Von REDAKTION | Einen Tag vor Reise von Wladimir Putin nach Peking, um am «Dritten Belt & Road Forum» in Peking persönlich teilzunehmen, gab die Präsidentschaftskanzlei Russlands der China Media Gruppe die Gelegenheit, Fragen an Wladimir Putin zu richten, welche die Bevölkerung der Volksrepublik China besonders bewegt und interessiert.
Es zählt mittlerweile zu den Gepflogenheiten beider großen Nationen vor bedeutenden Gipfeltreffen Stellungnahmen höchster Regierungsvertreter persönlich abgeben und öffentlich bekannt machen zu lassen.
Was einen Staatsmann von Welt von politischen «Gesinnungsopportunisten» unterscheidet
Wang Guan: Herr Präsident!
Zunächst einmal möchte ich Ihnen zu Ihrem Geburtstag, den Sie kürzlich feierten, gratulieren. Wie war es?
Wladimir Putin: Ich danke Ihnen sehr. Ich habe ihn mit Freunden und meiner Familie gefeiert. Es lief fein!
Wang Guan: Ich muss sagen, dass Sie in großartiger Form wirken. Wie schaffen Sie es, sich Zeit für körperliche Betätigungen zu gönnen?
Wladimir Putin: Gott sei Dank, ja. Ich denke, das ist in erster Linie notwendig, um hart arbeiten zu können. Sport ist kein Selbstzweck. Aber es ist ein Mittel, um wirklich wichtige Ziele zu erreichen, eine Gelegenheit, hart zu arbeiten und notwendige Ergebnisse zu erzielen.
Wang Guan: Wir sind einige Informationsmaterialien durchgegangen und fanden, dass Sie in den Jahren zwischen 2015 und 2017 mit dem Hockeytraining begannen und Eishockey erlernten. Sie haben sich so gut geschlagen und viele Tore erzielt.
Wladimir Putin: Ja, ich habe erst vor zehn Jahren mit dem Eislaufen begonnen. Davor war ich nicht mal in der Lage, auf Schlittschuhen zu stehen. Aber vor zehn Jahren habe ich es versucht und dann angefangen zu spielen, und ich bin immer noch dabei. Es macht mir Spaß. Mannschaftssportarten sind sehr interessant und aufregend: Sie verlangen Aufmerksamkeit und ermöglichen eine Pause vom Alltag.
Wang Guan: Sie haben also Schlittschuhlaufen und Eishockey gleichzeitig erlernt?
Wladimir Putin: Ja, natürlich. Für mich war es genau dasselbe.
Ich hoffe, dass sich auch die sportliche Zusammenarbeit mit unseren chinesischen Freunden aktiv weiterentwickeln wird. Wushu [eine Form der traditionellen chinesischen Kampfkunst] ist in Russland sehr populär. Ich hoffe, es nimmt noch zu. Wir möchten unseren chinesischen Freunden auch unsere nationalen Kampfkünste, wie wir sie nennen, zeigen, wie zum Beispiel das Sambo-Ringen (Selbstverteidigung ähnlich dem Jiu-Jitsu].
Ich werde dieses Thema auf jeden Fall während meines Besuchs mit Ihrem Präsidenten ansprechen und vorschlagen, dass wir beidseitig zusammenarbeiten und ihn ersuchen, Initiativen von jungen Menschen und Sportlern zu unterstützen, um die Zusammenarbeit im Sport fördern.
Wang Guan: So, lassen Sie uns mit dem Interview beginnen.
Wladimir Putin: Bitte, fahren Sie fort.
Wang Guan: Herr Präsident!
Zunächst einmal möchte ich Ihnen dafür danken, dass Sie sich bereit erklärten, der China Media Group ein Interview zu geben. Ich weiß, dass Sie seit den letzten zwei Jahren das erste Mal einem chinesischen Fernsehsender ein Interview geben.
Im März 2023 wurde eine gemeinsame russisch-chinesische Erklärung verabschiedet, aus der hervorgeht, dass die Beziehungen zwischen den beiden Ländern auf dem höchsten Stand aller Zeiten wären.
Sie sagten kürzlich im Valdai-Diskussionsklub, dass die russisch-chinesische Zusammenarbeit einen wichtigen stabilisierenden Faktor in globalen Angelegenheiten darstelle. Könnten Sie bitte die Entwicklungsperspektiven der russisch-chinesischen Beziehungen nach Ihrer Einschätzung näher erklären?
