Immer wieder erreichen uns Leserbriefe, die sich nicht in die Kommentare einordnen lassen, weil sie zu lang, oder zu anderen Themen oder schlicht falsch sind. Und das zum wiederholten Mal. Hier jedoch ein Leserbrief zum Beitrag zum Video von Dr. Strehl, diesmal von Dr. Eike Roth, den wir zur Diskussion stellen wollen. Wir teilen bei weiten nicht alles was darin steht, bspw. nicht, dass man alles was in der Mathematik möglich ist, auch in der Physik versuchen sollte, wie bspw. die Möglichkeit aus einer Menge an Telefonnummern eine Durchschnittstelefonnummer zu errechnen, aber darum geht es nicht. Wissenschaft lebt von der Diskussion. Trotzdem gilt, nicht alle Leserbriefe die uns erreichen, werden von uns veröffentlicht.
Eike Roth
Am 01.02.2024 brachte EIKE einen Beitrag mit Video von einem Vortrag „CO2 hat keinen Einfluss auf die Klimaerwärmung! Dr. Bernhard Strehl bei Youtube“ mit Kommentaren von Herrn Limburg hierzu. Wenig überraschend hat dieser Beitrag zu erheblichen Diskussionen geführt. Ich nehme das als Anlass zu einer etwas ausführlicheren Stellungnahme:
Meiner Meinung nach ist der Vortrag von Herrn Strehl gut gelungen, Dank an EIKE für die Veröffentlichung. Der Vortrag enthält eine klar begründete Aussage und er ist mit vielen aufschlussreichen und beachtenswerten, manchmal aber auch diskussionswürdigen Details gespickt. Aber vielfach wird nicht über diese Details diskutiert, sondern grundsätzlich. So wird z. B. gesagt, dass man bei der Temperatur, weil sie eine intensive Größe wäre, keinen Mittelwert bilden dürfe. Das kann ich nicht nachvollziehen. Mittelwertbildung ist ein mathematischer Vorgang, und die Mathematik ist geduldig, so etwas darf man immer machen. Die Frage ist nur, welche Aussagen man aus diesem Mittelwert ableiten darf. Wenn Messorte und Berechnungsschema immer gleichbleiben (wogegen beim „Klimaproblem“ allerdings manchmal verstoßen wird) und wenn nicht zu stark unterschiedliche Temperaturverteilungen miteinander verglichen werden (also nicht z. B. Erde und Mond), dann kann man nach meinem Dafürhalten durchaus einige Aussagen aus dem Mittelwert ableiten. So ist z. B. die Aussage, dass es heutzutage auf der Erde im Durchschnitt wärmer ist, als wenn sie keine Atmosphäre mit strahlungsaktiven Substanzen in ihr hätte, m. E. eindeutig zulässig (siehe jedoch etwas weiter unten), auch wenn die beiden Werte stark von willkürlichen Annahmen abhängen und für sich genommen wenig Aussagekraft haben. Zum Vergleich „wärmer oder nicht“ taugen sie im relevanten Bereich m. E. allemal. Auch dass man beide Werte nicht wirklich messen kann, ist in meinen Augen kein tragfähiges Gegenargument. Solange man sie hinreichend genau aus anderen Messungen und physikalischen Überlegungen errechnen kann und vorsichtig ist, wie und wofür man das Ergebnis verwendet, darf man das auch tun.
