Horst D. Deckert

Der Gasalarm – Warum hält die Regierung daran fest?

Die immer wieder gestellte Frage, ob die Energiepolitik unserer Regierung auf Dilettantismus, Ratlosigkeit und Aktionismus beruht oder ob ein raffiniert ausgeklügelter großer Plan dahinter steht, lässt sich nicht eindeutig beantworten. In jedem Fall spielen Ideologie, Lobbyismus, Geld und Macht eine große Rolle.

Von Frank Hennig

Am 23. Juni 2022 gab es den Gasalarm. Grund waren die Befürchtungen vor einer drohenden Gasmangellage. Die Gefahr ist zunächst gebannt. Den Alarm gibt es weiter.

Unter großer medialer Beachtung wurde im vergangenen Sommer der Gasalarm ausgerufen. Nicht der ganz große, der Notfall, sondern die im „Notfallplan Gas für die Bundesrepublik Deutschland“ (basierend auf der Verordnung (EU) 2017/1938 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2017 über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 994/2010) festgelegte Stufe b:

„b) Alarmstufe: Es liegt eine Störung der Gasversorgung oder eine außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Gas vor, die zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage führt, der Markt ist aber noch in der Lage, diese Störung oder Nachfrage zu bewältigen, ohne dass nicht marktbasierte Maßnahmen ergriffen werden müssen.“

Damals waren die Speicher nur zu 58 Prozent gefüllt, wann LNG-Terminals fertig sein würden und ob dann Tanker anlegen würden, wusste zu dieser Zeit niemand. Auch nicht, ob das Sparverhalten der Bevölkerung den Forderungen entspricht und ob die Industrie voll weiter produziert oder eher runterfährt. Auch das Wetter im jetzigen Winter war unbekannt, trotz behaupteter Erderhitzung hielt man Frost für möglich. Der Weihnachtswünsche des Klimaministers Habeck gab es eigentlich nur zwei: eine sparsame Bevölkerung und mildes Wetter.

Damals und heute

Beides ist nun, mehr oder weniger, eingetreten. Und natürlich war die Regierung nicht untätig. Viele Flugmeilen der Regierungsstaffel führten nach Katar, Kanada und Namibia, um nur einige Stationen zu nennen. Dort gab es den Kotau vor den Repräsentanten möglicher künftiger Lieferländer für verflüssigtes Erdgas (LNG) und noch künftigerer Lieferungen von grünem Wasserstoff.

Die Erkenntnis nebenbei ist, dass die Frackingtechnologie im Ausland vertretbar und akzeptabel ist, in Deutschland aber nicht. Ebenso spielte die Tatsache keine Rolle, dass die Emissionen des LNG insgesamt das Niveau der deutschen Kohle erreichen. Das weiß sogar ein Grüner wie der klimavorreitende ehemalige Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Fell.

Weiterhin gab es ein Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz (EKBG), es wurden Kraftwerke aus der Sicherheitsbereitschaft (Braunkohle) und solche, die bereits den Zuschlag zur Stilllegung bekommen hatten (Steinkohle), wieder aktiviert. Nie gekannte Strompreise am Markt machten den Aufwand der Unternehmen zur Reaktivierung lässig wett.

Eine dreieinhalbmonatige Laufzeitverlängerung der letzten drei verbliebenen Kernkraftwerke (KKW) blieb einem Machtwörtchen des Kanzlers vorbehalten. Dieses war sorgsam mit der grünen Führung austariert hinsichtlich der Frage, was man der grasfarbenen Basis und den Altkommunisten unter den Funktionären zumuten kann.

Die Verstaatlichung des Gaskonzerns Uniper ist vollzogen (in Finnland knallten die Champagnerkorken), er wird jetzt mit Steuergeld zwangsbeatmet ob seiner immensen Verluste, liefert aber weiter Gas.

Die Industrie fuhr aus wirtschaftlichen Gründen die Produktion teilweise zurück, die Bevölkerung sparte heftig, weniger aus Folgsamkeit, sondern durch den immensen Preisdruck. Die Drohung der Gasumlage drehte sich über Nacht um 180 Grad zur Gaspreisbremse. Dann kam ein milder Herbst und von Weihnachten bis mindestens Mitte Januar mildes und windiges Wetter.

Die Gasspeicher sind nun immer noch zu über 90 Prozent gefüllt, zwei LNG-Terminals sind in Betrieb und vor Westeuropa stauen sich die LNG-Tanker. Der Gaspreis hat fast das Vorkriegsniveau wieder erreicht. Es gibt derzeit keinen Mangel an Gas, die Versorgungslage ist nicht gestört, sondern entgegen den Erwartungen außerordentlich entspannt.

