Von unserem Ungarn-Korrespondenten ELMAR FORSTER
„Wenn man das Chaos in Ruhe lässt, neigt es dazu, sich zu vermehren.“
(Stephen Hawking)
Spätestens seit der naiven Open-Border-Welcome-Crisis-2015 realisiert sich nun das, wovor jeder vernünftige Geist gewarnt hatte: Mit dem unvorhersehbaren Ausbruch der Hamas-Terrors, dem Gegenschlag Israels kommt es in den westlichen Multi-Kulti-Staaten zu einem globalen Erwachen islamistischer Schläfer-Terror-Zellen…
Und ab nun tritt die Chaostheorie in ihre finale Phase: Welche die naiven Willkommensklatscher freilich nicht wahrhaben wollten – in ihrem dümmlichen Glauben auf Beherrschung des islamisitsich fundierten Multikultilateralismus.
Somit aber hatte, in den letzten acht Jahren seit 2015, jede auch noch so kleine Änderung der Anfangswerte zu einem ganz anderen, als der gewünscht-geplanten Multi-Kulti-Traumwelt geführt. Was aber nur oberflächlich als vollkommen unregelmäßig erscheint: Islamistische Messerstechereien, Multikulti-Vergewaltigungen, Terrorattacken, arabische Unruhen in öffentlichen Bädern…
Zu einer völligen Eskalation kommt es nun aber durch das Unvorhersehbare: Denn um das Systemverhalten voraussagbar berechnen zu können, müssten alle Bedingungen mit unendlich genauer Präzision bekannt sein – ein praktisch unmögliches Unterfangen.
„Die Zivilisation ist wie eine dünne Eisschicht auf einem tiefen Ozean aus Chaos und Dunkelheit.“ (Werner Herzog)
Dieses „Schmetterlingseffekt“-Phänomen verschafft sich Macht: Wonach selbst der schwache Flügelschlag eines sehr weit entfernten Schmetterlings auf lange Sicht zu einem anderen Ablauf des großräumigen Wettergeschehens führen kann.
Das Unvorhersehbare hat nun einen historischen Namen: Hamas-Terror.
„Ich interessiere mich für alles, was mit Revolte, Unordnung und Chaos zu tun hat. Das scheint mir der Weg zur Freiheit zu sein.“ (Jim Morrison, Alt-68-Kulutr-Revolutionär)
Der Untergang der westlichen, multipluralistischen 68er-Kultur-Destruktion
Doch völlig unvorhersehbar war alles nicht: So hatte etwa Samuel P. Huntington mit „The clash of civilisations“ (1993 / 96) die globalen Folgen im Zuge der globalpolitischen „Wende 1989“ vorausgesagt:
Durch das Ende des Ost-West-Gegensatzes (welche die kommunistisch-dogmatische gegen die kapitalistische-pluralistische Ideologie verloren hatte) entstehen neue Antagonismen zwischen multikulturellen Kulturräumen und religiösen Werteordnungen: etwa zwischen einem westlichen entleert-beliebigen liberalistischen Pluralismus einerseits und absoluten religiös-kulturellen Identitäten andererseits.
Ein moderater „Zusammenprall der Kulturen und Mentalitäten“ findet aber auch zwischen einem (senilisierten, durch die 68er-Kultur-destruktion islamistisch-multipluralisierten und sinn-entleerten) westlichen Nachkriegs-Europa einerseits und dem neuen Europa statt, den nach 1989 zurückgekehrten (von Political-Correctness-Ideologie freien) EU-Ex-Ostblock-Staaten. Die neue politisch-kulturelle Bruchlinie bildet die Grenze zu den Visegrad-4-Staaten.
Europäischer Nachsommer im „Osten“ Europas
Mit der Flüchtlingskrise-2015, der Corona-Krise-2020 und der Ukraine-Krise (als gewaltige historische Kataklypsen) hat dieser inner-europäische Kulturkampf seinen Zenit zugunsten des östlichen Mitteleuropas entschieden. Denn gerade jene (vor einer Generation bestenfalls von westlichen Politikern noch bemitleideten) Völker hinter dem ehemaligen „Eisernen Vorhang“ (Churchill) haben nun plötzlich die Deutungshoheit in der moralischen Neugestaltung des Spät-68er-Alt-Europas übernommen – allen voran der ungarische Ministerpräsident Orbán…
Warum gerade der „Osten“?
