Horst D. Deckert

Der schiefe Blick auf die «Pressefreiheit»

Die Nichtregierungsorganisation (NGO) Reporter ohne Grenzen hat unlängst wieder ihren Bericht über den Zustand der weltweiten Pressefreiheit herausgegeben.

Auffallend ist: Insbesondere Länder, die auf der Abschussliste der US-Regierung stehen, kommen gemäss dem Ranking der Organisation schlecht weg. Den Spitzenplatz im Jahr 2023 belegt Norwegen. Abgeschlagen auf dem letzten Platz wiederum steht China, der Feind Nummer eins der USA.

Pikantes Detail am Rande: Glaubt man den Recherchen von Journalist Seymour Hersh, dann waren es Norweger, die gemeinsam mit den USA die Nord-Stream-Pipelines sprengten. Auch waren es Medien in Norwegen, dem Pressefreiheitschampion, die jüngst die Recherche von Seymour Hersh zur Nord-Stream-Sprengung als Fake News bezeichneten. Dies wiederum führte dazu, dass Facebook den Hersh-Beitrag zensierte.

Besonders interessant wird die Arbeit von Reporter ohne Grenzen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. Auch hier wird man den Verdacht nicht los, dass die NGO bei der Beurteilung Doppelstandards an den Tag legt.

Denn die Organisation ist zum Ergebnis gekommen, dass sich die Pressefreiheit in Russland zuletzt stark verschlechtert hat, während sie sich umgekehrt für Journalisten in der Ukraine verbessert hat. Russland ist neun Ränge nach hinten gerutscht und belegt nun Platz 164. Hierzu schreibt Reporter ohne Grenzen:

«Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine wurden fast sämtliche unabhängigen Medien verboten, blockiert und als sogenannte ausländische Agenten eingestuft. Für die Verbreitung angeblicher Falschnachrichten über die russischen Streitkräfte drohen Medienschaffenden bis zu 15 Jahre Haft. Etwa tausend Medienschaffende haben das Land verlassen. Die Inhaftierung des US-amerikanischen Journalisten Evan Gershkovich zeigt, dass auch ausländische Korrespondenten und Korrespondentinnen nicht mehr vor strafrechtlicher Verfolgung sicher sind.»

Ganz anders die Ukraine. Hierzu heisst es im Bericht:

«Verbessert hat sich dagegen die Lage der Pressefreiheit in der Ukraine (79, +27). Dies liegt vor allem an der wirtschaftlichen Stabilisierung der meisten Medien. Zudem konnte der Einfluss von Oligarchen auf den Journalismus zurückgedrängt werden. In der Kategorie Sicherheit belegt die Ukraine allerdings weltweit den vorletzten Platz. Ursächlich dafür sind russische Kriegsverbrechen gegen Medienschaffende in der Ukraine.»

Dass diese Bewertung kaum mit der Realität übereinstimmen kann, ist offenkundig. Man denke nur an das neue «Mediengesetz», welches Präsident Wolodimir Selenski im Dezember 2022 unterzeichnet hat. Dieses gibt der Regierung die Befugnis, ukrainische Medien und Journalisten weitgehend zu kontrollieren.

Der Entwurf für das Gesetz wurde bereits vor zwei Jahren erstellt und von Journalistenverbänden von Beginn an als Versuch kritisiert, eine staatliche Zensur einzuführen – was die ukrainische Regierung bis heute bestreitet. Das Gesetz erweitert zudem die Befugnisse der staatlichen Medienaufsichtsbehörde dramatisch und gibt ihr unter anderem, wie The Kyiv Independent informierte, «die Befugnis, Nachrichtenseiten ohne Gerichtsurteil zu schliessen» (mehr dazu hier).

Selenski unterdrückt Pressefreiheit

Auch ist klar, dass Journalisten in der Ukraine nicht bloss aufgrund der russischen Angriffe gefährlich leben, sondern auch wegen der Selenski-Regierung. Diese verfolgt kritische Journalisten ohne Rücksicht auf Verluste. In den vergangenen Jahren wurden immer wieder regierungskritische Journalisten von rechtsradikalen Killerkommandos umgebracht (mehr dazu hier). Jeder, der nicht auf Linie ist, lebt in der Ukraine gefährlich. Selenski ging gar soweit, oppositionelle politische Parteien zu verbieten.

Ivan Katchanovski, ein Politikwissenschaftler an der Universität Ottawa, sagte dazu: «Selenski nutzte die russische Invasion und den Krieg als Vorwand, um einen Grossteil der politischen Opposition und potenzielle Rivalen um die Macht auszuschalten und seine weitgehend undemokratische Herrschaft zu konsolidieren.»

Damit setzt sich ein Trend aus der Zeit vor dem Krieg fort. 2021 hatte Selenski die populärste Nachrichten-Website des Landes verboten und anschliessend Medien, die einer der populärsten Parteien des Landes nahestanden, untersagt.

Eine Erklärung für die einseitige Wahrnehmung von Reporter ohne Grenzen könnte mit der Finanzierung zusammenhängen. Denn es sind vor allem westliche Regierungen respektive regierungsnahe Organisationen, welche die NGO finanzieren. Thomas Röper, der sich ausführlich mit der Thematik auseinandergesetzt hat, schreibt im Anti-Spiegel:

«Die Zuschüsse von der ‹EU und Ministerien›, wie es formuliert wird, sind von 2,8 Millionen Euro 2020 auf 4,2 Millionen Euro in 2021 gestiegen. Die Staaten des Westen [sic] haben ihre finanzielle Unterstützung für die Reporter ohne Grenzen massiv erhöht.»

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