Horst D. Deckert

Bei Fragen der Umvolkung kommt es auf das Cover an

Auf meiner Erkundungstour durch chinesische Populationsstatistiken bin ich über einen Artikel der Bundeszentrale für politische Bildung aus dem Jahr 2015 gestolpert, den man auf Deutschland bezogen in meinen Augen eindeutig in die Schublade für „rechte Verschwörungstheorien“ gehört. Es geht darin um gezielte Umsiedlungsprogramme der chinesischen Regierung, um das ethnische Rückgrat der Uiguren in der nordwestlichen Provinz Xinjiang zu brechen. Ich habe die BPB daraufhin angeschrieben und nachgefragt, wie ich das zu interpretieren habe.

Ausreden, von Profis verfasst

Die erste E-Mail ging an die BPB direkt, der ich das folgende geschrieben habe:

ein gewisser Johannes Buckow sprach in einem BPB-Artikel ausführlich und ohne kritische Distanz über ein “Umsiedlungsprogramm” der chinesischen Regierung in Xinjiang: https://www.bpb.de/apuz/228879/chinas-volkskrieg-gegen-den-terrorismus?p=all

Zitat: “Entgegen dieser Bemühungen hat China auch einige Initiativen gestartet, die aus Sicht vieler Uiguren auf eine kulturelle Assimilation abzielen. Xinjiangs Regierung versucht, durch Umsiedlungsprogramme die “Durchmischung” zwischen Minderheitengruppen und Han-Chinesen zu fördern. Mehrere lokale Regierungen haben finanzielle Anreize für interethnische Eheschließungen eingeführt.[27] Um die “Zweisprachigkeit” unter den ethnischen Minderheiten zu fördern, unterrichten viele Schulen ausschließlich auf Hochchinesisch. Diese Praxis werten viele Uiguren als Versuch, ihre Sprache zu verdrängen. Lokale Regierungen gehen auch verstärkt gegen sogenannte illegale religiöse Aktivitäten vor. Einige verbieten ihren Bürgern, an Ramadan zu fasten, Bärte oder Kopftücher zu tragen oder Hochzeiten nach uigurischer Tradition zu feiern.”

Dabei handelt es sich unzweifelhaft um einen “nazionalsozialistischen Topos”, wie es ein halbes Jahr nach Buckow von Prof Dr Thomas Niehr ebenfalls in einem BPB-Artikel beschrieben wird: https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtspopulismus/240831/rechtspopulistische-lexik-und-die-grenzen-des-sagbaren

Zitat: “Wird beispielsweise im Zusammenhang mit den aktuellen Flüchtlingsbewegungen von einer Umvolkung oder einem Bevölkerungsaustausch gesprochen, so wird damit – auch wenn es vielen gar nicht bewusst sein mag – ein nationalsozialistischer Topos aktiviert.”

Fragen:

1) Warum veröffentlicht die BPB auf ihrer Seite ein derartiges rechtsoffenes Schmierenstück?

2) Muss die Bevölkerung Deutschlands zukünftig auch mit AfD-nahen oder gar von Bjön Höcke verfassten Traktaten rechnen?

3) Wie Geld viel wurde – dem sich offensichtlich der Naziideologie bedienende – Buckow für diesen Artikel bezahlt und wurde er für weitere Tätigkeiten bei der BPB beschäftigt?

4) Wird sich die BPB öffentlich von dem Text und dem Autor distanzieren?

Das folgende bekam ich von einer gewissen Anne Seibring zurück, die sich (leider ohne Proilfoto) seit 2010 beim BPB an der Steuerzahlerzitze saugen darf:

Johannes Buckow war zum Zeitpunkt seiner Autorenschaft wissenschaftlicher Mitarbeiter beim renommierten Mercator Institute for China Studies (MERICS), was für seine Expertise auf dem Gebiet spricht.

Ihre Kritik können wir nicht nachvollziehen. „Rechtsoffen“ ist an diesem Beitrag gar nichts; er bedient sich auch nicht einer „Naziideologie“.

Weder spricht er von „Umvolkung“ noch von „Bevölkerungsaustausch“, sondern von Umsiedlungsprogrammen und – in Anführungszeichen – von „Durchmischung“. Damit beschreibt er das Vorgehen der chinesischen Regierung gegen die Uiguren, das von anderen China-Experten mittlerweile als „kultureller Genozid“ gewertet wird.