Sowohl was Denken, Zeitempfinden und historische Erfahrungen betrifft, unterscheiden sich die neuen, (großteils) christlich[2] verankerten „östlichen“ mitteleuropäischen EU-Mitgliedstaaten diametral vom westlichen, multipluralistisch-entseelten 68-er-„Alt“-Europa. Daraus resultierte ein völlig anders gearteter historisch-politischer Bewusstseinszustand: eine tiefe und immer wieder gekehrte politisch-historische Enttäuschung sowie das Gefühl [1] [3] auf sich allein gestellt zu sein. Das erkannte auch der deutsche Philosoph Safranski:
„Die deutsche Politik will nicht begreifen, was mit den osteuropäischen Ländern los ist: Die sind eben der Knute der Sowjetunion entkommen und wollen nun erst einmal die neugewonnene Souveränität genießen. Sie möchten ihr Selbstbestimmungsrecht nicht gleich wieder nach Brüssel abgeben, bloß weil Deutschland mit seinem Europa-Traum das forciert.
Die Deutschen blenden auch den historischen Hintergrund der Abwehrhaltung in Osteuropa aus: Bulgarien war bis 1908 unter osmanischer Herrschaft. Die Türken standen Ende des 17. Jahrhunderts vor Wien. Das islamische Osmanische Reich war weit in den Balkan vorgedrungen. Das ist im kollektiven Gedächtnis dieser Länder präsent. Und es ist nun mal so, dass die großen Flüchtlingsströme vor allem aus der islamischen Welt kommen.“ (Safranski: „Politischer Kitsch“)
Kulturhistorischer Abriss:
Ungarn
Allein schon wegen ihrer geographischen Randlage (an der östlichen Flanke des historischen christlich-mitteleuropäischen Kernraumes) waren die Magyaren seit dem 13. Jhd. immer wiederkehrenden Invasionen aus der Tiefe des asiatischen Raumes ausgesetzt: Zwei Mongoleneinfälle (1241–42 / 1285) hinterließen ein verwüstetes, großteils entvölkertes Land.
Seit Mitte des 16. Jhds erreichte die militärische Konfrontation mit den Osmanen in der Schlacht von Mohács (1526) durch den Tod des ungarischen Königs Ludwig II seinen Höhepunkt in einer knapp 200-jährigen türkischen Fremdherrschaft (1526 – 1718 Friede von Passarowitz — Karlowitz 1699 – 1695 Gnadenbild von Mariapocs); und zwar in doppelter Hinsicht:
Bertalan Székely: Die Auffindung der Leiche König Ludwigs (1860) |
Bertalan Székely: Mihály Dobozi und seine Frau (1861)
Der Soldat Dobozi ersticht seine Frau, um sie nicht in die Hände der Türken fallen lassen zu müssen |
Als Dank für ihren Versuch ein christliches Bollwerk für ganz Europa zu bilden, handelte sich das einst mächtige ungarische Königreich eine knapp vierhundertjährige Fremdherrschaft durch die österreichischen Habsburger ein; kurz unterbrochen durch eine siegreiche Revolution von 1848/49, welche wiederum nur mit Unterstützung des russischen Zaren niedergeschlagen werden konnte und welche in der Hinrichtung von 13 ungar. Generälen in Arad (Oradea, heute Rumänien) eine tiefe nationale Schmach und Demütigung bedeutete: Auch dieses Massaker prägte sich tief in das kollektive Gedächtnis der Ungarn ein: Weil die habsburgischen Besatzer darauf mit Bier anstießen, verweigern sich die Ungarn seither diese Tischsitte.
