Horst D. Deckert

Dein Auto – Das unbekannte Wesen

von Hans Hofmann-Reinecke

Das gute braune Pferd

Wir glauben, unsere Lebensgefährten genau zu kennen, und doch überraschen sie uns immer wieder: die zweibeinigen, die vierbeinigen, sogar die vierrädrigen. Ich aber werde Ihnen jetzt all das verraten, was Sie schon immer über Ihr Auto wissen wollten, sich aber nie getraut haben zu fragen.

Haben Sie Ihren Wagen schon einmal anschieben müssen? Ich hoffe, das war nicht auf Rasen oder im Sand. Aber auch auf glattem, hartem Grund muss man da allerhand Kraft aufbringen, sagen wir mal 200 Newton. (Zum Vergleich: ein Kasten Bier wiegt 200 Newton, egal auf welchem Untergrund er steht). Allein das Aufbringen dieser Kraft löst aber das Problem noch nicht. Sie müssen den Wagen jetzt voranschieben, sagen wir mal mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde. Das ist zwar nur langsames Fußgänger-Tempo, aber wenn wir ein Auto vor uns haben, dann ist das durchaus anstrengend. Sie müssen also eine Leistung vollbringen.

Leistung = Kraft x Geschwindigkeit = 200 Newton x 1 m/sec = 200 Watt

So viel kann nur ein Sportler auf die Dauer leisten, wir Schreibtischmenschen machen da bald schlapp. Dem guten braunen Pferd wird übrigens unterstellt, es könne auf die Dauer sogar 735 Watt = 0,735 Kilowatt aufbringen. Zu seinen Ehren hat man diese Leistung dann auch eine Pferdestärke = 1 PS genannt.

Das ist aber wenig

In unserem Auto brauchen wir weder ein Pferd noch müssen wir anschieben, wir haben ja einen Motor an Bord. Mit dessen Hilfe wollen wir besagten Rollwiderstand von 200 Newton überwinden und, sagen wir mal 100 km/h = 28 m/sec schnell fahren. Welche Leistung muss der Motor jetzt bringen?

Leistung = Kraft x Geschwindigkeit = 200 Newton x 28 m/sec = 5600 Watt = 5,6 kW = 7,6 PS

Das kann ja wohl nicht stimmen! So wenig? Nun, wir müssen auch noch den Luftwiderstand berücksichtigen, der beim Anschieben keine Rolle gespielt hatte. Der hängt von Form und Abmessungen unseres Autos ab, und er wächst mit dem Quadrat der Geschwindigkeit, d.h. doppelt so schnell, und der Luftwiderstand ist viermal so groß. Bei unserem Kandidaten der Golfklasse sollten das bei 100 km/h so um die 300 Newton sein.

Zu dessen Überwindung brauchen wird dann also zusätzlich

300 N x 28 m/sec = 8400 W = 8,4 kW = 11,4 PS

Das macht dann insgesamt für Rollwiderstand plus Luftwiderstand:

5,6 kW + 8,4 kW = 14 kW = 19 PS

Diese Leistung muss der Motor bringen, damit wir mit 100 km/h dahinrollen. Das ist aber immer noch sehr wenig! Wozu hat das Auto dann diese 100 kW, die im Handbuch stehen, und für die wir Kfz Steuer bezahlen müssen ?

Die werden wir nur selten ausreizen. Gut, auch Sie wollen mal auch auf der linken Spur ein Wörtchen mitreden, sagen wir mit 200 km/h = 56 m/sec. Da ist der Luftwiderstand dann viermal so groß als bei 100 km/h, also 300 N x 4 = 1200 N, plus Rollwiderstand von 200 N ergibt das 1400 N. Dann ist die notwendige Leistung:

1400 N x 56 m/sec = 78.000 W = 78 kW = 106 PS.

Das sind zwar immer erst 78% der Nennleistung, aber Sie brauchen ja ein paar Kilowatt in Reserve, um überhaupt auf diese Geschwindigkeit beschleunigen zu können.

Nichts geht verloren

Gilt all das nun für Benzin- oder für Elektromotoren? Danke für Ihre Frage.

Es sind die Anforderungen, welche die Physik an ein rollendes Fahrzeug stellt, egal wie es angetrieben wird. Bei 200 km/h muss der Motor 78 kW auf die Räder bringen, egal ober er mit Benzin, Diesel, Kohle oder Strom funktioniert.

Der Motor ist die Vorrichtung, die eine Energiequelle anzapft und daraus den gewünschten Antrieb erzeugt. Anders ausgedrückt: der Motor wandelt eine verfügbare Energieform in eine andere, gewünschte Form um. Bei dieser Verwandlung geht fast immer etwas „verloren“. Es geht allerdings nichts wirklich „verloren“, wir bekommen nur nicht 100% der eingefütterten Energie in der gewünschten Form heraus. Energie kann weder verloren gehen, noch kann sie erzeugt werden. Der Anteil der gewünschten Umwandlung wird als „Wirkungsgrad“ der Maschine bezeichnet.

Das vegetarische Auto

Das Maß für Energie ist die Leistung, die über einen Zeitraum erbracht wird. Wenn wir mit unserem Auto eine Stunde lang mit 200 km/h unterwegs waren, dann hat der Antrieb eine Stunde lang die notwendigen 78 Kilowatt geleistet, das entspricht einer Energie von:

Energie = Leistung (kW) x Zeit (h) = 78 kW x 1 h = 78 Kilowattstunden (kWh)

Woher kam diese mechanische Energie?