Wladimir Putin: Die Beziehungen zwischen Russland und China – ich sage Ihnen, was mir zu Ihrer Frage sofort einfällt – haben sich weder nach dem momentanen globalen Umfeld orientiert, noch basieren sie auf kurzfristigem politischen Opportunismus: Die russisch-chinesischen Beziehungen sind über zwanzig Jahre in umsichtiger, schrittweisen Entwicklung gewachsen. Bei jedem Schritt haben sich die russische wie auch chinesische Seite von den ihren Erachtens nationalen Interessen leiten lassen. Während sie die andere Seite ermutigten, den nächsten Schritt zu tun, haben beide Seiten stets die Meinungen und Interessen der jeweils anderen Seite berücksichtigt. Wir haben immer versucht, einen Kompromiss zu finden, selbst bei komplizierten Fragen, die noch aus alten Zeiten herrührten.
Unsere Beziehungen waren immer von gutem Willen geprägt. Das hat uns geholfen, die offenen Fragen der Grenzziehung nach 40 Jahren zu lösen. Unser gemeinsamer Wunsch, alle möglichen Hindernisse für unseren gemeinsamen Fortschritt in der Zukunft zu beseitigen, war so groß, dass es uns gelang, einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiss zu finden. Danach begannen wir, die wirtschaftliche Zusammenarbeit auszubauen, ebenfalls schrittweise, indem wir Nischen, die zuvor noch andere Länder in unseren Beziehungen besetzt hielten, auszufüllen, aber nicht so effektiv gestalten konnten, wie unsere wechselseitige Zusammenarbeit auf einem bestimmten Gebiet. Zum Beispiel im Energiebereich, der in unseren Beziehungen einen besonderen Platz einnimmt. Russland steht heute bei chinesischen Partnern an erster Stelle, wenn es sich beispielsweise um die Lieferung von Energie nach China, gemessen am Wert, dreht.
China wurde nach und nach zum ersten Handelspartner Russlands, was den Handelsumsatz betrifft und Russland stieg progressiv auf den sechsten Platz unter den Handels- und Wirtschaftspartnern Chinas auf.
Das möchte ich noch anmerken: Wir hatten zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Verhältnisse bei den Exporten und Importen. Wir haben unsererseits versucht, den Bedarf der chinesischen Wirtschaft zu decken und unsere chinesischen Freunde haben unsere Ansichten zu einigen Ungleichgewichten, insbesondere im Handel mit Industriegütern, nie ignoriert. Wir haben die Handelsbilanz Schritt für Schritt und Jahr für Jahr erhöht und verbessert. Auf diese Weise kommen wir in fast allen Bereichen voran.
Ganz zu schweigen von der Rolle, welche die russisch-chinesischen Beziehungen zur Sicherung der Stabilität in der Welt spielen. Die Beziehungen zwischen Russland und China bilden dafür einen grundlegenden Faktor.
All dies zusammen bringt uns zum Schluss, dass wir uns in die absolut richtige Richtung sowohl im Interesse des chinesischen wie auch russischen Volkes bewegen.
Wang Guan: Herr Präsident!
Sie haben gerade die handelspolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Russland und China erwähnt. Einst wurde das Ziel formuliert, bis 2024 einen Handelsumsatz von 200 Milliarden US-Dollar zu realisieren. Tatsächlich sind beide Seiten im Jahr 2022 diesem Ziel nahegekommen und wir konnten viele Veränderungen spüren.
Als ich dieses Mal nach Moskau kam, sah ich, dass die Straßen und Geschäfte, einschließlich der Online-Handelsplattformen, zunehmend von chinesischen Marken geprägt sind. Gleichzeitig wird russisches Gas in die Haushalte chinesischer Verbraucher geliefert und russische Fleisch- und Molkereiprodukte finden sich auch immer häufiger in chinesischen Geschäften.
Wie lassen sich die Aussichten der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen unseren beiden Ländern einschätzen?
Wladimir Putin: Unsere Wirtschaftsbeziehungen diversifizieren sich von Jahr zu Jahr.