Seit 1526 war den Magyaren nur mehr (von 1867–1918) eine kurze Phase der nationalen Gleichberechtigung im Rahmen des sog. „Ausgleichs“ innerhalb der Donaumonarchie vergönnt; im folgenschweren Friedensvertrag von Trianon (1920) verlor Ungarn mehr als 2/3 seines Staatsgebietes und knapp 45% seiner Bevölkerung; in den abgetrennten Gebieten verblieb eine ungarische Volksgruppe von 3,2 Mio (damals mehr als 30% der Gesamtungarn). Gerade diese Minderheitenfrage stellt bis heute einen Pfahl im Fleische dar – sowohl was Enttäuschung und Selbstbehauptungswille dieser „Ungarn jenseits der Grenze“ als auch Solidarität der jetzigen FIDESZ-Regierung mit dieser Minderheit betrifft.
Selbst die rumänische Revolution entzündete sich am 16. Dez. 1989 aufgrund des regime-kritischen ungarischen Pfarrers László Tökés in Temesvar / Timisoara. Schließlich wurde auch noch die ungarische Revolution von 1956 gegen die sowjetrussische Fremdherrschaft brutal niedergeschlagen.
Und doch blieb gerade der Freiheitsdrang des (von christlicher Überzeugung geleiteten) „östlichen“ Mitteleuropas historisch nachhaltig; etwa in der Grenzöffnung für die DDR-Flüchtlinge (September 1989) durch Ungarn, oder die Gewerkschaftsproteste durch die Solidarnosc-Bewegung (ab 1980) durch Lech Walesa in Polen.
All diese schmerzhaften Ereignisse und Erfahrungen haben sich (auch in den anderen Post-89-er-Staaten ‑Europas) zu einem nachhaltigen Amalgam, von gesundem Misstrauen, Selbstbehauptungs- und Überlebenswillen sowie zu einem geschärften Bewusstsein für real existierende politische Gefahren verfestigt. Die 1848 durch den ungarischen Nationaldichter und Revolutionär Sandor Petöfi verfasste Warnung „An die Könige“ liest sich heute wie ein Abgesang auf die linke Elite Brüssels:
„Nötig ist es kaum noch aufzuwiegeln eure Untertanen gegen euch… Was euch unverfror’ne Schmeichler schwätzen, euch, ihr Könige liebt keiner mehr!“
Das unterscheidet grundsätzlich von jenem oberflächlich-anästhesierten Seinsgefühl des materialistisch entleerten westlich-postmodernen Anything-Goes, welches sich auf einer trügerischen 70-jährigen Friedensperiode breit gemacht hatte;[4] und welches aber nun durch Flüchtlingskrise (2015), den ukrainischen Maidan-Putsch (2013–14), die Sezession der ehemaligen ukrainischen Krim (2014) nach Russland, dann durch die Corona-Krise (2020) und später durch den UKraine-Krieg jäh aus ihrem selbstverliebten Dornröschenschlaf gerissen wurde.
Während die Staaten West-Europas sich nur mehr verschwommen an katastrophale (die christliche Kultur des Abendlandes bedrohenden – Invasionen) etwa durch Wikinger (Ende 8. – 9 Jhd n. Chr.) oder die der Muselmanen (ab 711- 1492 n. Chr.) im Mittelalter erinnern, war der alte Kontinent – auch kriegerisch – vor allem mit sich selbst beschäftigt gewesen; die Invasion der Osmanen nutzten französische Könige zu Machtspielen gegen den Erzfeind Österreich-Habsburg, welcher zumindest an seiner Süd-Ost-Flanke die geballte Macht osmanischer Kriegsmaschinerie fürchten lernte, Ungarn allerdings jene osmanische Besetzung jahrhundertelang am eigenen Leibe erfahren musste.
