Horst D. Deckert

Darf man sich jetzt noch normal verhalten?

Betroffenheit wird wieder zur Tugend (Symbolbild:Shutterstock)

Etwas über tausend Kilometer von uns entfernt steppt der Kriegsbär – aber in Deutschland geht alles seinen gewohnten Gang. Es gibt die üblichen Sondersendungen und dann den heiteren Krimi von der Ostseeinsel. Bei den Privatsendern läuft zwischen den Reportagen aus der Ukraine die gewohnte Werbung für rollende Käsekugeln, Ballerspiele für die Playstation und vegane Wurst aus Erbsen. Karneval ist aus Pietät abgesagt, wobei man bei den Verantwortlichen in NRW auch eine gewisse Erleichterung erkennen kann – Corona-Panikern erschien der Straßenkarneval nämlich ebenso apokalyptisch bedrohlich wie ein dritter Weltkrieg. Unverantwortlich! Köln als Seuchen-Hotspot! Immerhin schwenkten ein paar Jecken und Funkenmariechen heute weiße Fähnchen für den Frieden, denn: „Ein echter Jeck beugt sich keiner Tyrannei!”. Das Konzept ist gar nicht so dumm, Humptata for Peace… zumal es auch gut zum Zustand der Bundeswehr passt, der ist nämlich nur noch mit Galgenhumor zu ertragen. Hat Udo Lindenberg eigentlich schon eine Neuauflage seines Hits „Russen” angekündigt, bei dem die Invasion im Café Kranzler endet?

(Screenshot:Twitter)

Es war gewissen linksintellektuellen Kreisen schon immer schwer zu vermitteln, wie schwer die menschliche Psyche zur Betroffenheit verdonnert werden kann, es dafür aber umso mehr Menschen gibt, für die Humor ein Weg ist, mit Krisen fertig zu werden. Unsere nächsten Verwandten, die Primaten, geben lachähnliche Laute von sich, wenn sie in Angst geraten – und auch beim Menschen liegen die zuständigen Hirnareale nah beieinander. Es ist sicherlich geschmacklos, unter Bilder der Kriegshandlungen alberne Kommentare zu posten – aber die Krise generiert schon jetzt einige Meldungen, die einfach zu absurd sind, um sich nicht darüber zu amüsieren.

Allen voran unser apokalyptischer Reiter Karl Lauterbach. Das Pferd seines persönlichen Weltuntergangs ist deutlich ermattet, seitdem seinem Herrn selbst durch die etablierten Medien die Huld entzogen wird und – wenn auch noch zögerlich und viel zu spät – auf den Tisch kommt, welche Virus-Schummeleien uns Karl & Co. vorgesetzt haben. Und ausgerechnet jetzt greift Putin an – und das, obwohl Herr Lauterbach den Lockdown für Kriegshandlungen noch gar nicht aufgehoben hat! Ersatzweise versuchte sich Lauterbach prompt als Hobbypsychologe aus der Ferne und rückte die Prioritäten zurecht:

(Screenshot:dpa)Diese russische Corona-Wehrkraftzersetzung erschüttert den Minister zutiefst… hat Putin – dieser Größenwahnsinnige! – denn gar keinen Respekt vor der schlimmsten Menschheitsbedrohung aller Zeiten und schickt ignorant seine Angriffswellen, anstatt Coronawellen zu bekämpfen? Hoffentlich tragen die Russen wenigstens FFP2-Masken, um nicht auch noch zur biologischen Kriegsführung überzugehen!

Mir fiel dazu spontan eine alte Folge der britischen Tierarztserie „Der Doktor und das liebe Vieh” ein: Eine ältere Dame sorgte sich um ihre Katze, denn in England machte sich Angst breit, Hitler könnte die Inselnation mit Gaswaffen angreifen. Nun war es schon schwer genug, die Bevölkerung mit Gasmasken zu versorgen, deshalb gab es in den Zeitungen Bauanleitungen für Haustierschutzkisten. Die Dame konnte diese natürlich aufgrund ihrer Gebrechlichkeit unmöglich selbst bauen. Deshalb wollte sie wissen, ob Hitler mit dem Krieg wohl warten könne, bis die britische Regierung ihr eine solche Kiste zur Verfügung gestellt hätte? „Ich fürchte, dass Herr Hitler seine Pläne nicht bis dahin aufschieben wird”, antwortete Dr. Harriot in seiner trockenen Art. „Dann ist er aber wirklich ein Unmensch!”, entgegnete die Dame.

Lauterbachs Empörung erinnert mich an die der älteren Dame. Was ihr die Katze, ist ihm das Virus. Doch leider nimmt die Weltpolitik keine Rücksicht auf den eigenen Interessenmittelpunkt. Wobei ich die Katzenbesitzerin weitaus besser verstehen kann – es würde mich auch nicht wundern, wenn Hitler Katzen tatsächlich gehasst hat. Apropos Hitler: Ist es nicht kurios, dass Putins Begründung, die Ukraine anzugreifen, die gleiche ist, mit der Nancy Faeser die sozialen Netzwerke in Deutschland zerschlagen will – der „Kampf gegen Nazis”?

Keine eindeutige Position

Man kann einfach vieles nicht mehr zweifelsfrei zuordnen. Was ist wahr, was ist falsch? Vielleicht trägt auch das dazu bei, dass viele Deutsche gegenwärtig keine eindeutige Position beziehen wollen. Zwar ist es schnell zum Trend geworden, das eigene Profilbild mit den ukrainischen Farben zu schmücken; aber während bei einigen Nutzern echte Überzeugung dahintersteht, ist es für manche Influencerin nur ein schickes Accessoire, das „man jetzt so hat”, so wie zuvor die Buttons für „Impfsolidarität”. Denn es zeigt sich auch jetzt schon wieder, dass die Medien mogeln, um ihre Berichte dramatischer zu gestalten (was nicht heißen soll, dass ich jetzt in Kiew sitzen möchte). Sogar Ukrainer mahnten bereits an, es würde ihnen gar nichts helfen, gefälschte Videos zu zeigen, wenn es ansonsten an Solidarität mangelt.

Die wird ihnen auch von unserer woken Elite verweigert, welche sich über den „Rassismus“ der Polen ereifert, die nun Flüchtlinge aus dem Nachbarland aufnehmen. Am liebsten würden sie Polen vermutlich dazu verdonnern, für jeden Ukrainer fünf Araber aufzunehmen. Man könnte darauf ebenfalls empört reagieren – aber auch diese Reibereien darüber, wie politisch korrekte Gastfreundschaft auszusehen hat, ist einfach nur noch schräg. Wenn Weiße in Not geraten, patscht man ihnen die Tür vor der Nase zu. Sie sind halt einfach nicht exotisch genug.

Dagegen ist es fast schon rührend, wie Lauterbach seinem Virus treu bleibt, der für ihn zum Lebensinhalt geworden ist – und zum Sprungbrett zu öffentlichem Ruhm und Karriere. Doch die deutsche Öffentlichkeit ist nicht so katastrophentreu und stürzt sich nun mit ernstem Eifer in die nächste – wobei auch hierbei so manchem die Konsequenzen nicht ganz klar zu sein scheinen. Ab 5.45 Uhr wird zurückgebaerbockt – aber wenn Sören-Malte dann ohne Strom im Dunkeln ohne Internet sitzt, wird er in jenem auch nicht mehr seine tadellose Haltung zur Schau stellen können. Das ist dann schon eher tragikomisch. Aber auch daran sind wir in Deutschland mittlerweile gewöhnt.

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