Horst D. Deckert

„Die Bürgschaft“ – nicht nach Schiller, diesmal nach Merz

Von MEINRAD MÜLLER | Ein Bürge ist eine ernste Angelegenheit. Wer sich bereit erklärt, für einen anderen einzustehen, haftet mit seinem guten Namen, seinem Einkommen, seinem Besitz. Die meisten Menschen tun das nur in Ausnahmefällen. Zum Beispiel für die Familie.

Stellen wir uns folgenden Fall vor: Ein junger Mann, gerade mit der Ausbildung fertig, verdient noch wenig, will sich aber unbedingt einen teuren Wagen leisten, sagen wir, einen Lamborghini. Die Bank schüttelt den Kopf: Zu jung, zu wenig Einkommen, zu riskant. Doch dann erscheint der Großvater, solvent, erfahren, mit Haus und Erspartem. Die Bank ändert ihre Meinung. Denn nun gibt es einen Bürgen. Nicht weil der Enkel zahlungsfähig wäre, sondern weil der Großvater mit seinem guten Namen für ihn einsteht. Das Geld wird ausgezahlt.

Genau dieser Mechanismus ist es, der am 18. März im Deutschen Bundestag in ganz anderer Dimension wirksam wurde. 517 Abgeordnete stimmten an diesem Tag für eine staatliche Kreditaufnahme in Höhe von 1,7 Billionen Euro. Rechnet man das herunter, ergibt das rund 3,29 Milliarden Euro pro Abgeordnetem – eine Summe, die kein einzelner Volksvertreter je selbst erhalten würde. Kein Abgeordneter, so großzügig seine Diäten auch bemessen sein mögen, wäre für solch einen Betrag kreditwürdig.

Und doch wurde die Darlehensbeantragung bewilligt. Nicht wegen der Kreditwürdigkeit der Abgeordneten, sondern wegen des Bürgen. Und dieser Bürge ist der Bürger. Ohne gefragt worden zu sein. Ohne dass man seine Unterschrift eingeholt hätte. Ohne Wahl.

Während der Enkel seinen Großvater vermutlich bittet, für den Kredit zu bürgen, damit der Wunschtraum vom Luxusauto Wirklichkeit werden kann, wird im Staatswesen nicht einmal gefragt. Der Bürge steht bereit, ob er will oder nicht. Er muss haften.

Kreditverträge sterben nicht

Dieser stille Bürge trägt nicht nur das Risiko. Er zahlt auch den Preis. Mit seinen Steuern, seinen Abgaben, seinem Vertrauen. Und nicht nur er, auch seine Kinder und Enkel gleich mit. Denn Schulden, die der Staat heute aufnimmt, begleiten uns über Generationen. Menschen sterben, Kreditverträge nicht. Sie bleiben bestehen – und lasten auf jenen, die nie gefragt wurden, ob sie das wollten.

In Schillers berühmter Ballade „Die Bürgschaft“ ist die Sache klar geregelt: Ein Freund stellt sich freiwillig als Bürge, wissend, was auf dem Spiel steht. Er tut es aus Liebe, aus Vertrauen, aus freier Entscheidung. Und am Ende ist es gerade diese freiwillige Treue, die sogar das Herz des Tyrannen erweicht:

„So nehmet auch mich zum Genossen an,

ich sei, gewährt mir die Bitte,

In eurem Bunde der Dritte.“

Doch in unserem Fall fragt niemand nach Freiwilligkeit. Der Bürger wird zum Bürgen degradiert durch Beschluss. Und das Grundgesetz, einst geschaffen als Bollwerk der Freiheit, bietet den rechtlichen Rahmen. Es erlaubt den Abgeordneten, Entscheidungen von enormer Tragweite zu treffen ohne Zustimmung des Volkes, ohne Rückbindung an die Generationen, die zahlen müssen.

Die Väter des Grundgesetzes haben sich ein solches Szenario vermutlich nicht vorgestellt. Dass sich Volksvertreter wie Prokuristen verhalten könnten, die ohne Haftung die Zukunft verpfänden, das war wohl außerhalb ihres geistigen Horizonts. Die „Firma Deutschland“ wird geführt wie ein Betrieb, dessen Geschäftsführer keine Rücklagen brauchen, weil ein stiller Bürge jederzeit einspringt. Nein, einspringen muss.

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Meinrad Müller.

Meinrad Müller (71), Unternehmer im Ruhestand, kommentiert mit einem zwinkernden Auge Themen der Innen-, Wirtschafts- und Außenpolitik für diverse Blogs in Deutschland. Der gebürtige Bayer greift vor allem Themen auf, die in der Mainstreampresse nicht erwähnt werden. Seine humorvollen und satirischen Taschenbücher sind auf Amazon zu finden. Müllers bisherige Beiträge auf PI-NEWS gibt es hier, seinen Ratgeber für Hobbyautoren hier.

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