Hinzu kommt die extreme Minderheitenposition der ungarischen Sprach- und Kulturnation innerhalb Europas, was freilich in eine selbstbewusste Selbstbesinnung auf die eigenen Werte und historischen Voraussetzungen dazu fußte. Gerade diese teils mystische Ehrfurcht vor der eigenen Geschichte blieb im Westen immer völlig unverstanden…
Balkan
Jedoch erinnern sich auch andere Völker des östlichen Mitteleuropas und des Balkans an ähnliche nationale Katastrophen – verursacht durch Invasionen fremder Mächte: Das Fürstentum Serbien erlitt in der Schlacht auf dem Amselfeld (1389) eine vernichtende Niederlage gegen die Türken, was letztlich in eine fast 350-jährige Fremdherrschaft mündete (1459–1878).
Polen
Auch Polen litt unter dem Mongolensturm: 1241 wurde ein polnisch-deutsches Ritterheer in der Schlacht bei Liegnitz vollständig vernichtet. So was vergisst man nicht…
In drei Teilungen im 18. Jhd. wurde das Land zwischen den damaligen Global-Playern Preußen, Österreich und Russland filetiert; danach folgte jene zwischen Russland und Nazideutschland (mit den nationalen Katastrophen der Massaker von Wohlhynien – 1943 – und Katyn – 1940 – mit mehreren zehntausend Toten; nach dem Zweiten Weltkrieg folgte die West-verschiebung des Staatsgebietes mit der Zwangsumsiedlung von 1,5 Mio. Polen).
Und Polen spielte mehrmals eine wesentliche Rolle im Kampf gegen den Kommunismus:
Böhmen
Der böhmische König Ottokar Přemysl fiel in der Schlacht auf dem Marchfeld 1278 gegen den Habsburger Rudolf I; sein Leichnam wurde von diesem geschändet. 1415 war der böhmische Kirchenreformer Jan Hus trotz Zusage von freiem Geleit (durch den Kaiser des Hl. Römischen Reiches, Sigismund) auf dem Konzil zu Konstanz auf dem Scheiterhaufen als Ketzer verbrannt worden.
Von 1526–1918 stand Böhmen unter habsburgischer Herrschaft: Nach der verlorenen Schlacht auf dem Weißen Berg bei Prag (1619) wurden 27 böhmische und deutsche protestantische Adelige auf dem Altstädter Ring brutalst hingerichtet, ihre Güter konfisziert; die Epoche danach ging als „Zeit der Finsternis“ in die nationale Geschichtsschreibung ein.
1939 besetzten die Nationalsozialisten das sog. „Protektorat Böhmen und Mähren“; 1942 erfolgte als Reaktion auf die Ermordung des Reichsprotektors Heydrich das Massaker von Ledice (172 liquidierte Männer). Danach verleibte sich Stalin die Tschechoslowakei als Satellitenstaat ein; der 68-er-Prager Frühling wurde niedergewalzt.
„Chaos bedeutet, alles zu verwerfen, was man gelernt hat, Chaos bedeutet, man selbst zu sein.“ (Emil Cioran)
Das andere Denken des historischen, östlichen (Mittel-)Europas
Während man im westlichen Teil Europas Freiheit mit materieller (Abge)Sicher(t)heit (also v.a. wirtschaftlicher Prosperität infolge des ausgeschütteten amerikanischen Füllhorns des Marschall Plans) verstand und sich dementsprechend sowohl politisch und kulturell an den american-way-of-life anpasste und durch diesen korrumpieren ließ, waren die Völker im östlichen Teil Europas unter den tektonischen Verwerfungen der Nachkriegsordnung vom Westen einfach schulterzuckend vergessen, verraten und dem ideologischen Erzfeind des Kommunismus überantwortet worden.
Katholizismus, Nationalstolz, Subversivität versus kulturelle Ent-leert-heit
Doch: Diese Erfahrung ist dem westlichen Denken und seiner Mentalität seit drei Generationen abhanden gekommen: Warten, Warten müssen und daraus resultierend: Warten können. Doch auch die Freiheit von 1989 war wieder von neuen Enttäuschungen gekennzeichnet: Die wirtschaftlich bedingten sozialen Kollateralschäden auf dem Weg in den neoliberale Finanzkapitalismus; die verächtliche Bevormundung der eigenen Traditionen und kulturellen Werte (der Katholizismus Polens, der Nationalstolz Ungarns auf seine Krone, die schwejk´sche Subversivität Böhmens), die subtile Verachtung slawischer und magyarischer Völker durch die westlichen Eliten im Allgemeinen…: Allen Staaten im Osten blieb gemeinsam jene schmerzliche Erfahrung, dass staatliche Souveränität, kulturell-nationale Einheit brüchig und von fremden Mächten und Invasoren bedroht sind.
