.org Deutschland: „Die neuen Austritte beweisen, dass der Druck der Zivilgesellschaft wirkt. Nach Kontaktaufnahmen und lokalen Protesten haben einige Stadtwerke anscheinend verstanden, dass es nicht vertretbar ist, durch ihre Kund*innen finanzierte Mitgliedsbeiträge an einen Gaslobbyverband zu zahlen. Wir werden allerdings dranbleiben, um zu verhindern, dass Stadtwerke der fossilen Lobby das Märchen von “neuen Gasen” und sauberem Wasserstoff abkaufen. Gesetzgeber*innen und kommunale Energieversorger müssen jetzt den einzig richtigen Schritt in eine gerechte und saubere Zukunft gehen und auf echte erneuerbare Energielösungen setzen.“
Henning Peters, Referent für Energie und Klima beim Umweltinstitut München: „Auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist der Austritt bei Zukunft Gas wünschenswert: Stadtwerke, die sich von Zukunft Gas beraten lassen, werden erhebliche Fehlinvestitionen in Gas- und Wasserstoffinfrastruktur tätigen. Diese Investitionen werden zur Kostenfalle für Stadtwerke, wenn dann nicht ausreichend Wasserstoff für die gebaute Infrastruktur verfügbar ist. Die Wissenschaft ist sich einig, dass Wasserstoff nur in geringem Ausmaß und zu hohen Preisen zur Verfügung stehen wird. Auch die Mitgliedsbeiträge an Zukunft Gas können besser für die lokale Energiewende verwendet werden. Mitglied bei Zukunft Gas zu sein ist wie einen Vermögensberater dafür zu bezahlen, dass er einen schlecht berät!““
Sam Beiras vom WeiterSo! Kollektiv: „Dass kommunale Unternehmen, die per Gesetz dem Gemeinwohl verpflichtet sind, die klimaschädliche Arbeit der Gaslobby mitfinanzieren, ist ein Skandal. Stadtwerke sollten im Interesse ihrer Kund*innen handeln und nicht in dem der Gasindustrie. Daher begrüßen wir die bisherigen Austritte von Stadtwerken aus Zukunft Gas und begrüßen zukünftige.“
Hintergrund
Die Proteste und den Aufruf zum Austritt hat LobbyControl gemeinsam mit WeiterSo, 350.org und dem Umweltinstitut München organisiert. Der Gaslobbyverband Zukunft Gas steht schon seit vielen Monaten in der Kritik, u.a. durch Recherchen von LobbyControl und Correctiv. Im Mai 2023 hatte LobbyControl die Stadtwerke zunächst in einem offenen Brief zum Austritt aufgefordert. Wenig später folgte ein gemeinsamer Aufruf an die Stadtwerke, den über 70 Organisationen unterstützt hatten. Ende September hatten die vier Organisationen zu einem Aktionstag aufgerufen, zu dem es an zwölf Orten in Deutschland Proteste und Aktionen gab.
Seit Juli 2022 sind insgesamt 26 Stadtwerke von der Mitgliedsseite von Zukunft Gas verschwunden, 20 davon haben ihren Austritt bzw. ihre Kündigung bestätigt. Zu den jüngsten Austritten zählen die Stadtwerke Eutin, das Stadtwerk am See aus Friedrichshafen sowie die Gelsenwasser Energienetze (Liste aller ausgetretenen Stadtwerke).
Zukunft Gas ist ein Lobbyverband, bei dem neben den Stadtwerken vor allem große Gaskonzerne wie Wintershall, Shell und die frühere Gazprom-Tochter Wingas Mitglied sind. Der Verband zielt darauf, gegenüber Öffentlichkeit, Politik und Stadtwerken weiterhin das Geschäft mit Gas zu propagieren. Dabei setzt der Verband auch irreführende Lobbybotschaften ein – wie zum Beispiel, dass der teure und überwiegend fossile Wasserstoff zum Heizen eingesetzt werden sollte, obwohl dies laut breiter Fachmeinung nicht sinnvoll ist. Zudem suggeriert Zukunft Gas, dass Wasserstoff klimaneutral sei, obwohl dieser noch weiter überwiegend fossil ist. Über das Forum H2kommunal spannt Zukunft Gas Stadtwerke gezielt zu diesem Thema ein.
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