Horst D. Deckert

Bloß nicht den Hype glauben!

Roger Pielke Jr.

Globale Katastrophen im Jahre 2022, eine vorläufige Abschätzung

Im September stellte der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, anlässlich der Veröffentlichung eines Berichts mit dem ironischen Titel „United in Science“ folgende Behauptungen auf:

Überschwemmungen, Dürren, Hitzewellen, extreme Stürme und Waldbrände werden immer schlimmer und brechen die Rekorde mit immer alarmierenderer Häufigkeit. Hitzewellen in Europa. Kolossale Überschwemmungen in Pakistan. Langanhaltende und schwere Dürren in China, am Horn von Afrika und in den Vereinigten Staaten.

Das neue Ausmaß dieser Katastrophen hat nichts Natürliches an sich. Sie sind der Preis für die Abhängigkeit der Menschheit von fossilen Brennstoffen. Die Zahl der wetter-, klima- und wasserbedingten Katastrophen ist in den letzten 50 Jahren um das Fünffache gestiegen.

Wie ich und andere dokumentiert haben, ist Guterres Behauptung, die Zahl der Katastrophen sei um 500 % gestiegen, eine reine Falschaussage. Eine offensichtlichere und ungeheuerlichere Falschbehauptung werden Sie in öffentlichen Diskussionen von einer wichtigeren Institution nicht finden. Erschwerend kommt hinzu, dass die falsche Behauptung eines massiven Anstiegs der Katastrophen von niemand Geringerem als der Weltorganisation für Meteorologie legitimiert wird, einem der Gründungsorgane des IPCC.

Ich beschäftige mich seit fast 30 Jahren mit der Erforschung von Katastrophentrends und der Rolle, die (a) die Anfälligkeit und Gefährdung der Gesellschaft und (b) Klimaschwankungen und -veränderungen spielen. Dabei habe ich die konzertierten und erfolgreichen Bemühungen der Klimabefürworter beobachtet, Desinformationen über Katastrophen zu schaffen und zu verbreiten, wohl wissend, dass praktisch alle Journalisten und Wissenschaftler schweigen und zulassen, dass die falschen Informationen unkontrolliert verbreitet werden – und manchmal helfen sie sogar, sie zu verstärken.

Die Leser hier werden wissen, dass die tatsächliche Wissenschaft von Wetter- und Klimaextremen und den damit verbundenen Katastrophen weitaus differenzierter und weniger apokalyptisch ist, als es im öffentlichen Diskurs zumeist dargestellt wird. Die wissenschaftliche Realität schmälert nicht die Bedeutung der Klimaschutzpolitik, aber sie sagt etwas über die Standards der wissenschaftlichen Integrität aus.

In meinem heutigen Beitrag gebe ich einige vorläufige Informationen zu den globalen Katastrophen des Jahres 2022. Die heute verfügbaren Informationen sind unvollständig – das Jahr ist noch nicht ganz vorbei, und es sind noch nicht alle Datenanalysen durchgeführt worden, und die, die durchgeführt wurden, sind nur ein erster Schnitt. Die heute verfügbaren Informationen ermöglichen uns jedoch einen ersten Blick auf die Katastrophen des Jahres 2022 in historischer Perspektive.

Sicherlich gab es 2022 einige bemerkenswerte wetter- und klimabedingte Katastrophen, darunter:

● Überschwemmungen in Pakistan, Südafrika, Nigeria, Indien, den Vereinigten Staaten und Brasilien

● Dürre in Europa, Ostafrika und China

● Wirbelsturm Ian in Florida

Vorläufige Schätzungen gehen davon aus, dass im Jahr 2022 weltweit bis zu 11 000 Menschen bei wetter- und klimabedingten Katastrophen ums Leben kommen werden, was nach Angaben des Centre for Research on the Epidemiology of Disasters [CRED] in etwa dem Durchschnitt des vergangenen Jahrzehnts entspricht. Die Gesamtsterblichkeitsrate für Wetter- und Klimakatastrophen lag 2022 bei etwa 1,4 Menschen pro Million, was eine der fünf niedrigsten jährlichen Sterblichkeitsraten darstellt, seit Daten verfügbar sind (seit mehr als einem Jahrhundert) – und ich wage zu behaupten, in der gesamten aufgezeichneten menschlichen Geschichte. Die Jahre mit niedrigeren Sterbeziffern sind alle jüngeren Datums: 2021, 2018, 2017, 2016 und 2014. Noch vor 30 Jahren, im Jahr 1992, war die weltweite Todesrate durch Wetter- und Klimakatastrophen mit 29,0 pro Million mehr als 20 Mal so hoch. Der Rückgang der menschlichen Auswirkungen von Katastrophen ist eine wissenschaftliche und politische Erfolgsgeschichte, die weithin unterschätzt wird.