Daraus resultierte ein interessantes Paradoxon: Durch diese Verlust-Optionalität erfuhr der Staat, die Nation zwar einerseits eine bis ins Mystisch-Religiöse hinein gesteigerte Wertschätzung, wobei sich das Individuum gleichzeitig (sozusagen aus Eigeninitiative und Selbstverantwortungsbewusstsein heraus) dazu gezwungen sah, ein starkes familiäres und regionales soziales Netz aufzubauen.
Im Gegensatz dazu hatte sich in den Sozialstaaten W‑Europas diese Wertschätzung der Nation und christlicher Kulturalistaion durch die nihilistische Kultur-Destruktion der 68-er aufgelöst, als dessen Endprodukt wir ab 2015 jene entwurzelten Single-Individualisten erleben, welche nun ihren Post-Post-Midlife-Crisis-Frust mit einem so naiv wie a‑historischen Be-Wellcome-Klatschen von Flüchtlingsmassen als ihr mehrfaches biographisches Versagen kompensieren.
Unter diesen speziell für den „östlichen“ Teil des historischen Mittel-Europas zutreffenden Erfahrungen interpretierte Orbán dann freilich auch die Flüchtlingskrise (und vor allem frei von den ideologischen Scheuklappen einer dekadenten Gutmenschen-Ideologie) un, indem er die Geschichte als Lehrmeisterin und nicht – wie im Westen üblich – als lästigen, in Bibliotheken verbannten Bildungsballast, nutzte. Orbán scheute sich auch nicht Führungsstärke zu beanspruchen:
„Aber in Krisensituationen braucht man Führer, die gewohnte Bahnen verlassen. Wenn jemand das tut, wird er am nächsten Tag in Medien als gefährlicher Nationalist gebrandmarkt.“ (Orbán)
Sein tschechischer Politkollege, Staatspräsident Zeman, formulierte menschliche Umgangsformen in Richtung unzufriedener Refjutschies wie folgt:
„Wenn ihr schon hier seid, müsst ihr unsere Regeln respektieren, so wie wir die Regeln respektieren, wenn wir in euren Ländern sind. Niemand hat euch hierher eingeladen. Wenn es Ihnen nicht gefällt, gehen Sie wieder.“
Somit aber, und damit schließt sich der Kreis auch schon wieder:
„Es ist wichtig, dass jemand seiner Zeit den Spiegel vorhält.“
– wie Václav Havel, ehemaliger tschechischer Staatspräsident und Dissident, es formuliert hatte. Dass dieser erneut aufklärerische Akt nun plötzlich von den Staaten des Ostens geleistet wird, kommt freilich – aus Sicht der überholt-senilisierten Alt-68er – einer tiefen Kränkung, kulturhistorisch einer kopernikanischen Wende am Himmel der Political Correctness gleich.
„Die Ideen regieren die Welt oder stürzen sie ins Chaos.“ (Auguste Comte)
Während sich im Westen die wohl situierten Wohlstandsbürger schon die ganze Arbeitswoche über hinweg den Kopf zerbrachen, wie man das anstehende Wochenende abfeiern und mit Sinn aufladen könnte, ging dieses im Osten in fortgesetzte Arbeit über, um sich das Überleben zu sichern. Freilich blieb man so aber dem Leben, seiner Intensität, seiner sozialen Bedeutung und aber auch seiner Fragilität und Bedrohung durch Alter, Armut, Krankheit und Tod nahe. – Erst durch die Corona-Krise-2020 und die Ukraine-Krise erfahren die westlichen Freizeit-Paniker, was es heiß: Warten-Müssen…
Wen mag es also verwundern, dass Skepsis gegenüber realen oder potentiellen „Bevormundern“ (egal ob damals in Moskau oder eben jetzt mit Hauptsitz im „links-nihilistischen“ Brüssel) so etwas wie eine geheime Staatsverfassung des Ostens sind.
