Horst D. Deckert

Das andere «Wort zum Sonntag» oder: Nicht auf halbem Weg stehen bleiben

Manchmal ersparen einem die Blumen am Wegrand den Gang zum Floristen. Eine solche Blume war mir in den vergangenen Tagen dieses erfrischende Votum einer jungen Frau. So mancher mehrseitige Artikel hat sich damit wohl erübrigt. Klar und besonnen beschreibt sie die Anforderungen an ihren Zukünftigen. Darunter will und wird sie nicht mehr gehen.

Er muss bereits seinen Mann gestanden sein in den Streitfragen und Kämpfen der letzten Zeit. Falls nicht, käme er für sie nicht infrage, vor allem aus drei Gründen:

  • Sie könnte ihm dann nicht vertrauen, dass er für sie und die gemeinsamen Kinder die richtigen Entscheidungen trifft.
  • Es würde zeigen, dass er von aussen leicht zu manipulieren ist.
  • Es wäre deutlich geworden, dass er bereit ist, seine Grundsätze aus Bequemlichkeit fallen zu lassen.

Bewährung ist das Stichwort; Grösse und Haltung zeigen, wenn’s drauf ankommt bzw. als es drauf angekommen war. Denn das gibt Perspektive, gerade im Miteinander. Vertrauen entsteht nicht durch reine Absichtserklärungen; eine Basis dafür muss bereits ersichtlich sein. – Recht hat sie, die unbekannte Frau.

An diese Grundlage erinnert der Schreiber vom Hebräerbrief seine Gemeinde. Sie lebte zu der Zeit aller Wahrscheinlichkeit nach noch in Jerusalem. Die Zeit anfänglicher Verfolgung war vorüber. Die Gläubigen hatten sich darin bewährt:

«Erinnert euch aber an die früheren Tage, in denen ihr, nachdem ihr erleuchtet wurdet, viel Kampf erduldet habt, der mit Leiden verbunden war, da ihr teils selbst Schmähungen und Bedrängnissen öffentlich preisgegeben wart, teils mit denen Gemeinschaft hattet, die so behandelt wurden.

Denn ihr hattet Mitleid mit mir in meinen Ketten bewiesen und den Raub eurer Güter mit Freuden hingenommen, weil ihr in euch selbst gewiss seid, dass ihr ein besseres und bleibendes Gut in den Himmeln besitzt.»

Hebräerbrief 10,32-34

Sie hatten Geduld und Beharrlichkeit bewiesen und waren im Leiden treu geblieben, auch wenn sie öffentlich verleumdet wurden. Der Gedanke einer «Kontaktschuld» war ihnen fremd. Sie waren vielmehr aktiv auf Ausgestossene zugegangen, einschliesslich derer im Gefängnis. Ja, sogar tiefste Ungerechtigkeit hatten sie ertragen gelernt um des höheren Zieles willen.

Alles da an Grundlage. Es wäre also zu erwarten, dass sie – wie oben beschrieben – auch zukünftig die richtigen Entscheidungen treffen und sich nicht irre machen lassen, sondern weiterhin treu zu ihren Überzeugungen stehen. Doch das ist alles andere als selbstverständlich:

«So werft nun eure Zuversicht nicht weg, die eine große Belohnung hat! Denn standhaftes Ausharren tut euch not, damit ihr, nachdem ihr den Willen Gottes getan habt, die Verheißung erlangt.»Hebräerbrief 10,35f

Die bisherige Zeit des Durchhaltens hat sie eben auch erschöpft, und ein müder Krieger ist ein leichtes Opfer. Umso mehr geht es jetzt darum, dranzubleiben in «standhaftem Ausharren», wörtlich: in der Haltung des Darunterbleibens. Das Feindfeuer hat ja nicht nachgelassen; es hat nur die Richtung geändert. WHO, «Klima», Inflation …. – «Werft eure Zuversicht nicht weg, die eine grosse Belohnung hat!»

Für erwähnte junge Frau heisst das, ihre Ansprüche keinesfalls aufgeben. Für die Gemeinde hiess und heisst das, ihren exterritorialen Stand im Glauben an Den Überwinder nicht preisgeben. Für einen selber heisst das, seine bewährten Überzeugungen und das gewachsene Neue nicht erschlaffen lassen; besser noch: sich einklinken in die damalige Gemeinde und in jene Zuversicht, die sie sich neu hat zusprechen lassen:

«Denn noch eine kleine, ganz kleine Weile, dann wird der kommen, der kommen soll, und wird nicht auf sich warten lassen. ‹Der Gerechte aber wird aus Glauben leben›; doch: ‹Wenn er zurückweicht, so wird meine Seele kein Wohlgefallen an ihm haben›.

Wir aber gehören nicht zu denen, die zurückweichen zum Verderben, sondern zu denen, die glauben zur Errettung der Seele.» Hebräerbrief 10,37-39

Was dannzumal der «Errettung der Seele» dient, ist heutzutage zunächst ein Beitrag zur eigenen Glaubwürdigkeit, der auch andere ermutigt. Es lohnt sich also.

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Wort zum Sonntag vom 7. Mai 2023: Wenn Wissen auf Freimut trifft

Lothar Mack war als Gemeindepfarrer und bei verschiedenen Hilfswerken und Redaktionen tätig. Sein kritischer Blick auf Kirche und Zeitgeschehen hat ihn in die Selbständigkeit geführt. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft in Gottesdiensten und an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf.

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