Horst D. Deckert

Chinesische Forscher finden Hinweise auf Quantenverschränkung im menschlichen Gehirn

Diese Erkenntnis könnte Aufschluss darüber geben, was das menschliche Bewusstsein eigentlich ist und wie es funktioniert. Denn die synchrone Aktivität von Millionen Gehirnneuronen stellte die Wissenschaft bislang vor ein Rätsel. Ein Team chinesischer Wissenschaftler untersuchte die Möglichkeit, dass im menschlichen Gehirn verschränkte Photonen erzeugt werden. An den Enden von Lipidmolekülen könne eine „erhebliche Anzahl“ solcher Teilchen erzeugt werden. Demnach wäre das Gehirn ein Quantencomputer.

Die Arbeit „Verschränkte Biphotonenbildung in der Myelinscheide“ ist aktuell nicht kostenfrei verfügbar, sehr wohl aber ein ausführlicher Artikel darüber auf Phys.org (hier in englischer Sprache).

Demnach könnten Photonenverschränkungen im Gehirn die schnellen, synchronen Gehirnsignale erklären, welche mit dem menschlichen Bewusstsein in Verbindung gebracht werden.

Seit die Quantenmechanik und auch die Quanteninformatik mehr in den Fokus der Wissenschaft rückt, galt es als logisch und naheliegend, dass auch die Natur diese „spukhafte Fernwirkung“ zwischen miteinander verschränkten Teilchen nutzt. Die Denkleistung des menschlichen Gehirns wäre mittels der Quantenphysik deutlich nachvollziehbarer zu erklären als mit herkömmlicher Physik, wo sich Nervenimpulse von A nach B bewegen.

Bislang wären viele Gehirnforscher davon ausgegangen, dass sich die Kommunikation unter Neuronen unterhalb der Schallgeschwindigkeit abspielt – und somit relativ langsam sei, berichtet phys.org. Es fehlte also die Erklärung für viel schnellere Reaktionen des Gehirns in der Datenverarbeitung, aber auch in den Prozessen, die das Bewusstsein ausmachen.

„Wenn die Kraft der Evolution nach einer praktischen Wirkung über eine Distanz suchen würde, wäre die Quantenverschränkung ein idealer Kandidat für diese Rolle.“

Yong-Cong Chen in einer Erklärung gegenüber Phys.org

Der Autor David Appell von phys.org geht davon aus, dass das menschliche Bewusstsein auf der synchronisierten Aktivität von Millionen von Neuronen beruhen würde. An dieser Stelle sei vorab eine persönliche Anmerkung erlaubt: Was die Wissenschaft manchmal zu übersehen scheint, ist die Frage, ob neuronale Aktivitäten die Folge „eines Gedankens im Bewusstsein“ sind – oder ob sie diesen Gedanken abbilden und tatsächlich verkörpern. Ich will damit das Henne/Ei Problem ansprechen, was ist zuerst da. Diese Frage ist von großer Wichtigkeit, weil sich daraus ableitet, ob Menschen bloße Bioroboter sind – oder ob auf einer noch unbekannten Ebene Raum für mehr ist – beispielsweise die „Seele“, die man aus der Religion kennt.

Wie dem auch sei, die chinesischen Wissenschaftler haben sich intensiv damit beschäftigt, wie die Reizimpulse hergestellt werden, mit denen Neuronen kommunizieren.

Neuronen sind durch Axone verbunden – eine Art Leitung, auf der die Nervenimpulse weitergegeben werden. Diese Axone werden von einer Myelinhülle umgeben – einem weißen Gewebe aus Lipiden. Diese Hülle besteht aus hunderten von Schichten. Sie isoliert diese Leitungen und sorgt auch für die Energieversorgung.

Die messbare Geschwindigkeit, mit der sich Signale entlang der Axone ausbreiten, liegt deutlich unter der Schallgeschwindigkeit (343 m/s in trockener Luft mit 20 Grad Celsius). Demnach wäre dies bei weitem nicht die schnellstmögliche bekannte Geschwindigkeit des Universums, die Lichtgeschwindigkeit 299.792.458 m/s).

Die erstaunlichen Leistungen des menschlichen Gehirns legen aber eher nahe, dass Berechnungen in Lichtgeschwindigkeit durchgeführt werden. Denn Kommunikation bei Schallgeschwindigkeit erklärt nicht die synchronen Aktivitäten von Millionen Gehirnzellen, wenn der Mensch denkt und handelt.

Zefei Liu, Yong-Cong Chen und Ping Ao untersuchten die Möglichkeit, ob es innerhalb des Axon-Myelin-Systems verschränkte Photonen geben könnte. Diese können, so erklärt es die Quantenphysik, sofort miteinander kommunizieren. Sie bleiben miteinander verbunden – es wäre keine Wegstrecke abzuwarten.

Ein Tricarbonsäurezyklus setzt in Nährstoffen gespeicherte Energie frei, wobei während des Zyklus eine Kaskade von Infrarotphotonen freigesetzt wird. Diese Photonen koppeln an Schwingungen von Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen (CH) in Lipidmolekülen und regen diese in einen höheren Schwingungsenergiezustand an. Wenn die Bindung dann in einen niedrigeren Schwingungsenergiezustand übergeht, setzt sie eine Kaskade von Photonen frei. Die chinesische Gruppe wandte die Hohlraum-Quantenelektrohydrodynamik auf einen perfekten Zylinder an, der von Myelin umgeben ist, und ging dabei von der vernünftigen Annahme aus, dass die Außenwand der Myelinscheide eine perfekt zylindrische leitende Wand ist. Mithilfe quantenmechanischer Techniken quantisierten sie die elektromagnetischen Felder und das elektrische Feld im Inneren des Hohlraums sowie die Photonen – das heißt, sie behandelten sie alle als Quantenobjekte – und lösten dann unter einigen vereinfachenden Annahmen die resultierenden Gleichungen.

Chen erklärte, dass man mathematisch zeigen konnte, dass die beiden Photonen eine höhere Verschränkungsrate aufweisen können.

Die leitende Wand begrenzt die elektromagnetischen Wellenmodi, die im Zylinder existieren können, und macht den Zylinder zu einem elektromagnetischen Hohlraum, der den Großteil seiner Energie im Inneren behält. Diese Modi unterscheiden sich von den kontinuierlichen elektromagnetischen Wellen („Licht“), die im freien Raum existieren.

Den Forschern ist wichtig zu relativieren: Sie möchten nicht behaupten, dass es zwischen dieser sehr wahrscheinlichen Art der Quantenverschränkung im menschlichen Gehirn und dem Bewusstsein einen direkten Zusammenhang gibt. Sie hoffen aber durch ihre Arbeit zu einem besseren Verständnis der Prozesse beizutragen: In diesem frühen Stadium ist unser Hauptziel, mögliche Mechanismen der neuronalen Synchronisation zu identifizieren, die zahlreiche neurobiologische Prozesse beeinflusst.

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