„Das Schlachtfeld ist ein Ort des ständigen Chaos. Der Sieger wird derjenige sein, der dieses Chaos beherrscht, sowohl sein eigenes als auch das der Feinde.“ (Napoleon Bonaparte)
Geschärfte Sicht auf die soziale und kulturelle Realität
Allen Balkan- und Visegrád-4-Staaten gemeinsam ist darüber hinaus die Existenz (einer seit Jahrhunderten schwer bis gar nicht zu integrierenden Minderheit, jener der „Zigeuner“, der Roma und Sintis, deren gesellschaftliche Problematik im Westen unter dem Diktat der Political Correctness ignoriert, verharmlost, exotisiert, oder aber einseitig auf die Herkunftsstaaten reduziert wurde. Immer dann aber, wenn diese Minderheit im Westen etwa in Form von Armutskriminalität auftritt, reagieren diese Muster-PC-Demokratien mit Repressionen, Ausweisungen, Rückführungen oder unverhohlenem Rassismus.
Orbán, Ungarn, Polen, Slowakei, Tschechien…: Sie alle sahen im Spätsommer 2015 nicht nur im wörtlichen Sinne das, was kommt, nämlich jene (schier unbewältigbaren und des-integrierbaren) Menschenmassen, sondern auch den Culture-Clash, mit dem sich die 68er-Eliten im Westen in Form von Terroranschlägen und letztlich auch einem Back-slash gegen ihre (von sexueller Freizügigkeit und beliebig-kultureller Ersetzbarkeit von Werten geprägten) Kultur von nun an auseinandersetzen werden müssen. Doch (und dieses Gefühl ist den dekadenten 68-er-Selbsthassern völlig fremd): Die eigene nationale Identität wird in Ost-Europa großteils als etwas erlebt, was man immer schon (letztlich erfolgreich) verteidigen und bewahren musste und es auch weiterhin muss – und zwar immer wieder gegen neue Invasoren…
Zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise sprach ich am Bahnhof des ungarischen Grenzortes Hegyeshalom mit einem Polizei-Kommandanten über die mediale Verleumdungskampagne gegen Ungarn. Als von Neuem voll besetzte Flüchtlingszüge anrollten, und die ungarischen Polizisten die Flüchtlingsmassen kontrollierten, erwiderte der ungarische Beamte in einer Mischung aus Realitätssinn, Dienstethos und Volksweisheit lapidar:
„Wir in Ungarn wissen: Jedes Wunder dauert genau drei Tage!“
Das Versagen der westeuropäischen Eliten
Und auch politisch sollte Orbán die Deutungshoheit schon sehr rasch zurück erlangen: Der Holocaust-Plärrer[5], der österreichische Ex-Bundeskanzler Faymann (ausgebuht von seinen eigenen Sozi-Gutmenschen während des sozialistischen Hochamts am 1. Mai 2016 auf dem Wiener Rathausplatz) – danach abgesetzt auf einen Versorgungsposten in einer parteinahen Versicherungsgesellschaft; Cohn-Bendit verschmäht als Krypto-Pädophiler in Pension; Ex-EU-Kommissionspräsident Junker ebenfalls vergessen und verspottet als Ischias-Simulant; der selbst bekennende Ex-Alkoholiker Schulz degradiert zu einem Provinzpolitiker, und die einst so stolze linke GM-Elite Deutschlands paralysiert von den eigens gerufenen Geistern aus NAFRIS-tan; und kein anderer Satz, der solch verheerende Wirkung zeitigte wie Merkel:
„Wir schaffen das!“
Die stoische Einsicht des „östlichen“ Mitteleuropas in die Realität der historischen Ereignisse, das Bewusstsein, daraus die richtigen Entscheidungen ableiten zu müssen (auch gegen opportune politische Oberflächlichkeiten und PC-Besserwisser-Gut-Menschen aus dem Westen), gepaart mit der Weisheit des Warten-Könnens: „Jedes Wunder dauert drei Tage!“ Mit der Flüchtlingskrise-2015 gingen in Europa die Nachkriegsgeschichte und die Postmoderne zu Ende…
