Horst D. Deckert

Bei der Polizei in der Schweiz tut sich was

Polizistinnen und Polizisten aus allen Kantonen der Schweiz veröffentlichten kürzlich eine Webseite, die sich an Kolleginnen und Kollegen richtet. Die Botschaft: «Wir für Euch – Ihr seid nicht alleine». Sie machen sich Sorgen um den Rechtsstaat und unsere Grundrechte, aber auch um die Rechte von Polizeibeamten in Anbetracht der Meinungsfreiheit und einer möglichen Impfpflicht.

Das Bedürfnis auf freie Meinungsäusserung sei bei den Berufskollegen sehr gross: «Wir bieten hier eine Plattform, wo du dich als Polizistin oder Polizist ohne Angst vor Ausgrenzung oder Konsequenzen melden kannst», so die Botschaft an die Berufskollegen.

«Als Privatpersonen können wir diese Entwicklung nicht ignorieren und als Berufspersonen sind wir je länger je mehr dazu angehalten, die Massnahmen der ‹besonderen Lage› auf ihre Rechtmässigkeit und Verhältnismässigkeit hin kritisch zu überprüfen. Grundsätze, welche für unsere Tätigkeit als Polizistinnen und Polizisten elementar sind und in der Grundausbildung ab der ersten Stunde vermittelt werden»,

schreiben die Polizeibeamten in einem 4-seitigen Brief von Mitte Februar an ihren Berufsverband, die Vereinigung Schweizerischer Polizeibeamter VSPB. Sowohl auch der Antwortbrief der VSPB ist auf der Webseite veröffentlicht.

Sie nennen auch die wesentlichsten Grundrechte, die seither stark unter Druck geraten sind und vorübergehend oder dauerhaft eingeschränkt werden:

  • Recht auf persönliche Freiheit, Art. 10 Abs. 2 BV
  • Anspruch auf Grundschulunterricht, Art. 19 BV
  • Versammlungsfreiheit, Art. 22 BV
  • Vereinigungsfreiheit, Art. 23 BV
  • Wirtschaftsfreiheit, Art. 27 BV
  • Politische Rechte, Art. 34 BV
  • Medienfreiheit, Art. 17 BV
  • Schutz auf Privatsphäre, Art. 13 BV

Eine Zentralisierung der Politik, wegbrechende Existenzen und zunehmende Arbeitslosigkeit sowie soziale Isolation und eine medial verursachte «Angstkulisse» hätten zu einer Veränderung in der Arbeit mit der Bevölkerung geführt. Die Polizei sei zum Schutz der Bevölkerung da. Wenn jedoch die Gefahr bestehe, dass repressive Massnahmen den Interessen der mündigen Allgemeinheit zuwiderlaufe und deren Grundrechte unverhältnismässig beschneide, seien viele Polizeibeamte nicht mehr gewillt, diese weiter umzusetzen.

Im Brief sind verschiedene Beispiele genannt, wo die für polizeiliches Handeln nötige Rechtsgüterabwägung und das Grundprinzip der Verhältnismässigkeit ignoriert worden seien. So zum Beispiel die Ausgangsbeschränkung, die im März 2020 für Personen über 65 Jahren im Kanton Uri herrschte und auch vom Bund abgesegnet wurde. Sie habe der Rechtsgleichheit nach Art. 8 der Schweizerischen Bundesverfassung BV widersprochen, schreiben die Verfasser.

Ebenso das jüngste Beispiel der Zürcher Bildungsdirektion, die von Regierungsrätin Silvia Steiner vertreten wird. Sie verfügte eine Maskenpflicht für Kinder ab der 4. Klasse für den ganzen Tag, inklusive während den Pausen und sogar im Sportunterricht. Die Verfügung wurde vom Zürcher Verwaltungsgericht inzwischen aufgehoben, da die Bildungsdirektion für gesundheitliche Fragen gar nicht zuständig ist (wir berichteten).

