Horst D. Deckert

Die alte Weltordnung zerbricht – Was erwartet uns nach dem Krieg ?

Von ATTILA DEMKó | Russland hat das bereits – vom Westen dominierte – zerfallene globale System, öffentlich vor aller Welt zerstört. Was nun passiert, ist der Horror selbst. Täglich sehen wir Bilder, die uns tatsächlich an die dunkelsten Jahre Europas zwischen 1939 und 1945 erinnern.

Der Westen ignorierte Russlands Forderung nach einer „Pufferzone“

Zwar hat Wladimir Putin schon früher Krieg geführt. Aber Europa und die Vereinigten Staaten haben darauf nicht reagiert. Beide suchten keine Lösung mit Russland, weil diese die Akzeptanz einer Pufferzone bedeutet hätte. Das wäre vielleicht nicht sehr moralisch gewesen, hätte aber die Ukraine vor diesem Horror bewahret. Dadurch wäre es natürlich notwendig gewesen, zuzugeben, dass es eine neue Weltordnung gibt… Doch gerade das hatten die Ideologen liberaler Demokratien niemals erhofft.

Die Dekadenz des Westens

Somit aber hat der Westen nicht genug unternommen, um Wladimir Putin von seinem letzten großen Altersabenteuer abzuhalten. Denn der Westen war viel zu beschäftigt mit seinen eigenen törichten Debatten…: Als ob der Welt wichtigstes Thema die Hinzufügung des zwölften Buchstabens zu LMBTG im transfeministischen Kampf wäre, im Kreuzzug gegen konservatives Denken, Nation und Religion. Er ist in eine dekadente Verweichlichung eingetaucht.

Europa ist schwach

Selbst Europas Kernländer demontierten ihre Armeen. Bis zum 10. März hatten die Russen 184 Panzer in der Ukraine verloren. Es gibt aber immerhin noch mehr als 2.000 im aktiven Dienst, darunter 9.000 in Reserve. Die deutsche Bundeswehr hat insgesamt 266 Leopard-Panzer‑2 im aktiven Dienst; in Reserve, wenn es war ist, nichts. Der Leopard ist zwar viel besser als die jetzigen russischen Panzer im Kampf… Letztlich entscheidend sind aber die Proportionen. Europa ist schwach: Seine hübschen Operettenarmeen sind nicht sehr überzeugend. Außerdem gibt es nur wenige Soldaten für den Kampf, umso mehr aber Bürokraten in den meisten Armeen. Diese kleinen Berufsarmeen würden aber unter jenen Schlägen, welche die Ukrainer erhalten, schnell zusammenbrechen. Dort aber melden sich Menschenmassen freiwillig zum Kampf.

Das harmlose Europa hat keine Ideale, für die es sterben würde

Ein Großteil der europäischen Jugendlichen würde kaum für ihr Land sterben, wie es die Ukrainer jetzt tun.

Das ist natürlich nicht die Schuld der Jugend.  Denn: Was wird heute in den meisten europäischen Ländern über Heimat und Opferbereitschaft gelehrt? Überhaupt nichts. Krieg ist aber kein Klimaprotest. Es ist nicht einmal ein gewalttätiger BLM-Aufstand. Denn jetzt bekommen sie keine Pfeffersprays ab, sondern eine Kugel oder Granatsplitter. Wo in unserer heutigen Gesellschaft gibt es annähernd so viel Widerstand angesichts von Leid und Not wie in der Ukraine? Seien wir ehrlich: Wofür sollte ein europäischer Bürger angesichts bereits halb zerstörter europäische Nationen sterben? Für die liberale Demokratie? Ich bitte Sie ! Der heutige – von allen Seiten unter Beschuss gekommene westeuropäische Mann, würde höchstens für seine Familie sterben.

Die Antwort auf die Frage, welcher der großen europäischen Staaten einem russischen Angriff von dem Ausmaß, mit dem die Ukraine jetzt konfrontiert ist, standhalten könnte, ist also verblüffend einfach: Weder noch ! Denn weder die Moral, noch eine ausreichende Menge an Waffen sind vorhanden. Russland ist zwar nicht ein Riese, seine Schwächen haben sich bereits durch den Krieg gezeigt. Europa hingegen ist harmlos.

Amerika hat Willen und Stärke – Aber wie lange noch ?

Zumindest aber gibt es in den Vereinigten Staaten noch so etwas wie Stärke. Es gibt Waffen, und noch so etwas wie einen Willen. Zwar würden die meisten Amerikaner nicht für Europa in den Krieg ziehen. Nun schließen sich aber die Ränder der Linken und der Rechten: Beide dehnen sich ständig aus und werden immer mächtiger. Amerika existiert zwar heute noch, als das Herz der NATO, und es hatte Recht bekommen damit, ungläubige Europäer, einschließlich mir, vor Gefahren zu warnen. Aber wird Amerika in einem Jahrzehnt noch hier sein? Ich bin mir nicht sicher. Denn auch die USA sind von der „woke revolution“, der Aufarbeitung ihrer Geschichte, eingenommen.

