Horst D. Deckert

Bündnisfall und Exil

Bündnisfall: In dicken Lettern sticht mir das Wort beim Überfliegen meiner Telegram-Nachrichten ins Auge. Russland soll Polen mit Raketen angegriffen haben. Es ist Dienstagabend und ich bin gerade in Ägypten, einige hundert Kilometer von der Klimakonferenz der Eliten entfernt – am Strand von Hurghada.

Auch ich “konferierte” hier mit aller Welt: Mit Ägyptern, die gegen Israel und Amerika sind, mit Holländerinnen, die die Bauernproteste unterstützen, einer Engländerin, die sich entschieden gegen die Globalisierung ausspricht und jungen Russen, die vor der Mobilmachung geflohen sind. Im September setzten sie sich in den Flieger nach Sharm El Sheikh, aufgrund der Preisexplosion durch die Klima-Konferenz verlegten sie ihr Exil nach Hurghada. Sie erzählten mir von Heimweh und vor allem davon, dass sie einfach am Leben bleiben wollen. “Der Krieg soll einfach aufhören, wir wollen nur Frieden”, sagte Aljoscha, als ich ihn nach seiner Meinung fragte. Von einer Sekunde auf die andere droht nun auch mein Heimatland in den Krieg zu ziehen und ich muss mir nun selber die Frage stellen, ob ich zum Exilanten werden soll.

Noch einmal Glück gehabt

An der Pool-Bar spielt es den Wiener Walzer, Wiener Journalisten rufen auf Twitter begeistert zum großen Krieg. Wie schnell wird’s gehen?, frage ich mich. Dass die Explosionen in Polen auf russische Raketen zurückzuführen seien, darüber ist man sich im Mainstream sofort einig. Die CIA habe Hinweise, heißt es bald. Komme ich überhaupt noch nach Hause zurück? “Wie lange kann man das ägyptische Urlaubsvisum verlängern?”, frage ich Ivan, einen russischen Exilanten. “Aber ihr seid doch neutral!”, versucht er zu beruhigen. Schön wärs! Hätte Russland Polen angegriffen, würde wohl auch der EU-Bündnisfall eintreten, erkläre ich. “Das Pentagon kann einen russischen Raketentreffer in Polen nicht bestätigen”, vernehme ich nun aus einem Medium. Entwarnung! Anders als in Europas Mainstream ist man in den USA offenbar noch nicht bereit, für den großen Krieg. Noch einmal Glück gehabt!

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