Werfen wir einen Blick auf einige erste Daten zu den Katastrophen des Jahres 2022, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sich dieses Jahr in die jüngere Geschichte einfügt. Hier konzentriere ich mich auf die Gesamtzahl der Wetter- und Klimakatastrophen und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen. In einem späteren Beitrag werde ich auf einige Besonderheiten näher eingehen, darunter die unterdurchschnittliche Aktivität der tropischen Wirbelstürme im Jahr 2022 und die rekordverdächtig niedrigen Emissionen aus Wald- und anderen Bränden. Detaillierte Informationen zu den globalen Überschwemmungen und Dürren im Jahr 2022 müssen erst durch weitere Daten und Analysen ermittelt werden. Meinen jüngsten Beitrag mit einem detaillierten Blick speziell auf die USA können Sie hier lesen.

Gesamtzahl der globalen Katastrophen

Quelle: CRED. Die Schätzung von 325 für 2022 basiert auf 300 Wetter-, Klima- und Wasserkatastrophen bis November, plus 27 geschätzte für Dezember (=300/11).

Die obige Grafik zeigt, dass laut CRED EM-DAT – die gleiche Datenbank, auf die WMO und Guterres ihre falschen Behauptungen stützen, aber ich schweife ab – im Jahr 2022 insgesamt etwa 330 Katastrophen auftreten werden, wenn man die EM-DAT-Kriterien für die Aufnahme berücksichtigt. Die Anzahl der Katastrophen im Jahr 2022 entspricht in etwa dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre und liegt etwa 10 % unter der jährlichen Anzahl der Katastrophen im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts. Auch die weitergehenden Auswirkungen dieser Katastrophen (Todesfälle, wirtschaftliche Verluste) entsprechen diesen Trends.

Auf der Grundlage dieser Daten, die von CRED seit dem Jahr 2000 als zuverlässig angesehen werden, gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Zahl der weltweiten Wetter- und Klimakatastrophen zunimmt. Das bedeutet, dass es – unbestreitbar – keine Beweise für eine weitere falsche Behauptung der UNO gibt: „Die Zahl der Katastrophenereignisse wird bis 2030 voraussichtlich 560 pro Jahr erreichen – oder 1,5 pro Tag, statistisch gesehen.“ (Sehen Sie hier nach.)

Ich bin neugierig: Wann fangen Journalisten an, die Fakten über Katastrophen zu berichten und Fehlinformationen zu widerlegen?

Globale Verluste durch Katastrophen

Aktualisiert von Pielke 2019. Hinweis: Die Schäden für 2022 werden auf der Grundlage vorläufiger Schätzungen von Swiss Re und des geschätzten BIP-Wachstums für 2022 auf der Grundlage des IWF geschätzt. Die endgültigen Zahlen können höher oder niedriger sein, und in den verbleibenden Tagen des Jahres 2022 können noch weitere Schäden auftreten.

Der globale Rückversicherungsriese Swiss Re projizierte, dass im Jahr 2022 Katastrophenschäden in Höhe von insgesamt 260 Mrd. USD zu verzeichnen sein werden. Auf der Grundlage dieser Schätzung und einer Schätzung des IWF für das globale BIP-Wachstum im Jahr 2022 können wir davon ausgehen, dass die weltweiten Schäden durch Wetter- und Klimakatastrophen im Jahr 2022 etwa 0,2 % des globalen BIP betragen werden. Das entspricht in etwa dem Mittelwert der Jahre 1990 bis 2021. In diesem Zeitraum sind die Schäden (im Verhältnis zum BIP) jedoch zurückgegangen, wie Sie in der obigen Abbildung sehen können, die eine von Experten überprüfte Analyse aktualisiert, die ich erstmals 2019 veröffentlicht habe.

