Horst D. Deckert

Das WEF spannt die kanadische Regierung für seine transhumanistischen Pläne ein

«Eines der wesentlichen Merkmale der vierten industriellen Revolution besteht nicht darin, dass sie die Art verändert, wie wir arbeiten. Diesmal sind wir es, die verändert werden», sagt Klaus Schwab. Der Gründer des Weltwirtschaftsforums (WEF) spricht in diesem Zusammenhang auch von einer «Verschmelzung unserer physischen, digitalen und biologischen Identität».

Wie diese Verschmelzung künftig aussehen könnte, zeigt eine kanadische Konzeptstudie, die im vergangenen Jahr von Policy Horizons veröffentlicht wurde. Das Regierungsinstitut zur Politikberatung ist dem kanadischen Arbeitsministerium untergeordnet und eng mit dem WEF verbandelt. Zu den Teammitgliedern des Projekts gehört unter anderem die Direktorin von Horizons Canada, Kristel Van der Elst.

Sie ist die frühere Chefin vom Strategic Foresight des WEFs – eine Art Denkfabrik des Forums, die sich nach eigenen Angaben mit Zukunftsszenarien befasst und diese entsprechend auch beeinflussen will. Zudem ist Van der Elst Absolventin des Elite-Ausbildungsprogramms Global Leadership Fellow des Forums. Neben der kanadischen Regierung berät sie auch die US-Regierung, die EU-Kommission und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Wer die Konzeptstudie «Exploring Biodigital Convergence» (Erkundung biodigitaler Konvergenz) liest, weiss, wohin der Weg in den Augen des WEFs gehen soll. Im Folgenden ein paar Ausschnitte:

«Roboter mit biologischen Gehirnen und biologische Körper mit digitalen Gehirnen gibt es schon, ebenso wie Mensch-Computer- und Gehirn-Maschine-Schnittstellen. … Neue menschliche Körper und ein neuer Begriff von Identität könnten im Zuge des Fortschreitens der Konvergenz entstehen. … Indem wir die Mechanismen, die der Biologie zugrunde liegen, besser zu verstehen und zu kontrollieren lernen, könnten wir eine Abwendung vom Vitalismus beobachten, von der Idee, dass lebende und künstliche Organismen etwas fundamental Verschiedenes sind.»

Anstelle des Menschen rückt der Cyborg in den Vordergrund. Wie der Alltag dieser halb Mensch-, halb Maschinenkreatur von morgen aussehen soll, verdeutlicht ein fiktiver Tagebucheintrag:

«Ich sende eine Gehirnnachricht, um die App zu öffnen, die meinen Insulinspiegel kontrolliert und dafür sorgt, dass meine Bauchspeicheldrüse optimal unterstützt wird. Ein Mikroben-Transplantat passt sich automatisch an und berichtet über meine Werte. Alles sieht in Ordnung aus, also prüfe ich die digitale Schnittstelle meines Gehirns, um die Traumdaten zu lesen, die letzte Nacht in Echtzeit aufgezeichnet und verarbeitet wurden. Meine Therapie-App analysiert die emotionalen Reaktionen während meines Schlafs. Die Zusammenfassung der Überwachungsaufnahmen meines Bugbots zeigt, dass meine Wohnung letzte Nacht vor Eindringlingen (einschliesslich anderer Bugbots) sicher war. Während ich mir die Zähne putze, fragt Jamie, meine persönliche KI, ob ich möchte, dass eine Lieferdrohne den Milchzahn meiner Tochter abholt, der vor zwei Tagen ausgefallen ist. Die epigenetischen Marker in den Zähnen der Kinder müssen analysiert und in unserer familiengenetischen Blockchain katalogisiert werden, um sich für den Rabatt der Krankenversicherung zu qualifizieren, also muss das heute noch erledigt werden. Ich ersetze den smarten Aufkleber, der meine Blutchemie, mein Lymphsystem und meine Organfunktionen in Echtzeit überwacht. Ich gebe zu, dass es sich eklig anhört, aber es ist eine gute Sache, dass die Gemeinde unsere Fäkalien aus den Abwasserrohren untersucht. Die heutige Aufschlüsselung des Mikrobioms wird an der Vorderseite meines Kühlschranks angezeigt, wenn ich die Küche betrete. Heute schlägt sie Miso-Suppe als Teil meines Frühstücks vor, weil mein Biom mehr Vielfalt braucht, als Folge des Stresses der letzten Tage und der schlechten Ernährung am letzten Abend. Ich nehme meine intelligente Nahrungsmittelergänzungen ein, die gerade aus meinem Bioprinter kommen. Die Rückkopplungsschleife zwischen mir und meinem Bioprinter speichert auch die täglichen Daten für zukünftige präventive Gesundheitsmetriken in der Cloud.»

