Horst D. Deckert

Bundesheer Oberst: Kann Uniform ausziehen und als Vertragsbediensteter in Ukraine gehen

Die Diplomatische Akademie Wien lud am 26. Jänner zu einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion zum Thema “Der Ukrainekrieg und die neue globale Machtstruktur”. Bei dieser Gelegenheit erklärte Garde-Kommandant Oberst Markus Reisner, wie der Westen die Ukraine nicht nur mit Waffen sondern auch mit Soldaten versorgen kann. “Die Lösung” wäre, wenn die Soldaten bei der jeweiligen Heimatarmee kündigen und als Privatpersonen als Söldner in der Ukraine anheuern.

Garde-Kommandant Oberst Markus Reisner gilt als Liebkind des Establishments und des öffentlich-rechtlichen ORF. Ständig wird er zu militärischen Themen, speziell zur Ukraine, um seine Meinung gefragt. Nüchtern betrachtet folgt er dabei vollständig der Linie der NATO und dürfte Russland in seinen Analysen systematisch kleinreden.

Nun fand am 26. Jänner die Podiumsdiskussion “Der Ukrainekrieg und die neue globale Machtstruktur” statt. Veranstalter ist die postgraduale Bildungseinrichtung “Diplomatische Akademie Wien” (“educating global leaders since 1754”). Es handelt sich um eine Kaderschmiede für hohe Positionen in internationalen organisationen und der EU. Eingeladen hat das Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik AIES. Für alle kritischen Geister, die nur zu schnell “aus dem Kontext gerissen” rufen, verlinken wir hier die vollständige Aufzeichnung (2 Stunden) der Veranstaltung. Neben Oberst Reisner saß auch der ehemalige Verteidigungsminister Fasslabend (ÖVP) am Podium. Gemessen an seinen bekannt gewordenen Ritterorden und Großkreuzen dürfte dieser dem Freimaurertum nicht allzu sehr fern sein, doch das ist natürlich nur Spekulation. Die Moderation oblag ORF-Urgestein Roland Adrowitzer, die Begrüßung führte Michael Zinkanell, Stv. Direktor des Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik durch.

Hören Sie nun bitte selbst den einminütigen Auszug, der einen im vorgeblich neutralen Österreich einen unfassbaren Skandal darstellt – mit der Einschränkung, dass sich in den letzten zwei Wochen kein einziges Medium dafür interessiert hat.

Die „Diplomatische Akademie Wien“ hat in Verbindung mit dem „Austria Institut für Europa- und Menschenpolitik“ eine interessante Podiumsdiskussion zum Ukraine-Krieg auf die Beine gestellt. Interessant ist vor allem, was der österreichische Oberst Markus Reisner preisgibt. pic.twitter.com/DpUrmECaes

— Manaf Hassan (@manaf12hassan) February 5, 2023

Ein nicht näher bezeichneter General im Publikum stellt die Frage:

Die Waffenlieferungen in die Ukraine, das ist wunderbar. Aber wie sieht es aus mit dem Personal? Wer besetzt alle diese Panzer? Kann die Ukraine da das Personal stellen oder wird es doch so sein, dass NATO-Soldaten das praktisch bedienen müssen? Und wie viele NATO Soldaten gibt es eigentlich jetzt schon in der Ukraine? Man spricht davon, dass Polen schon 20.000 Soldaten in der Ukraine stationiert hat. Man spricht auch davon, dass Polen vielleicht Teile der Ukraine quasi in seine Kontrolle bringen wird.

Daraufhin antwortet Oberst Reisner:

Sie brauchen keine NATO-Soldaten in die Ukraine schicken. Ich ziehe meine Uniform aus, unterscheibe einen Vertrag und gehe in die Ukraine. Ich bin kein Angehöriger der österreichischen Streitkräfte mehr sondern Vertragsbediensteter. Das ist die Lösung, die wir sehen.

Exakter Link im Gesamtmitschnitt: https://www.youtube.com/watch?v=wSGwroV8W6g&t=4440s

Die Stille im Saal, als Reisner diese Worte äußert, ist interessant. Tatsächlich gibt es kein Räuspern, kein Sesselrücken, kein Husten. Denn allen anwesenden Militärexperten ist natürlich völlig klar, wie skandalös diese Worte sind.