Die nicht gestellte Frage

Den Gasalarm gibt es immer noch. Warum? Und warum stellt niemand diese Frage? Weder die anderen Ampelparteien noch die Opposition haken nach. Die Medien auch nicht, obwohl sie doch die kritische Begleitung sein sollen. Hier wird deutlich, warum es bei uns kein „Miniwahr“ zu geben braucht. Wir erinnern uns an das „Ministerium für Wahrheit“ aus Orwells „1984“, in dem Geschichte umgeschrieben wurde, damit sie zur Gegenwart passt. Die ach so investigativen Journalisten der „Qualitätsmedien“ vergessen einfach die Geschichte, selbst die von vor einem halben Jahr und fragen nicht nach. Es könnte die Bevölkerung verunsichern. Es könnte die Regierung verunsichern. Noch schlimmer: Es könnte das Vertrauensverhältnis der Medien zur Regierung verunsichern.

Das Festhalten am Gasalarm könnte symptomatisch sein für eine überforderte Bundesregierung, die ihre eigenen und die EU-Spielregeln nicht mehr überblickt. Es könnte auch Absicht sein, denn wem nutzt es?

Der Paragraf 31k des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) enthält eine Klausel, die im Falle dieser ausgerufenen Notfallstufe festgelegte Einschränkungen des Betriebs von Windkraftanlagen aufhebt. So kann die Abschaltung zu Nachtzeiten oder zur Vermeidung von Schattenwurf entfallen. Mit Aufheben der Alarmstufe würde der Normalbetrieb nach Genehmigungsbescheid wieder einsetzen, Produktion und Gewinn würden wieder sinken. Da die energiepolitischen Entscheidungen der vergangenen Jahre immer im Sinne der Erneuerbaren-Branche erfolgten, würde dies das Festhalten am Gasalarm zwecks Gewinnsteigerung der Windkraftbetreiber erklären.

Idealerweise Krieg

An anderer Stelle sind die Grünen deutlich flexibler. Auch wenn eine Kohlekommission über zwei Jahre tagte und sie ein Ausstiegsgesetz mit Zieltermin 2038 beschlossen, hat das nicht viel zu bedeuten. Keine drei Jahre nach dem Beschluss wird kräftig dagegen angearbeitet. Die Klausel im Koalitionsvertrag, wonach ein Kohleausstieg „idealerweise“ auf 2030 vorgezogen werden kann, wird nun mit Verve verfolgt.

Fassen wir die gerade herrschenden Bedingungen zusammen: Es gibt eine Gasmangellage, jedenfalls den Alarm, es ist Krieg in Europa – das größte Land hat das zweitgrößte überfallen –, wir haben eine latente Strommangellage, erkennbar an noch nie gesehenen Börsenpreisen, es herrscht Inflation und der Atomausstieg geht weiter. Der im Kohleausstiegsgesetz vorgeschriebene Zwischenbericht zum Stand des Kohleausstiegs ist überfällig, man hat entweder keinen Überblick oder will die Rückschritte beim Kohleausstieg nicht eingestehen. Aus grüner Sicht sind die Bedingungen aber so „ideal“, dass man den Kohleausstieg nun auf 2030 vorziehen könne.

Wenn dann schon ein Kompromiss entsteht, wie im Fall Lützerath, wird auch das instrumentalisiert. NRW-Umweltminister Krischer fordert im Deutschlandfunk die gewaltaffine Basis zum Marsch in die Lausitz auf, um dort den Braunkohleausstieg „vorzuziehen“. Was kümmert mich mein Gesetz von gestern?

Auch hier gibt es kaum Echo. Die drei Ministerpräsidenten der Ost-Kohleländer und einige Landräte wiesen das Vorziehen des Termins zurück. Von ihren Parteien, den Gewerkschaften und Medien gibt es nichts als dröhnendes Schweigen zu der offen versuchten Aushebelung eines lange beratenen Gesetzes. Wie in NRW soll die Kohle eher raus, ohne das dazugehörige Strukturstärkungsgesetz, das den Ausstieg wirtschaftlich und sozial begleitet, zu ändern. Das Land wird nicht bedroht von den Grünen, sondern von jenen, die ihre Politik zulassen.

Die Folgerung aus der bigotten grünen Politik kann nur lauten, ihren Zusagen und selbst Unterschriften nicht zu trauen. Kompromisse mit ihnen sind wertlos. Sie maßen sich an, „fürs Klima“ alle anderen Regelungen über den Haufen werfen zu können und sich wie ihr militantes Fußvolk nicht an bestehende Gesetze und Regelungen halten zu müssen. „Dem Klima“ helfen Gasalarm und LNG wie auch die Grünen nicht – im Gegenteil.

Der Beitrag erschien zuerst bei TE hier

 

 

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