Horst D. Deckert

Die deutschen Fußballfinger

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Die deutschen Fußballfinger

Nationalspieler Antonio Rüdiger bestreitet, dass sein Zeigefinger, für den ihn Islamisten und Kalifats-Jünger feiern, als islamistisches Zeichen gedacht war. Viel hat sich im Zeichensetzer-Land verändert, seit es zuletzt einen Fußball-Finger-Skandal gab. Eine kleine Zeitreise am Rande von großen Fußball-Events.

vom Peter Grimm

Es ist Sonntag, und der dritte Tag der Fußball-Europameisterschaft. Normalerweise muss sich ja nur der Sonntagsfahrer darüber Gedanken machen, wie dieser Platz mit einem erbaulichen Text gefüllt wird, aber der ist bekanntlich im wohlverdienten Urlaub. Vor einer Woche war die Urlaubsvertretung noch leicht. Da war Wahlsonntag, und angesichts so vieler Wahlen, die am 9. Juni anstanden, drängte sich ein „Wort zum Wahlsonntag“ förmlich auf. Aber heute? Heute reden alle über die Fußball-EM, die sich somit nicht ignorieren lässt. Dummerweise interessiert mich Fußball nicht, weshalb ich auch zu der verschwindenden Minderheit derer gehöre, die davon so wenig Ahnung haben, dass sie selbige nicht einmal simulieren könnten. 

Ja, ich höre Sie jetzt sagen, dass doch jeder Journalist in der Lage sei, selbst bei größter fachlicher Inkompetenz zu jedem Thema schnell ein Textbaustein-Wolkenkuckucksheim von beeindruckender Größe zu errichten. Ich will auch gar nicht leugnen, dass ich das vielleicht könnte, wenn ich wollen würde. Möglicherweise gibt es auch in einer dunklen Ecke einen alten verdrängten Beitrag, in dem ich genau das getan habe. Aber bei Achgut dürfen sich die Autoren tatsächlich noch auf die Themenbereiche konzentrieren, zu denen sie wirklich etwas Substanzielles zu sagen haben. Da wäre ich dann mit einem Text über Fußball sozial auffällig.

Im Zusammenhang mit einem Fußball-Großereignis gibt es gottlob auch immer kleine oder größere Aufregerthemen, die mit dem Sport an sich nichts zu tun haben. Und eines davon war schnell gefunden, quasi durch einen göttlichen Fingerzeig aus der deutschen Nationalmannschaft. 

Islamisten, die den Finger feiern

Nationalspieler Antonio Rüdiger hatte in den letzten Wochen seinen rechten Zeigefinger im Namen Allahs gehoben und mit diesem, Tauhid genannten, Fingerzeig für einiges Aufsehen gesorgt. Auch Fußball-Ignoranten konnten die Nachrichten vom Fingerspiel eines muslimischen Fußballers nicht übersehen. Die Badischen Neuesten Nachrichten (BNN) schrieben:

„Pünktlich zum EM-Start gibt es erneut Ärger um den deutschen Star-Verteidiger Antonio Rüdiger, und zwar abseits vom Rasen. Stein des Anstoßes: Nun kursiert ein Foto von Rüdiger im Nationaltrikot, auf dem er mit dem rechten Finger die umstrittene islamische Tauhid-Geste zeigt – und die Islamisten der Vereinigung „Generation Islam“ feiern ihn in den sozialen Medien dafür. „Allahu Akbar!“ (deutsch: Gott ist am größten) haben sie auf ihrem X-Auftritt über das Foto des deutschen Fußballnationalspielers geschrieben.“ 

Und die Islamisten, die das Fingerspiel des Fußballers feiern, sind nicht nur irgendwelche Radikalen, deren Treiben man mit einem liberalen Lächeln tolerant übersehen sollte, vermerkt Michael Hanfeld in der FAZ:

„Gefeiert wurde Rüdiger schon von „Muslim Interaktiv“, das gegen die in Deutschland angeblich herrschende „Wertediktatur“ hetzt. Und auf dem X-Account der extremistischen Bewegung „Generation Islam“, einer Tarntruppe der in Deutschland verbotenen Bewegung Hizb ut-Tahrir, die gezielt und gekonnt junge Leute auf Social Media und im Netz anspricht und aufstachelt, ist Rüdiger nun ein Posterboy: „Allahu Akbar!“, der Abwehrspieler im Nationaltrikot, Tauhid-Finger, fertig ist – pünktlich zum Beginn der Fußball-Europameisterschaft – die Werbung fürs Kalifat.“ 