Bei genauerem Hinsehen gilt die Aussage „eine Atmosphäre mit Treibhausgasen in ihr erwärmt die Erde“ allerdings wohl doch nur mit einer Einschränkung: Wenn die Treibhausgase in der Atmosphäre noch einen zweiten, physikalisch anderen Effekt bewirken, dann kann dieser – jedenfalls prinzipiell – auch kühlend wirken. Potenziell kann er den erwärmenden Treibauseffekt sogar überwiegen. Dann wirkt die Atmosphäre insgesamt eben kühlend. Einen solchen Effekt gibt es, zumindest von der Theorie her, auch tatsächlich: Wenn eine Atmosphäre da ist, dann erfolgt der Wärmeabtransport von der Erdoberfläche nicht nur durch Strahlung, sondern auch durch Konvektion und Leitung und bei geeigneten Randbedingungen auch durch Verdunstung (latente Wärme). Und wenn dann in der Atmosphäre auch noch strahlende Substanzen (Treibhausgase) vorhanden sind, dann kann ein Teil der so nach oben transportierten Wärme auch von diesen Substanzen aus der Atmosphäre in den Weltraum abgegeben werden. Damit ist ein zweiter Wärmeabfuhrpfad von der Erdoberfläche in den Weltraum eröffnet. Auf der realen Erde existiert dieser zweite Wärmeabfuhrpfad m. E. zweifellos, weil es in der Atmosphäre Wärmeleitung und Konvektion gibt, weil Wasser da ist und weil auch strahlungsaktive Gase („Treibhausgase“) in der Atmosphäre vorhanden sind. Die Atmosphäre kann die Ede daher sowohl erwärmen als auch abkühlen. Ich halte es für erwiesen, dass bei niedrigen Treibhausgas-Konzentrationen der erwärmende Effekt („Treibhauseffekt“) überwiegt (es ist eben wärmer mit als ohne Atmosphäre, siehe oben), ich halte es aber für durchaus möglich, dass ab einer bestimmten Konzentration der abkühlende Effekt überwiegt, weil er zumindest der Theorie nach schneller wachsen sollte als sein Gegenspieler[1]. Bei welcher Konzentration dieses Überwiegen beginnt, bedarf m. E. noch weiterer Untersuchungen. Vielleicht sind wir schon nahe dran und die geringe beobachtete (im Gegensatz zu der von vielen berechneten) Wirkung des CO2 ist darauf zurückzuführen?
Auch kommt in den Diskussionen immer wieder der uralte Einwand, den Treibhauseffekt könne es gar nicht geben, weil ein kälterer Körper (die Atmosphäre) gemäß dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik einen wärmeren Körper (die Erde) nicht von sich aus erwärmen könne. Er könne höchstens dessen Abkühlung erschweren bzw. verlangsamen. Da wird m. E. – wie leider so oft – eine nie aufgestellte Behauptung widerlegt und das wird als Beweis für „alles falsch“ ausgegeben. Die tatsächlich aufgestellte Behauptung besagt, dass der kältere Körper (die Atmosphäre) bewirkt, dass der wärmere Körper (die Erde) von einem noch viel wärmeren Körper (der Sonne) stärker aufgewärmt wird, als dies ohne den kälteren Körper der Fall ist. Die Atmosphäre bewirkt dieses Erwärmen der Erde, indem sie für die Erde einen wärmeren Hintergrund darstellt als der viel kältere Weltraum, und dadurch die Abkühlung der Erde, die im Wettstreit mit ihrer Erwärmung durch die Sonne die Temperatur der Erde bestimmt, erschwert bzw. verlangsamt. Dadurch stellt sich das Gleichgewicht mit Atmosphäre bei einer höheren Temperatur der Erdoberfläche ein als ohne Atmosphäre. Da kann ich beim besten Willen keinen Widerspruch zum zweiten HS erkennen. Über die Höhe der Erwärmung durch die Treibhausgase in der Atmosphäre kann (und soll!) man streiten, der Grundsatz ist m. E. aber von der Physik vorgegeben. Der Wärmefluss geht von „heiß“ (Sonne) über „warm“ (Erde) und „nicht ganz so warm“ (Atmosphäre) zu „kalt“ (Weltraum), alles in Ordnung, kein Verstoß!
Noch eine kleine Anmerkung zu einem einschlägigen Leserkommentar: Man könne Kaffee nicht durch Eiswürfel erwärmen, wurde da gesagt. Doch, das kann man sehr wohl: Stellen wir uns eine Kaffeekanne in einem Behälter mit flüssiger Luft vor, die habe meinetwegen minus 200 ° C. In der Kaffeekanne sei ein Tauchsieder, der den Kaffee gerade auf angenehmen 40 ° C hält. Nun umgeben wird die Kaffeekanne mit Eiswürfeln von 0 °C: Der Kaffee wird eindeutig wärmer. Die Temperatur, die ein Körper annimmt, wird immer von der Wärmezufuhr und von der Wärmeabfuhr bestimmt. Wann immer man auch an nur einer der beiden Stellschrauben dreht, beeinflusst man unvermeidbar die Temperatur.