„Wo immer einer die Wahrheit sagt, da ist schon ein Stück Freiheit.“ (Vacláv Havel)
Doch steht diese Wahrheit nun nicht mehr unter dem Diktat der Gut-Menschen-Political-Correctness: Deren Rhetorik hat sich überholt, deren Sinn säkularisiert, deren Vertreter uneinsichtige Möchtegern-Propheten eines unmöglichen Post-Histoire-Zustandes…
„Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar!“
– artikulierte einmal eine der wenigen intellektuell ernst zu nehmenden österreichischen linken Intellektuellen, Ingeborg Bachmann. Dieser (eigentlich bittere Satz) trifft nun die sowohl satt wie verängstigt gewordene westliche Gut-Menschen-Elite mit voller Wucht… Denn immer noch ist diese aus ihrem Bullerbü-Multi-Kulti-Fantasy-Traum nicht aufgewacht…
„Europas naiver, selbstmörderischer Liberalismus“ (Imre Kertész)
Imre Kertész (von der westlichen GM-Schickeria gern zitierter und hofierter) ungarischer Nobelpreisträger und Holocaust-Überlebender sah freilich schon viel früher klarer, was kommt:
„Die Abendmaschine war voller ärmlicher Araber, die in Budapest in irgendeine Nahost-Maschine umsteigen. Eine sonderbare Art armer Familien, mit Frauen, großköpfigen, aggressiv brüllenden Kindern;
Anstatt mit ihnen Mitleid zu haben, assoziiere ich Bomben und Terror. Europa wird bald zugrunde gehen an seinem einstigen Liberalismus, der sich als naiv und selbstmörderisch erwiesen hat. Europa hat Hitler hervorgebracht, und nach Hitler waren keine Argumente mehr geblieben: Dem Islam taten sich alle Tore auf, man wagte nicht mehr, über Rasse und Religion zu sprechen, während der Islam anscheinend fremden Rassen und Religionen gegenüber keine andere Sprache mehr kennt als die Sprache des Hasses.“[6]
Im Herbst der Flüchtlingskrise 2015 schrieb ich an meine alt gewordenen, alt-linken Ex-FreundInnen in einen (sich der Euphorie des Be-Welcome-Klatschens hingebenden) Westen (sofern sie mir nicht schon vorher – und schwer beeindruckt durch die PC-Medienkampagne gegen Orbán – die Freundschaft in einem letztem Anflug geheuchelter Zivilcourage aufgekündigt hatten) folgende Kurzzeilen:
„Ihr wisst noch gar nicht, was auf euch zukommt! Das Aufwachen aus eurem Traum wird weh tun!“
Dem ist eigentlich nichts mehr hinzu zu fügen… Ich tu es trotzdem…:
„Ihr in Europa, ihr habt die Intelligenz ausgeschlossen. Ihr werdet leiden. Der Abgrund ist tief. Ihr seid krank. Ihr habe die Krankheit der Leere. … Das westliche System bewegt sich auf einen ultimativen Zustand geistiger Erschöpfung zu: Eine übertriebene, seelenlose Gesetzestreue, ein rationaler Humanismus, ein verbotenes Innenleben… Eure gesamten Eliten haben den Sinn höherer Werte verloren. Sie haben vergessen, dass das erste Recht des Menschen darin besteht, seine Seele nicht mit Nichtigkeiten vollzustopfen…
Der Abgrund wird sich zum Licht hin öffnen. Kleine Leuchtkäfer werden in der Nacht in der Ferne flackern. Anfangs werden wenige Menschen diese flackernden, fragilen Lichter bemerken und vor feindlichen Gewittern schützen. Es wird Menschen geben, die sich erheben werden im Namen der Wahrheit, der Natur, des Lebens; (…) sie werden ihren Kindern beibringen, anders zu denken, den Geist über das Materielle zu stellen. Sie werden die Spirale des Niedergangs der Tapferkeit durchbrechen. So wird es zu einem Aufbrechen des dressierten Gewissens kommen. Heute sind die Dissidenten im Osten, sie werden bald im Westen sein.“[7]
– mit den Worten des russischen Dissidenten A. Solschenizyn nach seiner Rückkehr aus dem amerikanischen Exil in seine Heimat.