Beim Verbrennungsmotor wird die verfügbare chemische Energie des Gemischs aus Sauerstoff mit Benzin oder Dieselöl in Hitze verwandelt. Diese Energieform wird dann ihrerseits in mechanische Energie verwandelt, konkret in Drehzahl und Drehmoment. Die erste Verwandlung geht dabei ohne größere Verluste vor sich, die zweite aber ist alles andere als vollkommen.

Pro verbranntem Liter Benzin entstehen 8,5 kWh Wärmeenergie. Deren Umwandlung in mechanische Energie gelingt aber nur zu etwa 30%.

8,5 kWh x 30% = 2,6 kWh.

Damit können wir jetzt unsere Liter auf 100 km berechnen:

Bei 100km/h: 14 kWh / 2.6 kWh = 5,4 Liter

Bei 200 km/h: 39 kWh / 2,6 kWh = 15 Liter

Wie sieht das in Zahlen aus?

Benzin hat einen Heizwert von ungefähr 8,5 kWh pro Liter. Bei Diesel liegt der Heizwert etwa bei 9,8 kWh pro Liter. Ein Golf braucht auf 100 Kilometer 7,3 Liter Benzin oder 5,6 Liter Diesel. Ein eGolf mit vergleichbarer Leistung benötigt für 100 Kilometer 16,6 Kilowattstunden (Quelle: Spritmonitor).

  • Energieaufwand Golf Diesel für 100 km: 5,6 * 9,8 kWh = 54,88 kWh
  • Energieaufwand Golf Benziner für 100 km: 7,3 * 8,5 = 62,05 kWh
  • Energieaufwand Golf Elektro für 100 km: 16,6 kWh

Der Elektroantrieb ist also viel Energieeffizienter als der Verbrenner.

Zahlenbeispiel: VW Golf

Als Zahlenbeispiel betrachte man einen VW Golf VII mit einer Stirnfläche von 2,19 m2 und einem cW-Wert von 0,27. Abbildung 1 zeigt die Luftwiderstandskraft als Funktion der Geschwindigkeit.

Abbildung 1: Luftwiderstandskraft und nötige Antriebsleistung bei einem VW Golf in Abhängigkeit von der Fahrgeschwindigkeit. Man beachte, dass zusätzliche Energieverluste z. B. durch den Rollwiderstand (rund 150 N) nicht berücksichtigt sind.Auch beste Technik wird es kaum möglich machen, bei hohen Geschwindigkeiten sehr sparsam zu fahren.

Bei 100 km/h ergibt sich eine Kraft von 274 N (Newton). Multipliziert mit der Fahrgeschwindigkeit von 100 km/h = 27,8 m/s ergibt dies eine Antriebsleistung von 7,6 kW. Der Verbrauch an Antriebsenergie (nur für die Überwindung des Luftwiderstands) beträgt dann 7,6 kWh pro 100 km. Wenn das Antriebssystem (Motor, Getriebe usw.) diese Antriebsenergie mit einem Wirkungsgrad von 25 % (grob geschätzt) erbringt, braucht man auf 100 km Primärenergie im Umfang von 30,4 kWh, was ca. 3,6 Liter Benzin entspricht. Bei 150 km/h wären es bereits 8,1 l. Man erkennt, dass ein Kraftstoffverbrauch von wenigen Litern auf 100 Kilometer bei 100 km/h mit einem effizienten Antrieb technisch problemlos erreichbar ist, bei schnellem Autobahntempo jedoch praktisch unmöglich wird.

Optimierung der cW-Werte von Autos

In der 1950er Jahren waren cW-Werte in der Gegend von 0,5 normal. Damals war die Form der Karosserie bei den meisten Autos nicht auf einen niedrigen Luftwiderstand hin optimiert, sondern eher durch modische, praktische oder auch herstellungstechnische Aspekte bestimmt. Inzwischen liegen die cW-Werte der meisten Neufahrzeuge in der Gegend von 0,25 bis 0,35. Die erkennbar sehr wesentliche Verbesserung wurde durch eine Vielzahl von Maßnahmen erreicht, insbesondere durch eine insgesamt „windschlüpfigere“ Form der Karosserie, aber auch durch sorgfältig optimierte Bauteile wie Heckdiffusoren, einen relativ glatt verkleideten Unterboden und optimierte Anbauten (z. B. Rückspiegel).

Weitere Verbesserungen wären durchaus möglich, würden häufig aber in Konflikt mit anderen Zielen der Gestaltung geraten. Beispielsweise kann die Rundumsicht durch weniger hohe und recht flach montierte Scheiben beeinträchtigt werden, und die Kühlung des Motors wird reduziert, wenn der Luftstrom durch den Motorraum reduziert wird. (Der letztere Faktor ist natürlich bei besonders leistungsfähigen und ineffizienten Motoren wichtiger.) Wegen solcher Kompromisse ist nicht damit zu rechnen, dass die cW-Werte von Autos zukünftig deutlich unterhalb von 0,25 liegen werden. Dies bedeutet, dass eine weitere Reduktion der Energieverluste durch den Luftwiderstand nur noch mit zwei Maßnahmen möglich ist: mit einer Verringerung der Querschnittsfläche und vor allem mit einer Reduktion der Fahrgeschwindigkeiten (besonders auf Autobahnen).

Dieser Artikel erschien zuerst im Blog des Autors Think-Again. Sein Bestseller „Grün und Dumm“ ist bei Amazon erhältlich.

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