Wie ich bereits sagte, betreiben wir eine umfangreiche Zusammenarbeit, beispielsweise im Bereich der Energie, welche sehr vielfältig ist. Dabei geht es nicht nur um die Lieferung von Öl und Gas. Im Erdölsektor steht eine Pipeline im Dauerbetrieb und die Fördermengen werden gesteigert.
Gleiches gilt für die Gaspipeline Power of Siberia, was gute Aussichten bereitet: Wir haben schon ein Abkommen für die fernöstliche Route unterzeichnet. Eine weitere Route – Power of Siberia 2 – welche durch die Mongolei führt, befindet sich jetzt in der Ausarbeitung.
Auch Kohle- und Stromlieferungen nehmen zu und wir bauen weiterhin Kernkraftwerke: Wir bauen nicht nur die Blöcke für zwei Kraftwerke, sondern arbeiten an einem schnellen Neutronenreaktor, was völlig neue Formen an Beziehungen in diesem Hochtechnologie-Energiesegment eröffnet, weil es die Voraussetzungen für einen geschlossenen Kreislauf schafft, der praktisch keine Abfälle hinterlässt.
Auch in anderen Branchen sehen wir sehr gute Aussichten. Das betrifft den Automobilbau, Schiffbau, Flugzeugbau und Elektronik. Ich habe den Automobilbau erwähnt. Sehen Sie, gerade gestern hatte ich mit einigen Leuten gesprochen, die man als ausgewiesene Automobilkenner mit großer und langer Erfahrung bezeichnen darf: In aller Aufrichtigkeit, ohne zu wissen, dass wir heute dieses Interview führen werden, sagten mir meine Gesprächspartner: Wissen Sie, chinesische Autos gewinnen auf unserem Markt, nicht nur weil andere [Marken] zurückgehen, das ist nicht der einzige Grund. Ihre Qualität ist besser. Die Qualität chinesischer Autos werde immer besser, so dass unsere Konsumenten, vor allem was das Preis-Leistungs-Verhältnis angehe, stärker zu Produkten chinesischer Hersteller griffen.
Sie haben die Landwirtschaft erwähnt. Ja, auch hier wird unsere Zusammenarbeit ausgebaut. Es gibt gewisse Probleme bei der Versorgung mit Fleischerzeugnissen etc., aber die Arbeit geht weiter. Wir sind uns des Interesses der chinesischen Verbraucher nicht nur an landwirtschaftlichen Erzeugnissen bewusst, sondern auch an der Lieferung einiger Produkte, die die Volksrepublik China selbst benötigt, um auf ihrem eigenen Territorium landwirtschaftliche Erzeugnisse herzustellen.
Wir arbeiten an der Entwicklung einer beträchtlichen Anzahl von Industrien und diese Zahl nimmt vor allem in letzter Zeit aufgrund unserer Zusammenarbeit im Bereich von Hochtechnologie stetig zu.
Wang Guan: Können wir das Ziel von 200 Milliarden Dollar [im gegenseitigen Handel] in diesem Jahr festmachen, was meinen Sie?
Wladimir Putin: Ich habe keine Zweifel – oder, um es vorsichtig auszudrücken, ich bin mir fast sicher. In der vergangenen Periode hatten wir ein Handelswachstum von 32 Prozent, was ein sehr gutes Ergebnis darstellt. Es gibt allen Grund zur Annahme, dass wir bis zum Ende des Jahres die 200-Milliarden-Dollar-Marke einstellen werden.
Wang Guan: Herr Präsident, in Bezug auf die Belt & Road Initiative [Neue Seidenstraße] möchte ich nun über Energie sprechen. Wir arbeiten in Bereichen wie erneuerbare Energien, Bekämpfung des Klimawandels und der UN-Klimaagenda zusammen.
Wie schätzen Sie die Auswirkungen unserer Zusammenarbeit in diesen Bereichen sowohl auf die ganze Welt wie auch ganze Menschheit ein?
Wladimir Putin: Wissen Sie, wenn wir über die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung [UN Sustainable Development Goals – SDGs] sprechen, gibt es mehr als ein, zwei oder drei davon – ich meine, es sind an die 17. Der Kampf für die Umwelt und der Kampf gegen den Klimawandel sind beides sehr wichtige Bereiche, aber sie sind nicht die einzigen.
