Horst D. Deckert

Deutschlands krankes Gesundheitssystem

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Sie wundern sich, dass überall Menschen klagen, sie bekämen keinen Termin beim Arzt? Ihre Augen lassen mit ihrer Sehkraft nach, aber von fünf Augenärzten nehmen drei keine Patienten mehr auf und zwei bieten ihnen einen Termin in ca. einem halben Jahr an? Ihre Krankenkasse verlangt von ihnen dringend eine Bescheinigung des Hausarztes, sie selbst sind auf Dienstreise, aber ihre Hausärztin lässt mitteilen: „Ab diesem Juni dürfen wir keine Verordnungen und Rezepte mehr mit der Post versenden“….?

Von Hans S. Mundi

Ja, dann sind sie im reformfreudigen Deutschland. Wobei man vermuten kann, dass kriminelle Clans demnächst die Vokabel „Reform“ in ihren Wortschatz aufnehmen und zum Beispiel beim Kassieren von Schutzgeld einem verängstigten Gastronomen sagen: „Wir haben hier eine Reform für sie, die können sie gar nicht ablehnen, har har har…“.

Seit 2005 ist das deutsche Gesundheitssystem dominiert vom Abrechnungsmodell der Fallpauschale. Es wird nicht mehr nach Verweildauer im Krankenhaus abgerechnet, sondern nach festgelegten Pauschalen für bestimmte Krankheitsbilder. Die Einführung dieses Systems muss als Teil einer breiteren Ökonomisierung des Gesundheitssektors gesehen werden, deren Originalgedanke darauf abzielte eine bessere Versorgung, bei geringeren Kosten zu gewährleisten. Im Zuge dieser Reform kam es zu Privatisierungen von Krankenhäusern. Kritiker sprechen von einer “Kommerzialisierung von Krankheit”, die einen enormen wirtschaftlichen Druck auf Krankenhäuser ausübt.“

Wir alle hätten es wissen müssen, es ahnen können, überall hätten Bürger, Medien und verantwortungsvolle Kommunalpolitiker laut aufschreien müssen, als Politiker in den letzten Jahren die kommerzielle Axt an das deutsche Gesundheissystem legten und wir nun zwischen vertuschten Opferfällen und merklichen Spar- und Einschränkungsmaßnahmen langsam erwachen. Erst wenn jemand persönlich massiv betroffen ist, wird das Desaster erkennbar, spürbar und dabei kann einem Angst und Bange werden. In das gesamte Gesundheitssystem wurde eine „Kontingentierung“ eingewoben, welche nicht nur den Klinikbetrieb sondern inzwischen auch den einfachen Hausarzt in ein brutales Kosten/Nutzen-Schema drückt.

Sie wundern sich, dass Ihnen unmittelbar nach einer Operation der Arzt bei der Visite mitteilt, dass sie „morgen schon raus“ können? Es ist ganz einfach. Sagen wir mal für eine Blinddarm-OP gibt es für die Klinik die Standardsumme X, in diese hat man maximal drei Tage Klinikaufenthalt „eingepreist“ – danach wird jeder weitere Tag, den sie in Sachen Heilung dort noch im Bett verbringen für das Klinikum-Kommerzunternehmen unrentabel. Eine Krankenschwester aus Hamburg erzählte abends mal im Freundeskreis, dass ein Chefarzt, der wegen seiner Launenhaftigkeit verrufen war, es sich oft nicht verkneifen konnte, bei der Visite so schöne Sätze wie diesen zu Patienten zu sagen: „Also lange schau ich mir das nicht mehr an, wie sie hier herum liegen. Also, das geht auf Dauer nicht, morgen ist Schluss!“ Tja, es gibt natürlich Menschen, die Operationen und Eingriffe nicht so gut vertragen, bei denen es zum Beispiel durch hochdosierte und länger vergebene Antibiotika zu ernsthaften Nierenproblemen kommt. Egal, raus, wenn dann die Nieren versagen soll sich doch der Hausarzt oder das Bestattungsinstitut darum kümmern.