Die Frage, ob bei diesem mehr als fragwürdigen Entscheid eine adäquate Rechtsgüterabwägung gemacht wurde, bleibe ebenfalls unbeantwortet. Die Folgen solcher Massnahmen hätten sich im Nachbarland Österreich gezeigt, wo sich die Fälle von schweren psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen innerhalb nur eines Jahres beinahe verzehnfacht hätten.

Die reine Vermutung, dass mutierte Viren infektiöser und damit eine grössere Gefahr seien, rechtfertigt neue und noch härtere Massnahmen aus Sicht der Polizeibeamten nicht. «Entscheide von solcher Tragweite müssen zwingend faktenbasiert sein», heisst es auf Seite zwei.

Ausserdem nennen die Verfasser relevante wissenschaftliche Fakten, die bei Bedarf jederzeit nachgereicht werden könnten. Die Namen der Polizeibeamten findet man im Brief und auch auf der Webseite nicht – aus verständlichen Gründen. Zahlreiche Ärzte und Lehrer wurden in der Schweiz wegen ihrer öffentlichen Meinung politisch motiviert entlassen und/oder medial an den Pranger gestellt (wir berichteten). Einem derart hohen psychischen und wirtschaftlichen Druck will und kann sich nicht jeder aussetzen.

Weiter schreiben die Polizeibeamten in ihrem Brief an den Berufsverband:

«Wir beobachten zunehmend negative Entwicklungen innerhalb der Gesellschaft, insbesondere im direkten Kontakt mit der Bevölkerung. Auch als Privatpersonen sind wir betroffen, als Väter und Mütter, Brüder und Schwestern, Söhne und Töchter. Die Grundrechtseinschränkungen in diesem Ausmass und über den bisherigen Zeitraum sehen wir im Widerspruch zur Verhältnismässigkeit und dem höchsten Gut einer Demokratie: Der Freiheit. Es drängen sich immer mehr die Fragen auf, was diese Einschränkungen rechtfertigt. Diese Fragen müssen beantwortet werden.»

«Wir für Euch» wolle proaktiv Einfluss nehmen, damit der Gesamtbundesrat Stellung zu drängenden Fragen nehmen und diese beantworten müsse. Polizistinnen und Polizisten seien zum Schutz der Bevölkerung da. Wenn jedoch die Gefahr bestehe, dass repressive Massnahmen den Interessen der mündigen Allgemeinheit zuwiderlaufe und deren Grundrechte unverhältnismässig beschneide, seien viele Polizeibeamte nicht mehr gewillt, diese weiter umzusetzen.

Die Vereinigung verlangt vom Berufsverband ein klares Bekenntnis zum freien Willen in Bezug auf die Gen-Impfung: «Es darf keinen Zwang zu einer solchen geben. Weder direkt im Sinne eines Impfobligatoriums gemäss Epidemiengesetz, noch indirekt durch das Verbot oder die Einschränkung gewisser polizeilicher Funktionen und Tätigkeiten». Zudem soll der Verband eine Umfrage bei seinen Mitglieder machen – im Sinne einer Bedürfnisanalyse.

Weiter fordern sie vom Verband, er solle beim Gesamtbundesrat Antworten auf ungeklärte Fragen verlangen.

Im Antwortbrief des VSPB, unterzeichnet von Präsidentin Johanna Bundi Ryser und Generalsekretär Max Hofmann wird hingegen keine Stellung auf die mögliche Impfpflicht genommen. Vielmehr hätten die vom Volk gewählten Politiker im «Wissen um ihre Verantwortung» Massnahmen ergriffen. Der Verband könne sich nicht anmassen, die Entscheide der Politik zu analysieren. Der VSPB halte fest, dass sich die Mitglieder der Lage gewachsen und gegenüber dem Arbeitgeber und der Führung loyal gezeigt hätten. Woher der Verband das weiss, schreibt er jedoch nicht.