Man darf zum Beispiel den Kampf gegen die Armut nicht vergessen. Wie kann man den Menschen in afrikanischen Ländern sagen: Ihr bekommt kein Öl, ihr bekommt keine Erdölprodukte, ihr müsst euch ausschließlich auf erneuerbare Energiequellen verlassen – auf Wind- und Solarenergie zum Beispiel und so ähnlich. Die sind für die Entwicklungsländer weitgehend unerschwinglich. Werden die Menschen also verhungern oder was sonst? Es sollte daher ein Gleichgewicht geben; alle Entscheidungen haben ausgewogen zu erfolgen.
Wenn wir in diesem Zusammenhang über die Belt & Road Initiative von Präsident Xi Jinping sprechen: Ich glaube, es war vor etwa zehn Jahren, als er die Idee aufbrachte. Ich denke, dass sie genau zum richtigen Zeitpunkt kam und sich gut entwickelt, denn im Mittelpunkt dieser Idee steht der Versuch, die Fähigkeiten vieler Länder zu bündeln, um gemeinsam Entwicklungsziele zu erreichen.
Heute hat dieses Konzept von Präsident Xi Jinping auf die eine oder andere Weise rund 147 Länder, das sind zwei Drittel der Weltbevölkerung erfasst. Ich denke also, dass dies schon heute einen Erfolg darstellt. Es handelt sich dabei um eine gute, richtige und technologisch ausgerichtete Initiative, die sich immer weiter entwickelt.
Ja, wir sehen, dass einige Leute es als Versuch der Volksrepublik China ansehen, jemanden unterzukriegen, aber wir sehen das anders: Wir sehen nur den Wunsch zur Zusammenarbeit. Unsere eigenen Vorstellungen über die Entwicklung der Eurasischen Wirtschaftsunion, zum Beispiel über den Aufbau eines Groß-Eurasiens, stimmen völlig mit den chinesischen Vorstellungen überein, die im Rahmen der Belt & Road Initiative vorgeschlagen werden.
Sehen Sie, unsere Länder, die Eurasische Wirtschaftsunion, haben als Ergebnis unserer Zusammenarbeit 24 Milliarden Dollar an Investitionen erhalten. Was gibt es daran auszusetzen? Gleichzeitig entscheidet jedes Land im Rahmen bilateraler oder multilateraler Formate selbst, was vorteilhaft oder aber abträglich erscheint. Niemand zwingt den Ländern etwas auf. Doch, es stimuliert und schafft Voraussetzungen zur Entwicklung.
Armur Brücke: Verbindung von Heilongjiang Provinz, PRC mit Armur State, Russland
Das Gleiche gilt für die Entwicklung von Logistik- und Infrastruktureinrichtungen. Wir haben vor kurzem mit China zwei Brücken über den Amur Fluss eröffnet. Ich denke, das ist gut für die Menschen, denn so können mehr Menschen miteinander kommunizieren, und es ist gut für die Wirtschaft, weil es uns ermöglicht, den Handel weiter zu entwickeln.
Wir begrüßen also diese Initiative von Präsident Xi Jinping, wir arbeiten zusammen, wir sind bereit und wir werden weiter zusammenarbeiten.
Wang Guan: Herr Präsident, Sie haben auch gesagt, dass die Angleichung der EAEU und der Belt & Road Initiative ein sehr wichtiges Projekt sei zu einer alles umfassenden Integration. Sie werden an dem Belt & Road Gipfel teilnehmen. Was erwarten Sie?
Wladimir Putin: Ich denke, dazu wird uns einiges einfallen… Wie erwähnt, haben die Länder der Eurasischen Wirtschaftsunion durch Zusammenarbeit im Rahmen der Belt and Road Initiative bereits Investitionen in der Höhe von 24 Milliarden Dollar gesichert. Und das Volumen wächst, weil die Zahl der für beide Seiten vorteilhaften Projekte steigt. Sie sind nicht nur für die Länder von Vorteil, die im Rahmen dieser Initiative Kredite erhalten. Sie sind auch für die Volksrepublik China von Vorteil, weil sie Produktaufträge im Zuge der Umsetzung dieser Projekte erhält und dies zugleich Voraussetzungen für eine noch größere Entwicklung schafft. All das geschieht auf der Grundlage des gegenseitigen Nutzens.