Und wenn oben von einem „mathematischen Vorgang“ die Rede war, ein solcher ist auch, siehe einen weiteren Leserkommentar, die Berechnung einer Halbwertszeit von 38 Jahren für den Rückgang der CO2-Konzentration nach Beendigung unserer Freisetzungen, bzw. daraus abgeleitet, die Berechnung der Maximalkonzentration von 500 ppm bei Einfrieren der Freisetzungen auf dem derzeitigen Niveau. Diese Werte errechnen sich aus dem derzeitigen netto Senkenfluss von 2,5 ppm/a und dem Überhang der derzeitigen Konzentration gegenüber dem vorindustriellen Gleichgewichtswert als treibende Kraft für diesen Fluss. Die Berechnung unterstellt also, dass die Atmosphäre nach Einstellen der anthropogenen Freisetzungen zum alten vorindustriellen Gleichgewicht zurückkehren würde. Das tut sie aber ganz sicher nicht, weil erstens die Freisetzungen aus der Verbrennung fossiler Energieträger zusätzlichen Kohlenstoff in das System Atmosphäre + Biosphäre + Ozean hineingebracht haben, also eine irreversible Störung darstellen, weil sich auch die Temperatur (und vielleicht auch noch einiges anderes, z. B. Meeresströmungen) verändert hat, und weil der starke CO2-Austausch der Atmosphäre (jährlich etwa ein Viertel des Inventars!) bei den langsam ablaufenden Transienten (unter einem Prozent pro Jahr!) nur einen sehr geringen Abstand von maximal einige ppm zum jetzt gültigen Gleichgewicht zulässt[2]. Die Berechnung ist zwar mathematisch korrekt, sie hat aber keine physikalische Aussagekraft, weil die Physik ein anderes Verhalten vorgibt.
Einen Detailpunkt aus dem Strehl-Vortrag möchte ich noch zur Diskussion stellen: Herr Strehl meint, dass überall dort, wo die Absorption von IR-Strahlung in der Atmosphäre bereits gesättigt ist, eine weitere Erhöhung der Treibhausgaskonzentration nichts mehr verändern würde. Das erscheint auf den ersten Blick auch logisch, mehr als 100 % Absorption geht nicht. Stellen wir uns aber einmal vor, die Erde hätte eine Atmosphäre mit so vielen Treibhausgasen, dass die Absorption in allen relevanten Frequenzbereichen gesättigt ist. Dazu gäbe es dann natürlich auch einen bestimmten Treibhauseffekt, sagen wir T Grad. Nun stellen wir uns vor, dass wir diese Erde + Atmosphäre in kleinem Abstand mit einer zweiten, gleichen Atmosphäre umgeben. Die dürfte dann keine Wirkung mehr haben. Das kann ich mir aber nicht vorstellen. Die vorher von der ersten Atmosphäre nach außen gesandte Strahlung geht nun nicht direkt in den Weltraum, sondern sie muss erst die zweite Atmosphäre durchlaufen. Dabei wird zwangsweise ein Teil der Strahlung absorbiert und dann wieder in alle Richtungen re-emittiert, zum Teil also auch zurück Richtung Erde. Dieser Teil kann nicht wirkungslos sein (Energie verschwindet nicht!). Und was jetzt tatsächlich in den Weltraum geht, dass kommt von weiter oben, also aus einem kälteren Atmosphärenbereich. Also muss zum Ausgleich die Direktabstrahlung von der Erdoberfläche in den Weltraum von einer höheren Temperatur (> T) aus erfolgen, um insgesamt den gleichen Wärmefluss zu erreichen. Und ob eine zweite, gleiche Atmosphäre hinzugefügt wird, oder ob in der Atmosphäre alles verdoppelt wird, das sollte wohl keinen großen Unterschied machen. Also: Auch wenn 100 % Absorption bereits erreicht sind, bewirkt eine weitere Erhöhung der Treibhausgaskonzentration m. E. unvermeidbar eine weitere Erhöhung des Treibhauseffektes. Mit kleinerer Zunahme, aber doch mit Zunahme. Was ist daran falsch?
- In Roth, E., 2022: Das große Klimarätsel: Woher kommt das viele CO2?, BoD-Verlag Norderstedt 2022, ISBN 978-3-7562-2033-5, E-Book 978-3-7562-5347-0, habe ich diesen zweiten Effekt als „Latentwärmeabfuhreffekt“ (LWE) bezeichnet, weil der Beitrag über Verdunstung und latente Wärme mit Abstand größer ist als die Beiträge über Konvektion und Leitung. ↑
- Mehr dazu in E. Roth: „Climate: Man or Nature? A Contribution to the Discussion“, SCC Vol. 3.5 (2023), pp. 521-542; https://doi.org/10.53234/scc202310/40. ↑