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Die blaue Welle im Ruhrgebiet
Zwischen Dortmund und Duisburg fürchtet man bei den Kommunalwahlen die „blaue Welle“. Keine Überraschung: Das Ruhrgebiet ist das Brennglas für alle Probleme, die Deutschland ruinieren. Zwischen Deindustrialisierung und Migration ist hier schon real, wovor die AfD warnt.
von Max Roland
Kommunalwahlen sind eigentlich nicht das politische Top-Event. Sie sind eigentlich die langweiligste Form von Demokratie, denn hier geht es nicht um die großen politischen Fragen und Gegensätze, sondern um das Praktische, um Fragen vor Ort – um „Kleinkram“, wie man in Berlin oft zu meinen scheint. Dennoch ist der Blick des ganzen Landes auf hunderte Rats- und Bürgermeisterwahlen in Nordrhein-Westfalen gerichtet: Am 14. September sind Kommunalwahlen im bevölkerungsreichsten Bundesland. Und alle Augen richten sich vor allem auf eine Partei und ihr Abschneiden: die AfD.
Die „blaue Gefahr“ geht jetzt, um es mit Herbert Grönemeyer zu sagen, tief im Westen um: Insbesondere im Ruhrgebiet könnte die AfD mehr als nur Achtungserfolge einfahren, sondern ein kleines Beben auslösen. Der erste AfD-Bürgermeister oder Landrat in Westdeutschland? Ausgeschlossen ist das nicht mehr.
Dass dieses Szenario sich ausgerechnet im Ruhrgebiet, der vielbeschworenen „Herzkammer der Sozialdemokratie“ entfalten könnte, löst bei den Genossen einen Infarkt aus. Aber nicht nur bei ihnen: Auch Ministerpräsident Hendrik Wüst fürchtet, wie die Wirtschaftswoche titelt, einen „Rechtsruck im Revier“. Kein Hirngespinst: Die AfD hat am 14. September gute Chancen auf ein rekordverdächtiges Abschneiden bei den Kommunalwahlen. Das attestiert auch SPD-Mitglied Manfred Güllner, Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa. Er sieht Anzeichen für eine beschleunigte „Westwanderung“ und eine „flächendeckende Verankerung“ der AfD in NRW.
Es wäre der erste stabile West-Anker für die Partei, die bis dahin ja eher als ostdeutsche Kraft galt. Einer der Orte, an denen sich das bald ändern kann, ist eben das Ruhrgebiet. Kein Wunder: Hier laufen viele strukturelle und gesellschaftliche Probleme zusammen, auch jene, die der AfD ihre Existenzberechtigung geben.
Etwa der viel beklagte „Strukturwandel“, der die alten Industrielandschaften in NRW mittlerweile härter trifft als den Osten Deutschlands. Die Exportquote und der Industrieanteil sind in vielen Teilen des Ruhrgebiets niedriger als in Sachsen oder Thüringen, im Osten, etwa in Sachsen, wird weitaus mehr und breiter investiert als zwischen Dortmund und Duisburg. Das Ruhrgebiet weist eine ähnlich schwache Einkommensstruktur wie viele ostdeutsche Regionen auf, hat aber keine vergleichbare Dynamik im Abbau der Arbeitslosigkeit gezeigt.
Viele Städte zeigen das exemplarisch. Gelsenkirchen etwa hat im Zuge des Strukturwandels seit der Jahrtausendwende die Hälfte der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze und ein Drittel seiner ursprünglich 400.000 Einwohner verloren. Und mit ihnen auch die einst starke SPD-Basis in der Stadt. Doch die schrumpft immer weiter und weiter, so wie Gelsenkirchen selbst.
Bei der Bundestagswahl 2025 holte die SPD noch das Direktmandat in der Stadt – worüber angesichts des bockstarken AfD-Ergebnisses von 25,8 Prozent aber niemand gesprochen hat. Vor allem brach sich die Verwunderung darüber Bahn, wie denn ausgerechnet tief im Westen die AfD so stark sein könne.
