Horst D. Deckert

Breitscheidplatz – da war doch was?

Sinnfällig: Verwaistes Gedenken in Berlin am Schauplatz des Anschlags von 2016 (Foto:Imago)

Sonntag Abend. Ich schalte kurz vor 20 Uhr den Fernseher ein, um mir meine tägliche Dosis Framing abzuholen, und bekomme noch den Rest des „Weltspiegels“ mit. Es läuft – zufällig? – ein Bericht über eine syrische Einwandererfamilie in Kanada, die dort eine Schokoladenfabrik aufgemacht und damit 30 Arbeitsplätze geschaffen hat. Dezent verschweigt die ARD-Reportage, dass Migranten in Kanada wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen müssen, zeigt dafür aber um so ausführlicher, dass die religiös-muslimische Familie „Schokolade für den Frieden” herstellt. Nun haben Menschen, die Schokolade herstellen, bei mir grundsätzlich einen Sympathiebonus und friedliche Menschen ohnehin. Es liegt mir auch fern, dieser Familie schlechte Absichten zu unterstellen; dem „Weltspiegel“ allerdings unterstelle ich diese durchaus.

Denn es ist wieder die klassische Manipulation: Man zeigt uns die „Guten“ unter den Migranten, um uns die dunkle Seite der Einwanderung vergessen zu lassen, und trägt dabei richtig dick auf. Die Botschaft ist deutlich: Wer über diese dunklen Seiten spricht, will demnach Migranten per se Schaden zufügen. Also nicht nur denjenigen, die unsere innere Sicherheit gefährden, sondern auch den syrischen Willy Wonkas. Aber wird nicht umgekehrt ein Schuh daraus? Als Migrant, der sich integrieren will und auch dem Gastland nicht zur Last fällt, wäre ich stinksauer, so vor den Karren gespannt zu werden. Denn im Grunde packt man mich in einen Topf mit Islamisten – für die ich als Alibi herhalten muss. Und das ausgerechnet an dem Tag, da sich das Attentat auf den Berliner Breitscheid-Platz zum fünften Mal jährt.

Syrische Willy Wonkas

Es hat lange gedauert, bis von Regierungsseite überhaupt eine Äußerung dazu kam. Wir erinnern uns: Ex-Kanzlerin Merkel hielt es damals noch nicht einmal für nötig, den Hinterbliebenen ein paar Worte des Trostes zu senden. Erst ein Jahr später ließ sie sich vor Ort blicken – lächelnd und sichtlich geschmeichelt von der Aufmerksamkeit, die ihr zuteil wurde. Von Frank-Walter Steinmeier hört man erst jetzt salbungsvolle Worte; er räumt sogar ein, es seien „Fehler gemacht worden”. Wir ahnen es bereits: Diese Fehler werden einzig und allein den Ermittlungsbehörden angelastet. Steinmeier bleibt gewohnt schwammig in seinen Aussagen.

Der neue Kanzler Olaf Scholz spricht über den Schutz der Bürger, verschleiert dabei aber die damaligen Ereignisse noch mehr: Im Gegensatz zu Steinmeier erwähnt er noch nicht einmal den islamistischen Hintergrund der Tat. Ganz so, als wäre dieser Anschlag eine Art Naturereignis gewesen, gegen das man im Grunde nichts hätte tun können. Denn das ist es auch, was bisher gegen die Gefahr unternommen wurde: Nichts. Claudio Casula twittert treffend:

(Screenshot:Twitter)

Es gibt noch immer kein sinnvolles Einwanderungsgesetz, das es zwar Schokoladenfabrikanten und anderen Spezialisten erlauben würde, sich hier anzusiedeln, nachdem sie ihre Einwanderung ordnungsgemäß beantragt haben – dafür aber die weniger Wohlwollenden außerhalb der Grenzen unseres Landes lässt. Weiterhin funktioniert es eher umgekehrt: In der Hoffnung, dass sich unter Hunderten ein einziger solcher Spezialist befindet, nimmt man in Kauf, auch potentielle Gefährder ins Land zu lassen. Asyl und Einwanderung sind ein großes Durcheinander, und diejenigen, die sich zurecht hier Schutz vor der Verfolgung durch religiöse Fanatiker erhofften, werden gnadenlos im Stich gelassen – denn nach vorherrschender Ideologie gehören sie mit ihren Verfolgern in einen großen, harmonischen Topf.

Im Umgang mit islamischen Lobbygruppen wird nicht etwa gefordert, Hassprediger endlich in den Griff zu bekommen, sondern auf nettes Beisammensein bei Tee und Gebäck gesetzt. In unseren Talkshows sitzen häufiger Menschen wie Kübra Gümüsay, die Integration für Verrat hält, als kritische Stimmen wie Necla Kelek oder Hamed Abdel Samad. Gerade freut sich Franziska Giffey ein Loch ins schicke Kostüm, weil in Berlin eine rot-rot-grüne Regierung ansteht, unter der Parallelgesellschaften prächtig weitergedeihen können und dafür geliebt werden.

Schnell wieder einschlafen

Der politische Wille, die Bevölkerung zu schützen, ist also nicht ansatzweise vorhanden. Es gibt kurze Phasen des Erwachens, wenn wieder einmal etwas passiert ist – wie etwa die Ermordung von Samuel Paty in Frankreich -, aber dann schläft man rasch wieder ein. Denn, so redet man sich und uns ein, das hat ja alles nichts mit dem kulturellen Hintergrund der Täter zu tun.

Mit der Durchsetzung der Corona-Maßnahmen zeigt der deutsche Staat, dass er durchaus kann, wenn er will. Hier steht auch nicht zu befürchten, sich unbeliebt zu machen – denn die Medien haben die Bevölkerung entsprechend vorbereitet (manch einer würde sich mittlerweile in der U-Bahn wohl eher neben einen Taliban in voller Kampfmontur setzen als neben jemanden ohne Mundschutz). Und selbst die Gegner der Maßnahmen sind in ihrer überwältigenden Mehrheit friedlich; es steht nicht zu erwarten, dass sie Polizisten ähnlich aggressiv angreifen, wie die „Eventszene“ es tut. Fast könnte man meinen, die Verantwortlichen genössen es, endlich einmal etwas einigermaßen im Griff zu haben – und unter einer Phobie leiden sie dabei nach eigenem Bekunden auch nicht. Die bleibt denjenigen vorbehalten, die sich um die Anis Amris Gedanken machen, die noch zu uns kommen könnten. Solange sie nur brav ihre Maske aufsetzen.

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