Putin erkannte die Schwäche des Westens – Hat er Europa wchgerüttelt ?

Weil Putin diese Schwäche erkannte, startete einen dritten Krieg. Aber er tat dies so brutal, so zynisch und offenkundig, dass in Europa vielleicht eine Art Lebenswillen angestoßen wurde. Ja, wenn eine weitere Eskalation vermieden wird, und NATO und EU sich aus  dem Krieg heraushalten (was glücklicherweise das wahrscheinlichste Szenario ist), könnte diese russische Aggression sogar eine „Geschenk“ sein.

Europa muss sich besinnen

Wir müssen also die Dinge innerhalb der EU klären, und der jetzt entstandene Schock könnte die Mitgliedstaaten dazu bringen, der Vernunft Aufmerksamkeit zu schenken. Zuallererst muss der Selbstvernichtung Europas ein Ende gesetzt werden. Die EU darf nicht länger ein linksliberales Projekt sein, in dem alle anderen Ideen nur Nebensache sind. Einzelne Länder nicht auf die Straf- Bank gesetzt werden, weil sie anders über Werte wie Familie, Abtreibung oder andere Lebensbereiche denken. Denn was zum Zeitpunkt unseres, Ungarns, EU-Eintritts keine Norm war, sollte keine verbindliche neue Norm sein. Wer möchte, sollte sich dieser entziehen können. Beispiele dafür gäbe es viele. Nichts daran ist falsch, „vorwärts zu gehen“, es ist jedermanns eigene Sache, das Recht seiner Überzeugung. Ein anderer kann den Vorwärtsgang einlegen. Europa sollte durch diese Debatte nicht geschwächt werden.

Das Problem der europäischen Minderheitenfrage

Auch muss die beschämende und dumme Haltung der EU in der Frage gegenüber den nationalen Minderheiten ein Ende finden.

Inwiefern steht dies im Gegensatz zum vorherigen Punkt? Dass ein föderaleres Europa die Unterdrückten schützen würde? Vielleicht, aber heute sind wir noch nicht so weit. Trotzdem muss das aber heute schon gelöst werden. Denn alles ist auch ein grundlegendes Sicherheitsproblem. Unsere Zerstrittenheit.

Denn Europa kann nicht von außen geteilt werden…: Indem ein Land dem anderen vorschreibt, was als Familie gilt oder was Kindern in der Schule beigebracht werden darf, und ein anderes Land vorschreibt, was nicht dazu gehört. Sehr wohl aber, wenn man nationale Minderheiten in einigen Ländern als Minderheiten zweiter Klasse behandelt. Wir sprechen von vielen, vielen Millionen europäischen Bürgerinnen und Bürgern. Alle Kriege Russlands haben nationale Minderheiten als Gründe benutzt. Von den ersten, von Transnistrien bis Abchasien und Südossetien, der Krim und der Ostukraine. Russland war dazu in der Lage, weil alles ein echter Missstand oder sogar eine legitime Angst war.

Wenn jetzt in Osteuropa Länder mit großen nationalen Minderheiten dazu übergehen, die nationale Unterdrückung zu bewerkstelligen, geben sie den Russen oder jedem anderen, der unseren Kontinent spalten will, ein Werkzeug in die Hand. Besser wäre es also, die Frage zu lösen. Aber dazu braucht es Brüssel, wenn nicht die ganze Föderation.

Das Versagen einer gemeinsamen europäischen Identität

Ein wirklich föderales Europa ist sowieso unmöglich. In einer langen Zeit des Friedens hätte man vielleicht eine wirklich funktionierende gemeinsame europäische Identität aufbauen können. Eine Identität, für die ein Europäer bereit wäre zu sterben, wenn der Kontinent bedroht ist: entweder im Norden, an der finnischen Grenze oder vor der portugiesischen Küste. Was würde ein Portugiese heute tun, wenn das große Russland irgendwo in der Nähe von Helsinki an dessen Tür klopft? Da Finnland (noch) kein NATO-Mitglied ist, würde die Mehrheit der Europäer nichts anderes tun, als entsetzt zu sein. Die Finnen würden für ihr Volk kämpfen, vielleicht sogar für die Schweden. Vielleicht die Amerikaner. Aber die Südländer würden es nicht, weil es keine emotionale Bindung zueinander oder ein Interesse dafür gibt. Ich habe starke Zweifel, dass sich das ändern könnte: Denn Nationen scheinen der größte Baustein in diesem Jahrhundert zu sein, aber das spielt keine Rolle.

Dennoch: Die Zeit des friedlichen Aufbaus liegt nun Jahrzehnte zurück.