Viele Erklärungsmuster, die man seit Jahren auf Ostdeutschland angewendet hat, passen scheinbar auch hier: Man könnte jetzt über wirtschaftlichen Strukturwandel referieren, von oben herab irgendwelche „Abstiegsängste“ beschreiben. Beides greift eindeutig zu kurz. Viel bemerkenswerter ist ein paralleler, politischer Strukturwandel, der insbesondere die SPD betrifft.
Ihre Schwäche im Ruhrgebiet ist kein Zufall und auch nicht das Verdienst der AfD – sondern hausgemacht. Es ist kein Wunder, dass zunächst die CDU die SPD nicht nur überholt, sondern als führende Kraft im größten Bundesland vollumfänglich verdrängt und ersetzt hat. Ob in Essen, Oberhausen oder anderswo – oft regieren in der Herzkammer der Sozialdemokratie längst Christdemokraten. Sogar in der Landesregierung in Düsseldorf, wo die Staatskanzlei über Jahrzehnte rot war, sticht Hendrik Wüst mit der Methode Merkel die SPD konsequent aus.
Die relative Stärke der AfD und die absolute Schwäche der SPD – sie sind zwei Seiten derselben Medaille. Das eine Phänomen ist ohne das andere nicht zu erklären. Während die SPD sich von ihrem alten Kernklientel, der Arbeiterschaft, abgewendet hat, füllt die AfD genau diese Lücke. Die Sozialdemokratie ist hingegen zur politischen Kraft der Transferleistungsempfänger und Rentner geworden. Was polemisch klingt, vertraten nach der Bundestagswahl selbst ein Drittel der SPD-Wähler: Die Partei kümmere sich mehr „um Bürgergeldempfänger als um Leute, die hart arbeiten und wenig Geld verdienen“. So eine Infratest-Dimap-Umfrage im Auftrag der ARD unmittelbar nach der Wahl im Februar.
In den Augen vieler ehemaliger SPD-Wähler setzt sich die Partei mittlerweile mehr für gerade eingewanderte Ausländer ein als für eine solide Industriepolitik und die Zukunft ihrer Arbeitsplätze. Dazu kommt der nicht unberechtigte Eindruck, dass die Sozialdemokratie in ihren langen Regierungsjahren den Niedergang in NRW wie auch im ganzen Land eher verwaltet hat, als ihn zu bekämpfen.
Natürlich ist all das nicht im luftleeren Raum – auch die ökonomische Schwäche, für die sich die „Altparteien“ eben in den Augen vieler Menschen verantwortlich zeichnen, bestärkt die negative Lage und unterstreicht: Das Ruhrgebiet ist das, was der Osten einst war. Zwischen Elbe und Oder geht es bergauf, an der Ruhr nur bergab. Eine Studie des Deutschen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) hielt 2024 fest, dass sich die durchschnittliche Arbeitslosenquote im Osten um 1,7 Prozentpunkte verbessert und im Westen um 0,2 Prozentpunkte verschlechtert hat. Von den Städten und Landkreisen mit der höchsten Arbeitslosigkeit war 2024 mit der Uckermark nur noch eine Körperschaft aus dem Osten vertreten. Das Ruhrgebiet stellt hingegen die Hälfte der genannten Städte und führt die Liste mit Gelsenkirchen an – auch Duisburg, Hagen und Dortmund sind prominent vertreten.
Auf diese neue Strukturschwäche prallt die Migration mit Wucht. Nicht primär die Migration der Polen und Türken, sondern die der jüngst Eingewanderten. Allein hunderttausende Syrer leben im Ruhrgebiet, schätzungsweise bis zu 200.000. Zwischen 2015 und 2024 zogen insgesamt 960.000 Ausländer nach Nordrhein-Westfalen, viele davon ins Ruhrgebiet. Das Ergebnis: In Städten wie Gelsenkirchen und Dortmund sind mittlerweile über 40 Prozent aller Arbeitslosen keine deutschen Staatsangehörigen. Sie sind damit, gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil, etwa doppelt überrepräsentiert.