Für das Finger-Foto im Trikot ist allerdings nicht der Spieler, sondern die Europäische Fußballunion UEFA, die verschiedene Nationalspieler zum Fotoshooting mit Jubelposen gebeten hatte, verantwortlich. Den ausgestreckten Zeigefinger hielt man bei der UEFA für „eine typische Pose des Feierns“ und „nicht mit religiösen und/oder politischen Implikationen zu verbinden“, wie es in Antworten auf Presseanfragen hieß.

Mehr als nur ein Glaubensbekenntnis?

Auch wenn wir uns kurz von Allah abwenden: Fragen Sie sich an dieser Stelle nicht auch, wie es um die mentale Gesundheit der europäischen Fußballfunktionäre steht, wenn sie einen erhobenen Zeigefinger für „eine typische Pose des Feierns“ halten? Ich hätte den Finger eher mit mahnenden Worten oder erzieherischen bzw. autoritären Ansagen in Verbindung gebracht, weniger mit Jubeln und Feiern. Wie glaubwürdig ist, dass sich keiner der Beteiligten über die „religiösen und/oder politischen Implikationen“ im Klaren gewesen sein soll? Immerhin hatte Rüdigers erhobener Finger die Presse schon einmal im März beschäftigt:

„Der erhobene Zeigefinger des Fußballspielers Antonio Rüdiger war vor ein paar Wochen schon einmal Thema. Da verbreitete er zu Beginn des Ramadans auf Instagram ein Gebetsbildchen von sich und schrieb: „Möge der Allmächtige unser Fasten und unsere Gebete annehmen.“

Seine Religiosität behandelt Rüdiger also nicht als Privatsache, der Chefredakteur des Portals Nius, Julian Reichelt, machte das zum Skandal. Der „Tauhid“-Finger, also der erhobene Zeigefinger der rechten Hand, ist nämlich nicht nur ein muslimisches Glaubensbekenntnis, er ist das Erkennungszeichen von Islamisten wie der Terrorgruppe IS“. 

Die BNN ergänzen:

„Der frühere Chefredakteur von „Bild“ hatte im März schon die Skandaldebatte um Rüdigers Foto mit Gebetsgewand und gen Himmel gerecktem Tauhid-Zeigefinger ins Rollen gebracht und warf dem Fußball-Nationalspieler vor, die Geste von Terroristen zu zeigen. Rüdiger reagierte mit einer Anzeige gegen Reichelt, wegen Volksverhetzung.“

„Unerwünschte Bedeutungszusammenhänge“

Darum muss sich nun die Justiz kümmern. Immerhin konnte, wer wollte, schon seit März wissen, dass die Islamisten Bilder von Rüdiger mit dem erhobenen Zeigefinger für ihre Zwecke nutzen.

„Klare Distanzierungen Rüdigers zu den islamistischen Gruppierungen, die mit ihm werben, sind nicht bekannt“, schreiben die BNN. Dazu ist der Spieler auch nicht verpflichtet, aber von Seiten der Verbände hätte man angesichts dieser Fingerzeige auf einen weiteren beim Fotoshooting vielleicht verzichten sollen. 

Michael Hanfeld fasste es in der FAZ so zusammen:

„Eine schönere Vorlage konnten sich die Islamisten gar nicht wünschen. Bei der UEFA und beim DFB scheint es um kulturelles Weltwissen nicht besonders gut bestellt zu sein. Statt erhobenen Zeigefingers wäre ein rechtzeitiger Fingerzeig auf unerwünschte Bedeutungszusammenhänge vonnöten gewesen. Den Ball haben sich die Funktionäre selbst ins Tor gelegt. Dieser Zeigefinger geht nicht mehr weg.“