Wir haben gemeinsame Projekte. Vielleicht ist es noch zu früh, um in Details einzusteigen, aber ich bin sicher, dass Verträge unterzeichnet werden. Neue Kontakte zwischen Wirtschaftsakteuren werden geknüpft werden. Regierungschefs, verschiedene Ministerien und Abteilungen, die direkt zusammenarbeiten, werden sich treffen. Ich möchte jetzt nicht alles aufzählen. Ich habe mich mit den Vorschlägen der russischen Regierung in verschiedenen Bereichen vertraut gemacht. Sie erstrecken sich über viele eng bedruckte Seiten und jedes Projekt daraus, kann Arbeit für ein Jahr oder auch für ein Jahrzehnt sorgen. Daher erfüllen mich die Informationen von meinen Kollegen mit den nur besten Erwartungen.
Wang Guan: Wir haben auch gesehen, dass die internationale Gemeinschaft unterschiedliche Meinungen über die Belt and Road Initiative vertritt. Was sind Ihrer Meinung nach die Vorteile der Belt & Road Initiative, die sich innerhalb von 10 Jahren von einer Art Initiative zu einem real umgesetzten Projekt entwickelt hat, das der gesamten Menschheit Vorteile bringt?
Wladimir Putin: Wissen Sie, der Hauptvorteil des von der chinesischen Seite vorgeschlagenen Konzepts der Zusammenarbeit besteht meines Erachtens darin, dass im Rahmen dieser Arbeit niemandem etwas aufgezwungen wird. Alles geschieht im Rahmen der Suche nicht nur nach akzeptablen Lösungen, sondern nach Projekten und Wegen zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels, die für alle akzeptabel sind. Das ist es, was das heutige China unter der Führung von Präsident Xi Jinping beim Aufbau von Beziehungen zu anderen Ländern so einzigartig macht: Niemand zwingt jemandem etwas auf, niemand nötigt jemandem etwas auf, sondern man offeriert nur die Möglichkeit dazu. Und, wie ich schon sagte, wenn es Schwierigkeiten gibt, werden Kompromisse gesucht und immer gefunden. Dies unterscheidet meiner Ansicht nach die vom chinesischen Präsidenten vorgeschlagene Belt & Road Initiative von denen anderer Länder, die behaftet mit einem schweren kolonialen Erbe versuchen, viele Vorhaben in der Welt vermeintlich umzusetzen.
Wang Guan: Unsere bilateralen Beziehungen umfassen auch viele Interessen und gemeinsame Projekte, auch im humanitären Bereich und im Sport. Um nur ein Beispiel zu nennen: Nach Angaben des Bildungsministeriums der Russischen Föderation hat sich die Zahl der russischen Studenten, welche die Unified State Examination in Chinesisch ablegen, verdoppelt. Aus heutiger Sicht haben russische Literatur und Musik zweifellos mehrere chinesische Generationen beeinflusst.
Die zweifache Juniorenweltmeisterin Alexandra Trussova über dem Eis
Auch die jungen russischen Eiskunstläuferinnen – [Alexadra] Trussova, [Kamila] Walijewa, [Anna] Schtscherbakowa – haben wir mit Spannung verfolgt. Sie haben eine große Fangemeinde im chinesischen Internet, und chinesische Internetnutzer bezeichnen sie sogar als unvergleichliche Feen, die nur einander ebenbürtig scheinen.
Glauben Sie, dass die humanitäre und sportliche Zusammenarbeit von großem Wert für unsere Freundschaft ist?
Wladimir Putin: Das ist sie in der Tat. Die sportliche Zusammenarbeit als Teil der humanitären Zusammenarbeit ist sehr wichtig, weil sie einen direkten Kontakt zwischen den Menschen herstellt. Es ist keine Überraschung, dass unsere Sportler in China Fans haben, denn sie sind echte Stars. Auch wir verfolgen die Erfolge der chinesischen Athleten mit großem Respekt und schauen uns immer an, wie die Arbeit organisiert ist.
Wang Guan: Gibt es Sportler oder Sportarten, die Sie mit besonderem Interesse verfolgen?
Wladimir Putin: Natürlich wissen wir über chinesische Sportler Bescheid. Wir verfolgen zum Beispiel die Turner und noch andere Sportarten. Es ist wichtig, dass China die Arbeit im Hochleistungssport auf ein gutes professionelles Niveau gebracht hat.