Der VSPB ist vielmehr der Meinung, dass eine Umfrage nicht im Sinne der Sache des Verbandes sei: «Aus unserer Sicht ist im Moment eine unnötige Unruhe nicht die richtige Antwort auf die Problematik». Wieso eine Umfrage unter Verbandsmitgliedern als «Unruhe» bezeichnet wird, erklärt der VSPB ebenfalls nicht.

Auch beim geforderten Fragekatalog an den Gesamtbundesrat sieht sich der Berufsverband nicht in der Pflicht: «Eure Anfrage, den Gesamtbundesrat zu den aufgelisteten Punkten einzuvernehmen, scheint uns hier zu weit zu gehen und würde auch unsere Kompetenzen überschreiten», so die ausflüchtige Antwort.

Die Anfrage der besorgten Polizeibeamten sei die einzige, die beim Verband bisher eingegangen sei: «Sollte dies eure Forderung bleiben, dann muss statuarisch bedingt der Zentralvorstand der Geschäftsleitung einen konkreten Auftrag erteilen», heisst es. Kurz gefasst: Wenn der Zentralvorstand, bestehend aus 27 Mitgliedern aus verschiedenen Kantonen, den Auftrag nicht erteilt, passiert beim VSPB in dieser Sache nichts.

Beim Generalsekretär Max Hofmann, der über die grösste Exekutivmacht im Polizeibeamtenverband verfügt, besteht gemäss der journalistischen Nonprofit-Organisation «Lobbywatch» eine klebrige Nähe zu Parteiinteressen der Sozialdemokratischen Partei SP. Namentlich zur SP-Nationalrätin Priska Seiler-Graf und zu Lelia Hunziker, Präsidentin des Verbandes des öffentlichen Dienstes VPOD, die gleichzeitig Grossrätin der SP im Kanton Aargau ist.

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Quelle: Lobbywatch.ch

Seiler-Graf war mit den Lockerungsschritten des Zürcher Regierungsrates nie zufrieden, wie sie anlässlich einer Gesprächsrunde bei TeleZüri mit dem SVP-Nationalrat Franz Ruppen Mitte Dezember 2020 selber sagte. In aufgeregter Manier behauptete sie, dass es in der Westschweiz nur deshalb weniger «Fallzahlen» gebe, weil dort härtere Massnahmen durchgesetzt worden seien. Zudem sprach sich Seiler-Graf auch für die Schliessung von Skiegebieten aus: «Ich glaube, die Forderung nach der Schliessung von Skigebieten macht aus epidemiologischer Sicht Sinn», sagt sie ab Minute sechs des aufgezeichneten Gesprächs.

Doch bereits im März 2018 machte der Generalsekretär Hofmann Schlagzeilen: Im Zuge der drohenden Verschärfung des Waffenrechts in der EU habe sich Hofmann zusammen mit der SP politisch geäussert. So wird ein Polizist und Verbandsmitglied von der Basler Zeitung zitiert:

«Mit Befremden musste ich zur Kenntnis nehmen, dass sich der Verband der Polizeibeamten zu einem politischen Geschäft äussert.»

Und dies, obwohl der Verband gemäss den eigenen Statuten politisch absolut neutral sein müsse.

Tatsächlich regeln die Statuten des VSPB (Art. 2, Zweck), dass der Polizeibeamtenverband politisch völlig neutral sein muss und ausschliesslich die beruflichen und gewerkschaftlichen Interessen der Polizisten zu wahren hat.



Die Äusserungen des Generalsekretärs im Verbund mit der SP
, dem evangelischen Frauenbund und einer Vereinigung von Psychiatrie-Ärzten, hätten den Polizisten wütend gemacht. Denn er und viele seiner Kollegen seien trotz Verbandsmitgliedschaft nie gefragt worden, wie sie zur «drohenden Verschärfung des Waffenrechts im Zusammenhang mit der EU-Richtlinie» stünden. So habe es der Polizist der Verbandsspitze in Luzern mitgeteilt. Ähnlich hätten sich auch andere Polizeibeamten geäussert.

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