Das ist ja alles nicht neu und wer redet jetzt, nach dem Sieg im Eröffnungsspiel, noch über einen Fußballer-Finger? Der Fingerzeig ist der beste Anlass für eine kleine Zeitreise am Sonntag. Die Älteren erinnern sich vielleicht: Vor 30 Jahren gab es schon einmal einen Fußballer-Fingerzeig, der für große Aufregung sorgte und die Funktionäre auf den Plan rief. Allerdings hatte der damals noch nichts mit dem Islam oder gar Islamismus zu tun. So islamisiert, äh … Pardon, vielfältig war die Bundesrepublik vor drei Jahrzehnten noch nicht. Es ging auch nicht um den Zeigefinger, sondern um den Mittelfinger des damaligen Nationalspielers Stefan Effenberg bei der Fußball-WM 1994 in den USA. 

Der WDR erinnerte an dieses Ereignis vor zehn Jahren so:

„Nach zwei mittelmäßigen Spielen in der Vorrunde trifft Deutschland am 27. Juni auf Südkorea. In der Cotton Bowl von Dallas kann die müde Truppe von Bundestrainer Berti Vogts wieder nicht überzeugen. Vor allem der gewohnt arrogant agierende Effenberg erntet von den DFB-Fans gnadenlose Pfiffe. Nach einer gelben Karte holt Vogts den testosterongeladenen Mittelfeldstar vom Platz. Als deutsche Fans Effenbergs Abgang auch noch lautstark mit abfälligen Kommentaren quittieren, zeigt ihnen der angefressene „Tiger“ höhnisch lächelnd den ausgestreckten Mittelfinger.

Auf den skandalösen Stinkefinger gibt es für Bundestrainer Vogts nur eine Antwort: Er wirft Effenberg aus dem Kader und teilt der versammelten Weltpresse mit: ‚Solange ich für die Nationalmannschaft verantwortlich bin, wird Stefan Effenberg nicht mehr für Deutschland spielen.‘ DFB-Präsident Egidius Braun, entrüstet bis ins Mark, stärkt Vogts den Rücken: ‚Da geht so ein Mensch hin… und erlaubt sich solche Obszönitäten. Lieber gar keine Nationalmannschaft als so eine.‘“

In einem anderen Rückblick wurde Braun mit den Worten zitiert: 

„Lieber keine Nationalmannschaft, als eine Nationalmannschaft ohne Vorbildfunktion.“

Mehr Mittelfinger wagen?

Irgendwie passt das etwas krawallige Fingerspiel des Jahres 1994 um Stefan Effenberg besser zum Fußball, als die Diskussion darüber, wie islamistisch der Zeigefinger von Antonio Rüdiger ist. Der frühere Finger-Fall hatte großen Unterhaltungswert, ohne dass der Atem einer gefährlichen und mörderischen Ideologie mit im Spiel war. Ohnehin war die Politisierung des Fußballs in der Form, in der sie beispielsweise zur WM in Katar mit den Regenbogen-Armbinden aufgeführt wurde, seinerzeit in der Bundesrepublik noch undenkbar, trotz aller angemahnten „Vorbildfunktion“.

Am Zeigen des Zeigefingers gibt es auch weniger Kritik als am Mittelfinger, was insofern nicht verwundert, als beim Mittelfinger weitaus geringere Interpretationsmöglichkeiten bestehen. Vielleicht sollte einfach jemand Antonio Rüdiger mal den Vorschlag machen, dass er, nachdem er den Zeigefinger gezeigt hat, den Islamisten den Mittelfinger zeigt, um alle Unklarheiten zu beseitigen.

Gut, ob man den Mittelfinger zeigen will oder nicht, das ist auch eine Stilfrage. Das kann man nicht von jedem verlangen. Aber eine Distanzierung davon, dass Islamisten mit einem werben, wäre bei einem Nationalspieler vielleicht schon angemessen, oder? Ja, ich weiß, die sollen sich ja jetzt auf Fußball konzentrieren, und da bin ich, wie geschildert, thematisch raus. Da mache ich dann ganz harmonisch zum Schluss einen Vorschlag zum Schönreden: Solange Islamisten einen deutschen Nationalspieler als ihren Helden feiern, sind sie vielleicht auch nicht zu Anschlägen auf die EM motiviert. Ist das hinreichend optimistisch für heute?

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