Zweifellos ist es ebenso wichtig, Kontakte auf anderen, bescheideneren Ebenen zu knüpfen. Ich spreche von der Zusammenarbeit im Sport, von Kontakten zwischen den Regionen, von Wettbewerben zwischen Universitäten und zwischen chinesischen Provinzen und Gliedstaaten der Russischen Föderation.
Ich denke, wir sollten auch darüber nachdenken. Ich denke, das wäre sehr interessant. Soweit ich weiß, wird dies im Rahmen der interregionalen Zusammenarbeit bereits getan. Meine Kollegen schenken dem auch die nötige Aufmerksamkeit. Ich bin sicher, dass es so weitergehen wird und es auf diese Art und Weise fortgesetzt wird.
Wissen Sie, was wichtig ist? Dass unsere sportliche Zusammenarbeit frei von politischen oder wirtschaftlichen Zwängen ist.
Leider ist der moderne internationale Sport mehr und mehr vom Kommerz durchdrungen. In unseren Sportbeziehungen gibt es so etwas nicht und ich hoffe, das wird auch nie der Fall sein.
Wang Guan: Herr Präsident, Sie haben einmal gesagt, dass Ihr Leben vielleicht einen ganz anderen Verlauf genommen hätte, wenn Sie nicht Judo trainiert hätten. Wie wollten Sie das verstanden wissen?
Wladimir Putin: Jeder weiß und es ist kein Geheimnis, dass ich aus einer einfachen Arbeiterfamilie stamme und früher viel Zeit außer Haus verbrachte. Ich weiß nicht, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn ich mich nicht für Sport interessiert hätte. Es ist eigentlich egal, welche Art von Sport ich betrieben hätte, wichtig ist, dass ich ihm viel Aufmerksamkeit geschenkt habe. Und sofort zeigten sich Prioritäten, mich nicht auf dem Hof zu behaupten, nicht in einer, sagen wir, nicht sehr disziplinierten Jugendumgebung, sondern mich auf Sportplätzen zu bewähren, in meinem Fall auf Tatamimatten [von Judo]. Zugleich bildet sich bestimmte Einstellungen zu den Beziehungen gegenüber anderen Menschen heraus: Wie man diese Beziehungen aufbaut, wie man Partnern mit Respekt begegnet, wie man alles vermeidet, was die Beziehungen zwischen Menschen irgendwie untergraben könnte, und so weiter. Sport ist erzieherisch – das ist sehr wichtig!
Daher ist die Entwicklung unserer Zusammenarbeit in diesem Bereich äußerst wichtig. In der heutigen Welt, in der es so viele Bedrohungen durch das Internet, die illegale Verbreitung von Drogen u.a. gibt, sind sportliche Aktivitäten für junge Menschen eine äußerst wichtige Sache zur Bildung des Charakters und der richtigen und starken Lebenseinstellung.
Wang Guan: Herr Präsident, vor kurzem haben Sie im Valdai-Diskussionsklub von einer fairen Multipolarität gesprochen, von der Notwendigkeit einer solchen. Sie erwähnten auch ein Phänomen wie den Hegemonismus im Bereich der Moral und Ethik, im Wertesystem. Sie sagten auch, dass eine regelbasierte Ordnung eine Manifestation kolonialen Denkens sei. Warum glauben Sie das?
Wladimir Putin: Sie haben gerade „regelbasierte Ordnung“ gesagt. Haben Sie diese Regeln jemals gesehen? Nein, das haben Sie nicht, denn niemand hat sich mit irgendjemandem darauf geeinigt. Wie kann man also von einer Ordnung sprechen, die auf Regeln beruht, die niemand je gesehen hat? Nach gesundem Menschenverstand ist das Unsinn. Aber es ist vorteilhaft für diejenigen, die einen solchen Ansatz verfolgen.
Denn wenn niemand die Regeln gesehen hat, bedeutet das nur, dass diejenigen, die über sie sprechen, sie von Zeit zu Zeit selbst zu ihrem eigenen Vorteil erfinden: Das ist der koloniale Ansatz.