Aufgeführt wird weiter, wie Körper, Geist und Verhalten der Menschen künftig geändert werden könnten:

  • «Veränderung des menschlichen Genoms – unserer wichtigsten biologischen Attribute und Charakteristika», ermöglicht durch «Fortschritte in der Gensequenzierung und -veränderung (CRISPR-Cas9) und maschinelles Lernen, das Wissenschaftlern hilft zu bestimmen, welche Gene jeweils zu verändern sind».
  • «Beobachtung, Manipulation und Änderung menschlicher Gedanken und Verhaltensweisen», ermöglicht durch «Neurotechnologie, die Gehirnsignale ausliest und digitale Apps, die helfen, die geistige Gesundheit zu verbessern».

In den Augen von Policy Horizons ist das sogar «demokratisierend». Interessant ist allerdings das Demokratieverständnis des Regierungsinstituts. Dieses besteht darin, dass Biohacker beispielsweise genetische Veränderungen künftig günstig von zu Hause durchführen könnten. Mit einem sogenannten «Genetic Design Starter Kit» könnten «Anfänger bequem vom Küchentisch aus ein Gen in eine Qualle einfügen», um sie «zum Leuchten zu bringen», heisst es in der Konzeptstudie. Sinkende Kosten für die Genomsequenzierung seien ein weiteres Beispiel dafür, dass Biotechnologie immer breiter verfügbar wird.

Als Vorbehalt gegenüber dieser transhumanistischen Vision wird einzig «die Leichtigkeit» genannt, «mit der viele Parteien persönliche Daten extrahieren und benutzen können, die mit dem Genom, Biom, Gesundheitsmarkern und dem Kontext der Individuen zu tun haben». Dadurch entstünden neue Anforderungen hinsichtlich Regulierungen.

Der deutsche Wirtschaftsjournalist Norbert Häring, der unlängst über die Konzeptstudie berichtete, kam zum Fazit:

«Die Broschüre enthält eine beispielhafte Erzählung aus der erdachten biodigitalen Zukunft des Menschen, die das Institut als ‹optimistisch› bezeichnnet. Nur wer die ‹Schöne neue Welt› von Aldous Huxley als optimistisches Szenario begreift, wird dem zustimmen.»

Interessant in diesem Zusammenhang: Auch in Deutschland wird in offiziellen Dokumenten der Behörden der Bürger von heute künftig bloss noch als ein Datenlieferant angesehen, dessen Verhalten dank künstlicher Intelligenz permanent überwacht werden kann. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zeichnete bereits 2017 eine sogenannte «Post-voting society». In ihrer «Smart City Charta» schrieb das Ministerium über die «Wähler» von morgen:

«Da wir genau wissen, was Leute tun und möchten, gibt es weniger Bedarf an Wahlen, Mehrheitsfindungen oder Abstimmungen. Verhaltensbezogene Daten können Demokratie als das gesellschaftliche Feedbacksystem ersetzen.»

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Policy Horizons und das WEF

Ein weiteres Mitglied von Policy Horizons ist Nicholas Davis. Er war bis 2019 Mitglied des Vorstands (Executive Committee) des WEFs und Chef von deren Abteilung für Gesellschaft und Innovation. Zusammen mit Klaus Schwab hat Davis 2018 das Buch «Gestaltung der Zukunft der vierten industriellen Revolution: Ein Leitfaden zum Aufbau einer besseren Welt» veröffentlicht.

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