Horst D. Deckert

Ignorierte Gefahr: Experte warnt vor Brückeneinstürzen “im laufenden Betrieb”

Während die Carolabrücke weiter in Trümmern liegt, warnt der Dresdener Brücken-Experte Steffen Marx davor, dass in Deutschland weitere Brücken einstürzen könnten, wenn die Wartung der Bauwerke nicht verbessert würde. Findet in der Politik kein Umdenken statt, droht ein Schreckensszenario: Dann „werden wir noch mehr Einstürze im laufenden Betrieb haben“.

„Wir gehen mit unseren Brücken ähnlich wie die Amerikaner um: Wir bauen sie, und dann vergessen wir sie“, sagte Marx gegenüber dem “Tagesspiegel“. Kontrolliert würde regelmäßig, aber kaum repariert. So kämen immer mehr Brücken in einen schlechten Zustand – und irgendwann hält eine, die für die Prüfer gerade noch als „ausreichend“ durchging, den Belastungen nicht mehr stand und es kommt zum Einsturz. Für Marx ist das nur eine Frage der Zeit.

Der Bauingenieur-Professor befürchtet ein Worst-Case-Szenario: „Wenn wir unseren Unterhalt der Brücken nicht ändern, werden wir noch mehr Einstürze im laufenden Betrieb haben.“

Er kritisierte des Weiteren, dass in Deutschland Sanierung bisher „abreißen und neu bauen“ bedeuten würde – das wäre das Teuerste, was man machen kann. „Wir kombinieren das Unsicherste mit dem Kostspieligsten“, rügte Marx und fordert ein Umdenken: Früher eingreifen und mit relativ wenig Aufwand sanieren und Brücken so wieder in die beste Zustandskategorie bringen. „Dann kriege ich wieder einige Jahrzehnte sichere Betriebszeit, bis sich der Zustand wieder verschlechtert. Es würde weniger kosten und es wäre sicherer“, so Marx.

Der Brücken-Experte befürchtet, dass ohne einen grundlegenden Strategiewechsel das Sondervermögen von 500 Milliarden Euro zwar für Infrastrukturinvestitionen verwendet wird, sich der Zustand der Infrastruktur jedoch nicht nachhaltig verbessern wird. Das erscheint durchaus naheliegend – immer wieder gibt die Politik Massen von Steuergeldern frei, die dann weitgehend nutzlos versickern. Das, was für Land und Bevölkerung essenziell wäre, scheint ohnehin keine Priorität zu haben.

Steffen Marx gilt als einer der führenden Brücken-Experten Deutschlands. Er hat auch das Gutachten zum Einsturz der Carolabrücke geschrieben. Die Dresdener Brücke war im September vergangenen Jahres teilweise eingestürzt. Als Grund für das Unglück wurde eine sogenannte wasserstoffinduzierte Spannungsrisskorrosion ermittelt. Diese führte in Verbindung mit der Materialermüdung durch die Verkehrsbelastung zu einem Versagen zahlreicher Spannglieder.

Dass die Carolabrücke sanierungsbedürftig war, war bereits lange vor ihrem Einsturz bekannt – die Verantwortlichen haben nicht reagiert. Besonders im Fokus der Kritik stand der Dresdener Baubürgermeister, der in Blumenkübel und neue Radwege investierte, anstatt die Brücke zu reparieren und so für Sicherheit zu sorgen. Empörte Bürger stellten die Frage, was ein grüner Soziologe ohne jegliche Qualifikation in ausgerechnet diesem Amt verloren habe (Report24 berichtete). Der Einsturz der Carolabrücke hat keine Opfer gefordert, wohl vor allem, da dieser zu einer Zeit stattfand, in der kaum Verkehr herrschte. Das könnte beim nächsten Mal ganz anders ausgehen, denn marode Brücken gibt es im besten Deutschland, in dem nicht in das Eigene investiert wird, genug. Mitte März musste die A100-Brücke in Berlin gesperrt werden, da sie einzustürzen drohte.

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