Denn die kolonialen Länder haben immer geglaubt, dass sie Menschen ersten Ranges wären. Schließlich haben sie immer davon gesprochen, dass sie ihren Kolonien die Aufklärung brächten, dass sie zivilisierte Menschen wären, die anderen Nationen, die sie als zweitklassige Menschen betrachten, die Vorteile der Zivilisation bringen wollten. Kein Wunder, dass die heutige politische Elite, zum Beispiel in den Vereinigten Staaten, von ihrem Exzeptionalismus spricht. Das ist die Konsequenz dieser kolonialen Denkweise, d. h., wenn sie sich in den Vereinigten Staaten für exzeptionell halten, bedeutet das, dass andere Menschen, eigentlich alle Menschen, nur zweitklassige Menschen wären. Wie könnte man das sonst verstehen? Das sind dann die Überreste kolonialen Denkens, nichts anderes!
Unser Ansatz ist ein ganz anderer. Wir gehen von der Tatsache aus, dass alle Menschen gleich sind und alle Menschen die gleichen Rechte haben: Die Rechte und Freiheiten eines Landes und einer Nation enden dort, wo die Rechte und Freiheiten von Menschen eines ganz anderen Staates beginnen. Das ist die Art und Weise, wie sich eine multipolare Welt schrittweise entwickeln sollte. Das ist genau das, was wir anstreben und das ist die Grundlage für unser Zusammenspiel mit China auf der internationalen Bühne.
Wang Guan: BRICS hat sich kürzlich von fünf auf 11 Länder erweitert. Welchen historischen Prozess spiegelt die BRICS-Erweiterung Ihrer Meinung nach wider? Außerdem wird Russland im Jahr 2024 den Vorsitz in BRICS übernehmen. Welche Rolle wird Russland Ihrer Meinung nach in Zukunft und während seiner Präsidentschaft von BRICS spielen?
Wladimir Putin: Zunächst einmal möchte ich sagen, dass der Erweiterungsprozess selbst ziemlich unruhig verlief. Es war ein herausfordernder, ich würde sogar sagen schwieriger Dialog. Aber vor allem dank der Bemühungen unseres Vorsitzenden, des Präsidenten der Republik Südafrika, Cyril Ramaphosa – ich möchte seine Rolle besonders hervorheben – ist es uns gelungen, zu diesem Konsens zu gelangen und eine Einigung zu erzielen.
Was bildet den Kern des Erweiterungsprozesses? Der Prozess basiert auf objektiver Realität. Die multipolare Welt entsteht in der Tat von selbst. Wir können diesen Prozess beschleunigen oder jemand könnte versuchen, ihn zu verlangsamen und vielleicht sogar eine At Reduzierung des Tempos beim Aufbau einer multipolaren Welt erwirken. Wie auch immer, die Entstehung bleibt unvermeidlich. Sie entsteht ganz von selbst aufgrund des wachsenden Potenzials vieler Länder, darunter nicht zuletzt des wachsenden Potenzials der Volksrepublik China. Indien wächst in Asien, Indonesien wächst ebenfalls, viele andere Nationen in Lateinamerika wie Brasilien und Russland kommen wieder auf die Beine und gewinnen an Stärke. Unsere Länder haben ihre Probleme, aber welche Länder haben sie nicht? Irgendwelche Probleme gibt es immer. Aber darum geht es nicht, es geht darum, unser Potenzial auszubauen und dieses Wachstum ist offensichtlich – auch im wirtschaftlichen Bereich.
Was die BRICS betrifft, so war das Verhältnis zwischen den Volkswirtschaften der G7 und der BRICS zum Zeitpunkt des Gipfels in Johannesburg, gemessen an der Kaufkraftparität, bereits zugunsten der BRICS.
Nachdem sechs Mitglieder den BRICS-Staaten beigetreten waren, verschob sich dieses Verhältnis noch mehr zugunsten der BRICS. Auch dies ist ein Ausdruck des objektiven Prozesses der Bildung einer multipolaren Welt.
Das bedeutet, dass alle, die sich den BRICS angeschlossen haben, die Idee und das Konzept der Bildung einer multipolaren Welt unterstützen. Niemand will die zweite Geige gegenüber einem Hegemonen spielen, alle wollen gleiche Rechte. Und wenn sie den BRICS beitreten, sehen sie, dass wir dieses Ziel durch gemeinsame Anstrengungen im Rahmen der Erweiterung und Stärkung eines solchen Formats erreichen können.