In den letzten sechs Jahren waren die Schäden im Verhältnis zum BIP höher als im vorangegangenen Jahrzehnt, was größtenteils auf das Fehlen starker Wirbelstürme in den Vereinigten Staaten in diesem Zeitraum (2005-2017) zurückzuführen ist. Bemerkenswert ist, dass die Hurrikanschäden in den USA in der Vergangenheit mehr als 60 % der „globalen“ Katastrophenschäden ausmachten. Es gibt auch keine Anzeichen für eine dramatische Beschleunigung der Katastrophenschäden im Verhältnis zum globalen BIP, die im Stern-Bericht vor mehr als 15 Jahren prognostiziert worden war. Wann immer also von „Milliarden-Dollar-Katastrophen“ und ihrem angeblichen Zusammenhang mit dem Klimawandel die Rede ist, lässt sich das mit einem einzigen Wort zusammenfassen: Desinformation.

Fazit auf globaler Ebene

Katastrophen sind furchtbar – Menschen sterben und werden vertrieben, Eigentum und Infrastruktur werden beschädigt und zerstört, und die Wirtschaft kann in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Planet Erde ist ein Ort der Extreme. Wirbelstürme, Überschwemmungen, Dürren, Hitzewellen und andere Arten von Extremereignissen sind normal und waren es schon immer.

Allerdings birgt der vom Menschen verursachte Klimawandel das Potenzial, Extremereignisse häufiger oder schlimmer zu machen. So gibt es zum Beispiel bereits gute Belege dafür, dass Hitzewellen vielerorts intensiver geworden sind, und dieser Anstieg ist auf die zunehmenden Treibhausgase zurückzuführen. Für die meisten Arten von Wetter- und Klimaextremen ist es jedoch weder gelungen, einen Trend zu erkennen noch ihn auf menschliche Einflüsse auf das Klima zurückzuführen.

Nehmen Sie das nicht von mir, sondern vom IPCC.

Gleichzeitig ist die Fähigkeit der Gesellschaften, sich auf Extremereignisse vorzubereiten und sich von ihnen zu erholen, eine bemerkenswerte Geschichte politischer Erfolge – die Zahl der Todesopfer im Zusammenhang mit Katastrophen ist von Millionen pro Jahr vor einem Jahrhundert auf Tausende pro Jahr im letzten Jahrzehnt gesunken. Das sind immer noch zu viele, aber wir sollten anerkennen, dass dies auch eine enorme Leistung darstellt. Wir können und sollten mehr tun.

Leider wird heutzutage jede Wetter- und Klimakatastrophe als eine Art „Aushängeschild“ für die Klima-Katastrophe herangezogen. Jedes Extremereignis und die damit verbundenen menschlichen Auswirkungen werden schnell zu einem Symbol für etwas anderes – wie eine verfehlte Energiepolitik, raffgierige Unternehmen für fossile Brennstoffe, böse Politiker oder gefühllose Jet-Set-Milliardäre. Das ist ein einfaches und mächtiges Narrativ, das aber auch unglaublich irreführend ist.

Solche selbstbewussten Behauptungen über die Ursachen haben nicht nur eine schwache wissenschaftliche Grundlage, sondern lenken auch davon ab, worauf wir uns im Zusammenhang mit Katastrophen eigentlich konzentrieren sollten – auf die Katastrophen selbst und die gesellschaftlichen Bedingungen, die ihnen zugrunde liegen. Ein Extremereignis ist keine Katastrophe. Eine Katastrophe tritt nur dann ein, wenn ein Extremereignis auf eine unvorbereitete, verletzliche und exponierte Gemeinschaft trifft. Weitere Fortschritte bei der Abschwächung der Auswirkungen von Katastrophen auf die menschliche Gesellschaft werden daher von einer besseren Vorbereitung, einer geringeren Anfälligkeit und einem besseren Umgang mit der Gefährdung abhängen.

Die Verringerung der Treibhausgase ist natürlich von entscheidender Bedeutung. Aber das gilt auch für weitere Fortschritte bei der Verringerung der Auswirkungen von Katastrophen. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Dinge, und die Verwechslung von Ersterem mit Letzterem bedeutet nicht nur einen Verlust an politischem Fokus, sondern auch einen Triumph der Desinformation über fundierte Wissenschaft. Wir können uns mit der Notwendigkeit der Dekarbonisierung der Weltwirtschaft befassen und weitere Fortschritte bei der Eindämmung von Katastrophen erzielen – beides gleichzeitig, ohne das eine mit dem anderen zu verwechseln. Dies erfordert jedoch einen Grad an Ehrlichkeit in unseren Diskussionen über diese Themen, der verloren gegangen ist. Mal sehen, ob wir sie wiederfinden können.

Link: https://rogerpielkejr.substack.com/p/dont-believe-the-hype?mc_cid=82b361cccf&mc_eid=2677af5302

Übersetzt von Christian Freuer für das EIKE

 

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