Trotz der beiden Weltkriege ist das historische Mitteleuropa aber nicht untergegangen: Dessen Lebensgefühl hat wie in einer Zeitblase überdauert, dessen Widerstandswille wurde durch den Freiheitsdrang gegen die sowjetische Unterdrückung nach 1945 in einer inneren Emigration gestärkt. Mit der Wende 1989, der Flüchtlingskrise-2015 und jetzt der Corona-Krise-2020 ist diese Zeitblase endgültig geplatzt…:
„Die Vernunft, sie, die ewige und still geduldige, kann warten und beharren. Manchmal, wenn die anderen trunken toben, muss sie schweigen und verstummen. Aber ihre Zeit kommt, immer kommt sie wieder.“[13] (Stefan Zweig)
Es folgt 2. Teil: Der „Osten“. „Vorteile der Rückständigkeit“
Dieser Artikel ist eine Exzerpt aus dem Buch unseres Ungarn-Korrespondenten Elmar Forster, seit 1992 Auslandsösterreicher in Ungarn, hat auch ein Buch geschrieben, welches Ungarn gegen die westliche Verleumdungskampagne verteidigt. Der amazon-Bestseller ist für UM-Leser zum Preis von 17,80.- (inklusive Postzustellung und persönlicher Widmung) beim Autor bestellbar unter <ungarn_buch@yahoo.com>
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„KATAKLYPSE NOW: 100 Jahre Untergang des Abendlandes (Spengler) Dekonstruktion der Political Correctness.“
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ANMERKUNGEN:
[1] etwa über das Ausbleiben westlicher Unterstützung im Freiheitskampf der Ungarn 1956, obwohl der damalige amerikanische Präsident Eisenhower solche Hoffnungen subtil geschürt hatte, um diese dann aus wahltaktischen Gründen zu verraten
[2] Tschechien bildet diesbezüglich eine Ausnahme, da es sich seit der Verbrennung des Kirchenreformators Jan Hus, 1415 in Konstanz, als religiös-indolentes Staatswesen begreift, welches sich durch die folgende katholisch-habsburgische Repression (Schlacht am Weißen Berg 1620) verfestigte.
[3] Freilich hatten auch Österreich und Deutschland ähnliche Defiziterfahrungen zu verkraften; doch verblassten diese paradoxer Weise durch die wirkungsvolle Aussiedlung der deutschsprachigen Minderheit nach dem 2. Weltkrieg und sind heute politisch kein Thema mehr
[4] Der amerikanische Hof-Historiker des US-Präsidenten, Busch F. Fukujama, rief sogar das „Ende der Geschichte“ aus, welches sich mit den westlichen Wirtschafts- und Staatsmodellen perpetuieren sollte.
[5] Faymann hatte in einem Spiegel-Interview die Flüchtlingspolitik Orbans mit dem Holocaust verglichen – www.spiegel.de/politik/ausland/werner-faymann-ueber-ungarn-fluechtlingspolitik-erinnert-an-holocaust-a-1052448.html
[6]Imre Kertesz: „Letzte Einkehr. Tagebücher 2001–2009“, Rowohlt, März 2015
[7]zitiert nach: Eva-Maria Michels: „Gesellschaftlicher Infantilismus und Gewalt, die siamesischen Zwillinge“; in „Infantilismus – Der Nanny-Staat und seine Kinder“ / Hrsg.: Christian Günther, Werner Reichelt / Frank@frei ‑Team Stronach Akademie, 2016