Anna-Maria M.*: Aus einer deutschen Kleinstadt ging sie 2012 nach Berlin, um eine Ausbildung an einem der größten europäischen Universitätskrankenhäuser zu beginnen: der Charité in Berlin. Es folgte eine Weiterbildung zur Intensivschwester. Einige Jahre arbeitete sie dort auf der Intensivstation und entschied sich dann, wie viele andere, zu gehen. “Die Wirtschaftspolitik der Häuser ist schuld an vielen Missständen. Zum Beispiel beim Material wird oft gespart. Es werden billige Handschuhe bestellt, die schnell reißen, nur um Geld zu sparen. Wir haben viel mit Blut und Sekret zutun und ziehen dann oft zwei Paar Handschuhe an, um wirklich geschützt zu sein. Das passiert besonders in privaten Kliniken, weil die geführt werden wie normale Wirtschaftsunternehmen.” Allgemein kritisiert sie, dass zu viel an Profite und zu wenig an die Menschen gedacht wird. “Mit Beatmungsstunden von Patienten wird Geld gemacht und teilweise liegen Patienten auf der Intensivstation, die es gar nicht brauchen, weil immer die gesamte Kapazität ausgelastet werden soll.”“

Tja, bevor dann einer nur unlukrativ die Betten durchliegt, gucken wir doch mal lieber ob wir ihn irgendwie „intensivreif“ kriegen, da wirft er wenigstens Geld ab, wenn er keucht und schwitzt und blutet. Auf die planwirtschaftliche Gestaltungswut der asozialen politischen Klasse heutiger Entscheider, folgte dann der ausgewachsene Exzess, der heute kaum noch ein Geheimnis ist. Der 95jährigen Oma wird noch ein schnell ein künstlicher Darmausgang gelegt, mit dem sie sich dann quält und nach der harten OP wird Oma dann sowieso nie wieder ganz wach und dämmert dann mit dem überflüssigen Kommerzteil am Darm dem Tod entgegen – während sich der eiskalte Leitungsstab gegenseitig auf die Schultern klopft, ob der tollen finanziellen Bilanz.

Krankenhauskeime? Ein offenbar sogar anwachsendes Problem. „Staphylokokkus aurea“ ist überall im Angebot, denn perfekte Hygiene kostet viel Geld und macht einen hauptangestellten Hygienebeauftragen notwendig, der die Keime in Vollzeit jagd und killt. Für die Patienten sinnvoll, für die Krankmach-GmbHs nicht, kostet nur Geld, spielt aber nix ein. Also stirbt weiterhin jeder fünfte (!!!!) Patient in Deutschland an der Sepsis mit „Staphylokokkus aurea“ – dem Killerkeim, den jedes deutsche Krankenhaus offenbar inzwischen im Angebot hat. Großzügig, nicht?

Mehr Operationen als nötig – Vor fünf Wochen haben 52 ärztliche Organisationen mit mehr als 130.000 Mitgliedern und weit über 1500 einzelne Ärztinnen und Ärzte im stern den Ärzte- Appell veröffentlicht. Darin fordern sie die Überwindung des „Diktats der Ökonomie“ in den Krankenhäusern und eine Reform ihrer Finanzierung. Krankenhäuser lenken die Geldströme um, sie kaufen beispielsweise medizinische Geräte aus den Erträgen der Behandlungen ein – die dafür nicht gedacht sind. Im Ärzte- Appell schildern Mediziner, wozu diese Geldverschiebung führt: Einerseits wird am Pflegepersonal gespart, andererseits ist stets die Verführung groß, mehr als nötig zu operieren, um mehr „Fälle“ zu haben und so die Erträge zu erhöhen.“

Doch gerade jetzt werden im Zeichen von Corona Lobgesänge in den deutschen Medien auf unser angeblich so tollen Gesundheissystem angestimmt. Jede Menge Zeitschriften berichteten dieser Tage, dass das „angeblich kaputt gesparte deutsche Gesundheitswesen“ doch vollkommen intakt sei. Ein Land unter der Fuchtel drastischer Regierungspropaganda, wie sich leider auch hier zeigt. Da möge man so manchem Chefredakteur, der normaler Kassenpatient ist, doch wünschen, dass er selbst seine Erfahrungen in einem Klinikum macht – und es überlebt, ohne Amputationen oder sonstige Schäden. Derweil wird es für den einfachen Patienten, der einmal im Quartal brav zur ärztlichen Vorsorge geht, auch immer seltsamer. Beispiel: Ein Diabetes-Patient hatte bei einem Totalcheck erhöhte Leberwerte, macht sich nun Sorgen und kommt im nächsten Quartal wieder zum Hausarzt. Er fragt, ob denn diesmal auch die Leber beim Blutbild mit kontrolliert wird. Antwort: Nein, wir können aus Kostengründen nicht auch noch ständig die Leber mit untersuchen. Der Patient versteht die Welt nicht mehr und fragt, ob das denn so teuer sei, was denn eine Blutprobe der Leberwerte und die Laboranalyse kosten würden. Antwort: 1,60 EUR, in Worten Eineurosechzig. Gute Nacht, Deutschland. Wehe dem, der jetzt noch krank wird hierzulande…..

 

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