Meine zweite E-Mail ging an Thomas Niehr, der sich seinen Beamtenarch an der RWTH breitsitzen darf und den ich das folgende schrieb:

per Zufall bin ich auf diesen von Ihnen für die BPB verfassten Artikel gestoßen: https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtspopulismus/240831/rechtspopulistische-lexik-und-die-grenzen-des-sagbaren

Darin schreiben Sie: “Wird beispielsweise im Zusammenhang mit den aktuellen Flüchtlingsbewegungen von einer Umvolkung oder einem Bevölkerungsaustausch gesprochen, so wird damit – auch wenn es vielen gar nicht bewusst sein mag – ein nationalsozialistischer Topos aktiviert.”

Ebenfalls auf der Seite der BPB wurde ein halbes Jahr davor der folgende von einem gewissen Johannes Buckow verfasste Artikel veröffentlicht: https://www.bpb.de/apuz/228879/chinas-volkskrieg-gegen-den-terrorismus?p=all

Darin heißt es: “Entgegen dieser Bemühungen hat China auch einige Initiativen gestartet, die aus Sicht vieler Uiguren auf eine kulturelle Assimilation abzielen. Xinjiangs Regierung versucht, durch Umsiedlungsprogramme die “Durchmischung” zwischen Minderheitengruppen und Han-Chinesen zu fördern. Mehrere lokale Regierungen haben finanzielle Anreize für interethnische Eheschließungen eingeführt.[27] Um die “Zweisprachigkeit” unter den ethnischen Minderheiten zu fördern, unterrichten viele Schulen ausschließlich auf Hochchinesisch. Diese Praxis werten viele Uiguren als Versuch, ihre Sprache zu verdrängen. Lokale Regierungen gehen auch verstärkt gegen sogenannte illegale religiöse Aktivitäten vor. Einige verbieten ihren Bürgern, an Ramadan zu fasten, Bärte oder Kopftücher zu tragen oder Hochzeiten nach uigurischer Tradition zu feiern.”

Fragen:

1) Würden Sie auf Basis der damals getätigten Aussage einschätzen, dass Buckow in seinem Artikel einen “nationalsozialistischen Topos” bedient hat?

2) Wussten Sie, dass die BPB derartige Inhalte verbreitet & sind Ihnen weitere Beispiele für ein derartiges Abgleiten der BPB in rechte Ideologiesphären bekannt?

3) Werden Sie sich darum bemühen, dass der Artikel von Buckow entfernt wird, oder sind Sie dafür, dass die BPB auch künftig rechtsoffene Inhalte verbreitet?

Zurück bekam ich vom Tommi die folgende Ausrede (man beachte die Genderei; der Mann hat noch eine große Karriere vor sich):

In meinem Artikel ist von der Verwendung zweier Ausdrücke, nämlich „Umvolkung“ und „Bevölkerungsaustausch“ die Rede. Diese Ausdrücke finde ich nicht in den von Ihnen zitierten Passagen. Damit dürfte Ihre 1. Frage beantwortet sein.

Zu Ihrer 2. und 3. Frage: Ich bin nicht für die Inhalte anderer Autor:innen verantwortlich, die auf Seiten der BPB verbreitet werden. Allerdings bin ich der Meinung, dass man es aushalten können muss, wenn Positionen artikuliert werden, die nicht der eigenen entsprechen. Dies entspricht meiner Auffassung der grundgesetzlich garantierten Meinungsfreiheit.

Was wir daraus lernen

Ich finde es immer wieder faszinierend, wie elegant sich manche Menschen um das Brett im Kopf herumargumentieren können. Ganz so, als sei es nicht da dekonstruieren sie sich ihre Welt zurecht und merken schon gar nicht mehr, warum sie [ich hatte hier zunächst etwas strafrechtlich relevantes stehen].

Nach dem alten Motto, wonach man aus einer Zitrone am besten Zitronenlimonade macht, hier ein paar Lehren für die Debatte rund um die Umvolkung, Pardon, „Durchmischung“ Deutschlands mit fremden Ethnien und Kulturen:

  1. Genozid ist erst dann, wenn die Formulierung stimmt.
  2. Es kommt stets auf die Wahl der Begriffe an. Man darf Umvolkung zwar meinen, aber nur so lange, wie es (politisch) korrekt verklausuliert wird.
  3. Kontroverse Äußerungen sind durchaus erlaubt, solange „die Position ausartikuliert“ ist (außer natürlich, man heißt Thilo Sarrazin).
  4. Trumpf ist, wer für eine „renommierte“ Organisation tätig ist. Denn dann darf man alles. (Fragt sich nur, wie man da reinkommt.)

Fazit: Das „historisch einzigartige Experiment“ (Zitat Yasha Mounk) in Deutschland darf definitiv als „kultureller Genozid“ gewertet werden, nur, wir dürfen das nicht, weil wir nicht in das geheime Reglement der korrekten Formulierung eingeweiht sind – ach ja: Und weil wir Pöbel sind.

Quelle Titelbild

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