Zunächst erklärt ein Oberst des Bundesheeres des formell per Verfassungsgesetz (!) neutralen Österreich am eigenen Beispiel, dass ER seine Uniform ausziehen und als Vertragsbediensteter in die Ukraine gehen könne. Das wäre die Lösung. Man mag ihm zu seinen Gunsten zugestehen, dass das ein sehr, sehr unglücklich formuliertes Beispiel war. Was Reisner aber zu erwähnen vergisst, sind die Konsequenzen nach geltendem Recht.

Verlust der Staatsbürgerschaft

Nach geltendem österreichischen Recht, hier nachlesbar, verliert jeder die österreichische Staatsbürgerschaft, der in den Militärdienst eines fremden Staates eintritt ODER sich aktiv an Kampfhandlungen im Ausland beteiligt.

Der freiwillige Eintritt in den Militärdienst eines fremden Staates führt zu einem Verfahren zur Entziehung der Staatsbürgerschaft; 

Die freiwillige aktive Teilnahme an Kampfhandlungen im Ausland für eine organisierte bewaffnete Gruppe im Rahmen eines bewaffneten Konflikts führt zu einem Verfahren zur Entziehung der Staatsbürgerschaft.

Als Einschränkung gilt: Voraussetzung ist, dass durch die Entziehung keine Staatenlosigkeit eintritt – das macht das Gesetz in den meisten Fällen ein wenig zahnlos wie auch diese Rechtsanalyse zeigt.

Für irreguläre Kombattanten gilt Genfer Konvention nicht

Wikipedia erklärt: Die Feldhandbücher zahlreicher Staaten erklären, dass Zivilisten den Schutz der Genfer Konventionen und des I. und II. Zusatzprotokolls verlieren, sobald sie sich an bewaffneten Konflikten beteiligen. Sie gelten dann als unlawful combatants und dürfen nach Kriegsvölkerrecht bekämpft werden. In der Praxis bedeutet dies, dass die Regeln der Genfer Konventionen für Kriegsgefangene Soldaten oder zur Schonung der Zivilbevölkerung nicht gelten.

Die Vereinigten Staaten sehen solche Personen bei Ihrer Ergreifung als nicht dem Kriegsgefangenenstatus unterstehend an. Sie verstoßen gegen das Kriegsrecht und können von Militärtribunalen abgeurteilt werden. Dementsprechend ist eine Erschießung vor Ort gerechtfertigt. Es gibt ein Zusatzprotokoll zum Genfer Abkommen aus 1977, welches solchen Personen “ein Minimum an menschlicher Behandlung garantiert”. Ob dieses in der Praxis Anwendung findet ist fraglich.

Im Konflikt Russland gegen die Ukraine wurden mit hoher Wahrscheinlichkeit von beiden Seiten Kriegsverbrechen begangen. Unserer Redaktion liegen hauptsächlich Bilder vor, auf denen ukrainische Einheiten gefangene Russen foltern, verstümmeln und erschießen. Diese Vorgangsweise ist natürlich auch in Russland bekannt und dürfte dort Zorn und Hass erzeugen. Somit ist davon auszugehen, dass irreguläre Kombattanten ohne lange Gerichtsprozesse vor Ort erschossen werden können. Nach dem Kampf um Mariupol wurden auch tatsächlich drei Todesurteile gegen ausländische Söldner verkündet. Der “Brite” Aiden Aslin, der bereits für den Islamischen Staat “IS” kämpfte, kam später im Zuge eines Gefangenenaustauschs frei. Auch der Brite Shaun Pinner und der Marokkaner Brahim Saadoune wurden auf diesem Weg von den Russen in die freiheit entlassen.

Der “Ratschlag” von Oberst Reisner verstößt also mutmaßlich gegen das internationale Kriegsrecht und würde jeden Soldaten, der ihn befolgt, im Falle seiner Ergreifung zum Tod verurteilen. Darüber hinaus verstößt er auch mutmaßlich gegen österreichisches Recht, das wie oben zitiert nicht vorsieht, dass Staatsbürger in fremden Armeen dienen und kämpfen dürfen.

Jeder Leser möge seine eigenen Schlüsse daraus ziehen, weshalb die Äußerungen des Oberst bislang in keinem österreichischen Medium reflektiert, diskutiert oder kritisiert wurden.

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