Horst D. Deckert

Der letzte Ausweg

Von MICHAEL HERRMANN | Bei CDU/CSU müssten nach den Abstimmungen im Bundestag zu den beschlossenen Grundgesetzänderungen, eigentlich sämtliche Alarmglocken schrillen. Die Aushebelung der Schuldenbremse ist schon schlimm, wird aber noch getoppt durch die Aufnahme der Klimaneutralität bis 2045 als Staatsziel ins Grundgesetz.

Als Merz in seiner Rede die Kritik aus der AfD, wonach die Verankerung von Klimaneutralität im Grundgesetz als neues Staatsziel dramatische Folgen für den Industriestandort Deutschland haben werde, zu zerstreuen versuchte und die Behauptung aufstellte, dass es mit diesem Zusatz keine neue Staatszielbestimmung im Grundgesetz gäbe, weil der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen schon seit mehr als 30 Jahren ein Verfassungsauftrag sei. Das Bundesverfassungsgericht habe im Frühjahr 2021 eine Entscheidung getroffen, dass darunter auch Klimaschutz und Klimaneutralität zu verstehen sei. Es gäbe kein neues Staatsziel, die Behauptung sei falsch, so Merz.

Während dieser Ausführungen von Merz zeigte die Kamera einen süffisant grinsenden Robert Habeck, der durchaus verstanden hat, was dieser auf Drängen der Grünen aufgenommene Zusatz tatsächlich bedeutet. Wenn er so wirkungslos wäre wie Merz behauptet, hätte man es ja sein lassen können.

Die überbordende Freude bei den Grünen nach der gewonnenen Abstimmung, sollte ein weiterer, eindeutiger Hinweis an die CDU/CSU sein, dass man offensichtlich einen gewaltigen Fehler begangen hat. Auch die Aussage von SPD-Minister Pistorius zum Ergebnis der Sondierungsgespräche mit der Union, wonach die SPD sehr viel erreicht habe und man die CDU/CSU nicht einmal in den eigenen Vorgarten gelassen habe, spricht Bände.

Als Außenstehender ist es schwer nachvollziehbar, wie Merz sich selbst in eine derart schlechte Verhandlungsposition noch vor den Koalitionsverhandlungen begeben konnte. Sämtliche Druckmittel wurden widerstandslos an den Wahlverlierer SPD übergeben, ohne dafür eine nennenswerte Gegenleistung zu bekommen.

Grundsätzlich ist es lobenswert, wenn ein Mensch ein Ziel verfolgt, im Falle von Merz die Kanzlerschaft. Bei einem charakterlich gefestigten und geistig gesunden Menschen wird dies aber niemals dazu führen, dass er sich derart erniedrigt und sich völlig dem Gegner ausliefert, es sei denn, es geht ums nackte Überleben. Es ist gesünder, ein Ziel aufzugeben, als gegen die eigenen Überzeugungen zu handeln, sich selbst zu entwürdigen und erpressbar zu machen. Merz jedoch scheint alles seiner Zielerreichung unterzuordnen, obwohl selbst damit seine Kanzlerschaft keineswegs schon in trockenen Tüchern ist, weil die Roten (und Grünen) bereits vor Beginn der Koalitionsgespräche ihre wichtigsten Ziele durchgesetzt haben. Warum sollten sie weitere Zugeständnisse machen? Womöglich bleibt Olaf, der schrecklich Vergessliche, weiterhin Kanzler.

Es gäbe trotzdem noch einen Ausweg für die CDU/CSU, den angerichteten Schlammassel rückgängig zu machen. Dieser Weg erfordert jedoch zunächst eine selbstkritische und nüchterne Betrachtung auf die gemachten Zugeständnisse und Beschlüsse, sowie eine neutrale Analyse der möglichen Folgen für Partei und Volk. Im Ergebnis müssten die Entscheidungsträger zur Einsicht gelangen, dass man offensichtlich einen fatalen Fehler begangen hat, der vor allem für die jungen Generationen und für das Land unglaubliche Belastungen mit sich bringen wird. Abgesehen davon, zeichnet sich bereits jetzt ab, dass die Unionsparteien weiter dramatisch in der der Wählergunst abgestürzt sind, wie Umfragen bestätigen. Und das kann nun wirklich nicht im Interesse der Union sein.

Also bleibt nur die Möglichkeit dafür zu sorgen, dass die im Bundestag gefassten Beschlüsse zu den Änderungen des Grundgesetzes im Bundesrat keine Zweidrittelmehrheit bekommen. Ich weiß, das klingt wie Science-Fiction und die Chancen gehen gegen null, ob dieser machtgierigen, nicht das Wohl des Volkes und des Landes im Fokus habenden Politiker, von denen viele anscheinend auch noch Intelligenzabstinenzler sind und nicht einmal zwei Schritte vorausdenken können. Aber man wird ja wohl noch träumen dürfen…

Ach so, das hätte ich fast vergessen: Herr Merz, beseitigen Sie endlich die undemokratische Brandmauer zu der Partei, mit der es die größte gemeinsame Schnittmenge gibt, zumindest wenn man das Wahlprogramm Ihrer Partei zugrunde legt. Dann brauchen Sie sich auch nicht mehr von den Linken erpressen zu lassen!

Like

Ähnliche Nachrichten