Die großen äußeren Bedrohungen gegen uns Europäer

Was es gibt, sind Nationen, die Europäische Union kann nur mit den bestehenden Nationen zusammenarbeiten. Doch bedrohen die Russen nicht alle davon in gleicher Weise. Allerdings: die äußere Bedrohung, die sehr wahrscheinliche Explosion des globalen Südens, ist oder sollte aber eine wahrnehmbare Bedrohung für alle von uns sein. Wir müssen uns einigen, sowohl gegen das, was im Süden vor sich geht, als auch gegenüber dem, was im Osten passiert. Auf Grundlage des gemeinsamen Interesses. Im Wissen, dass wir einander brauchen, aber wir brauchen zuallererst ein gerechtes Europa.

Demographie, Klimawandel, Verarmung durch Covid, Implosion des globalen Südens

Die Herausforderungen sind riesig. Tatsächlich gab es solche auch vor der russischen Aggression in der Ukraine. Die demografische Explosion, der Klimawandel, die Verarmung durch die COVID-Pandemie hatten alle eine gemeinsame Richtung: Destabilisierung. Die Supernova ist in Afrika und einigen arabischen Ländern längst explodiert. Der Zerfall hat allerdings erst begonnen, denn nur dessen Auftakt erreichte uns bisher. Und die kleineren Explosionen wie in Syrien, Afghanistan oder Libyen sind alle missverstanden und unverhältnismäßig behandelt worden. Die Tragödie in Äthiopien ist bis jetzt seltsamerweise unsichtbar geblieben, aus irgendeinem Grund gab es keine schrecklichen Bilder, und die Flüchtlingswelle fand (wahrscheinlich schreckliche) Unterkunft im Land selbst.

Der russisch-ukrainische Krieg hat diese Situation aber verschlimmert.

Wenn Moskau will, wird die Welt nicht genug Energie und nicht genug Nahrung bekommen. Aber selbst wenn Moskau das nicht will, werden die Kosten immens sein, und nicht nur die Erdöl produzierenden Länder Afrikas und des Nahen Ostens erschüttern.

Europa muss mit Waffen und „Männlichkeit“ seine Existenz verteidigen

Auch der Arabische Frühling begann mit rekordverdächtig hohen Lebensmittelpreisen, doch nun könnte es zu einer schweren Hungersnot kommen. Was als nächstes kommt, können wir nur gemeinsam bewältigen. Die deutsche Ankündigung zur Aufrüstung ist ein gutes Zeichen: Und verdient – unabhängig von der politischen Farbe der Berliner Regierung – Respekt. Europa muss in Zukunft bereits sein, sich mit Waffen gegen seine aggressiven Nachbarn zu verteidigen. Wir müssen bereit sein, Mauern zu bauen, sowohl physische als auch seelische. Wenn wir bestehen wollen, muss der traditionelle Wert von „Männlichkeit“ wieder in den Vordergrund treten; was natürlich nicht bedeutet, dass Frauen keine Kampfpilotinnen oder Firmenchefs werden können. Es kann uns aber nur stärker machen als diejenigen, die das eben nicht können.

Die Probleme für die nächste Generation: Nicht „offene Gesellschaft“ sondern Kriege…

Allerdings müssen aber die Dogmen losgelassen werden. Bei der nächsten Generation wird es nicht um offene Gesellschaften gehen, oder um liberale Visionen.

Es wird um Kriege, Belagerungen von Städten, Hunger oder sogar neue Epidemien gehen. Wenn wir Glück haben und uns darauf vorbereiten, wird all das hauptsächlich außerhalb Europas geschehen. Stärke wird weit mehr zählen als die schönste Ideologie.

Putins „Geschenk“ ist, dass er dies mit seiner barbarischen Aggression Europa rechtzeitig vor Augen geführt haben könnte.

Der Autor ist Leiter des Instituts für Geopolitik an der Budapester Universität Mathias-Corvinus-Collegium

Das Interview wurde von unserem Partner der internationalen Medien-Kooperation, Mandiner, übernommen.

Deutsche Übersetzung durch Elmar Forster

517qVZDEfdL._SY264_BO1204203200_QL40_ML2Unser Ungarn-Korrespondent Elmar Forster, seit 1992 Auslandsösterreicher in Ungarn, hat ein Buch geschrieben, welches Ungarn gegen die westliche Verleumdungskampagne verteidigt. Der amazon-Bestseller  ist für UM-Leser zum Preis von 17,80.- (inklusive Postzustellung und persönlicher Widmung) beim Autor bestellbar unter <ungarn_buch@yahoo.com>


Bitte unterstützen Sie unseren Kampf für Freiheit und Bürgerrechte.

Für jede Spende (PayPal oder Banküberweisung) ab € 10.- erhalten Sie als Dankeschön auf Wunsch ein Dutzend Aufkleber „CORONA-DIKTATUR? NEIN DANKE“ portofrei und gratis! Details hier.




Ähnliche Nachrichten