Damit verbunden ist Kriminalität, auch und maßgeblich die Zugewanderte. Das Ruhrgebiet ist ein Schwerpunkt für Clankriminalität: Allein zwischen 2016 und 2018 wurden etwa 6.500 Verdächtige aus 104 Clans für über 14.000 Straftaten verantwortlich gemacht, insbesondere in Essen und Duisburg. Dort und an Orten wie Duisburg-Marxloh gibt es auch eine starke Armuts- und Kriminalitätszuwanderung aus Südosteuropa, maßgeblich Bulgarien und Rumänien.
Ein bemerkenswertes Produkt dieser Migrationsbewegungen: Immer mehr Deutsche mit Migrationshintergrund wählen die AfD, insbesondere in NRW und im Ruhrgebiet. Eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung zeigte 2021, dass etwa fünf bis zehn Prozent der türkeistämmigen Wähler in Deutschland mittlerweile die AfD in Betrachtziehen.
Eine Umfrage der Universität Duisburg-Essen ergab 2023, dass diese Quote im Ruhrgebiet tendenziell höher ist: Etwa acht Prozent der türkischstämmigen Befragten im Ruhrgebiet äußerten Sympathien für die AfD, vor allem aus Protest gegen etablierte Parteien und aus Sorge vor neuerer Migration.
Eine Studie des Zentrums für Türkeistudien hielt dahingehend 2022 fest, dass einige Türkischstämmige, die seit Jahrzehnten in Deutschland leben, sich von neueren Migranten wirtschaftlich oder kulturell bedroht fühlen oder ihre mangelnde Integration in die deutsche Gesellschaft beklagen. Oft haben Einwanderer oder ihre Nachfahren, die Integrationsleistungen selbst unter nicht immer einfachen Bedingungen erbracht haben, deutlich weniger Verständnis für solche Entwicklungen bei neueren Migranten als manch ein Abstammungsdeutscher.
Auch das ist fast wieder eine Milieustudie in einer Milieustudie: Durch die Gastarbeiter-Migration ist die Arbeiterschaft insbesondere im Ruhrgebiet auch türkisch geprägt. In Städten wie Duisburg leben in manchen Bezirken bis zu 30 Prozent Türken oder ihre eingebürgerten Nachfahren. Sie kamen, um zu arbeiten, „malochten“ neben ihren deutschen Kollegen und wählten genauso traditionell die SPD. Auch das geht zu Ende. Mittlerweile sehen sie sich von Migranten umgeben, die, anders als sie oder ihre eingewanderten Vorfahren, allzu oft nicht zum Arbeiten, sondern zum Bürgergeldbeziehen gekommen und geblieben sind.
Sie alle sind Wähler, die nicht die SPD verlassen haben, um zur AfD zu gehen: Die SPD war es, die ihre Wähler verlassen hat. In ganz Deutschland, aber besonders im Ruhrgebiet. Mittlerweile steht der Genderqueere, der Bürgergeldempfänger oder der illegale Einwanderer im Zentrum des politischen Wirkens der Sozialdemokratie: nicht mehr der deutsche Malocher und auch nicht sein türkischstämmiger Kollege. Für sie bietet die SPD schlicht keinen Mehrwert mehr – die AfD hingegen holt sie oft dort ab, wo sie sind.
Hier verfällt Deutschland, wie es mal war und wie es von allen geliebt und geschätzt wurde. Die wirtschaftliche, industrielle Stärke verschwindet nicht nur, man lässt sie ziehen. Stadtbilder werden durch massenhafte Armutsmigration radikal verändert, was nicht nur Manfred und Anna, sondern auch Murat und Ayşe stört. Die AfD ist die einzige Partei, die all das glaubhaft kritisiert und unumwunden anspricht – warum sollte man sie nicht wählen, fragen immer mehr Menschen im Ruhrgebiet, die nichts zu verlieren haben. Schlimmer als die etablierten Parteien kann sie es ja nicht machen.
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