Wang Guan: Herr Präsident, Sie sind mit der Geschichte sehr vertraut. In der Tat sind Sie derjenige, der Geschichte schreibt. Sie wissen, dass es die Meinung gibt, dass einige Modelle der zwischenstaatlichen Beziehungen, wie z.B. die Realpolitik, überhaupt nicht dazu beigetragen hätten, die Probleme zu lösen, mit denen die Menschheit im Hinblick auf ihre Entwicklung konfrontiert wäre.
Wie wichtig sind Ihrer Meinung nach die Ideen von Herrn Xi Jinping über den Aufbau einer Schicksalsgemeinschaft für die Menschheit sowie seine Initiativen im Bereich der globalen Entwicklung, der globalen Sicherheit und der globalen Zivilisationsinitiative und für welche Werte stehen sie an einer solchen historischen Weggabelung?
Wladimir Putin: Vielen Dank, dass Sie dieses Thema ansprechen. Soweit ich weiß, wurden diese Ideen zum ersten Mal etwa 2013 während des Besuchs von Präsident Xi Jinping in Moskau in allgemeiner Form formuliert, als er am Moskauer Staatlichen Institut für Internationale Beziehungen [MGIMO] vortrug und dies zum ersten Mal zur Sprache brachte.
Natürlich ist dies ein globaler Ansatz zur Geschichte der Menschheit. Es ist klar, dass alles miteinander verknüpft ist. Und heute, da sich eine multipolare Welt herausgebildet, sind diese Ideen sogar noch wichtiger geworden. Er sprach darüber im Jahr 2013 und heute werden diese Ideen tatsächlich umgesetzt. Das ist äußerst wichtig.
Ich möchte noch einmal auf den Anfang zurückkommen: Wir alle, und insbesondere Herr Xi Jinping, lassen uns nicht von opportunistischen Erwägungen des aktuellen Augenblicks leiten. Wir versuchen, die Situation umfassend zu bewerten und in die Zukunft zu blicken. Sehen Sie, er hat hier im Jahr 2013 über die Bildung einer globalen Welt und die Verbindung der Schicksale aller Länder der Erde gesprochen und dann die Belt and Road Initiative ins Leben gerufen. Dies ist die praktische Umsetzung dessen, worüber er in der Theorie gesprochen hat.
Ich habe den Eindruck, dass sich Präsident Xi Jinping und die Politik der Volksrepublik China dadurch auszeichnen, dass sie konsistent auf gemeinsame Ziele hinarbeiten, während sie die Essenz der laufenden Geschehnisse erkennen.
Wang Guan: Herr Präsident, Sie haben Xi Jinping 40 Mal gesehen. Was für ein Mensch, was für eine Führungspersönlichkeit ist Xi Jinping Ihrer Meinung nach? Könnten Sie uns einige Geschichten erzählen, die Sie gemeinsam erlebt haben?
Wladimir Putin:
Die Sache ist die, dass Präsident Xi Jinping mich als seinen Freund bezeichnet und ich nenne ihn auch meinen Freund. Wir haben hier ein Sprichwort: «Sag mir, wer dein Freund ist, und ich sage dir, wer du bist.» Wenn ich also jetzt Präsident Xi Jinping loben würde, würde ich mich unwohl fühlen, als ob ich mich selbst loben wollte. Ich werde also versuchen, objektiv zu bleiben. Er ist zweifellos einer der anerkanntesten Führer der Welt.
Es ist gut, dass Sie sich an seine Rede auf der MGIMO [Moskauer Institut für Internationale Beziehungen] im Jahr 2013 erinnert haben und ich habe sie mit der Belt and Road Initiative in Verbindung gebracht. Ich wiederhole es zum dritten Mal, aber es ist sehr wichtig: Er ist eine Führungspersönlichkeit, die keine momentanen Entscheidungen auf der Grundlage einer aktuellen Situation trifft, sondern die Situation bewertet, sie analysiert und in die Zukunft blickt. Das ist sehr wichtig. Genau das unterscheidet einen Staatsmann von Welt von den Leuten, die wir als „Gesinnungsopportunisten“ bezeichnen, die nur für einen kurzen Moment auftauchen, um sich auf der internationalen Bühne aufzuspielen und dann zu verschwinden.
Natürlich ist Präsident Xi Jinping völlig anders. Er ist aufmerksam, gelassen-überlegend, geschäftstüchtig und ein zuverlässiger Partner – das wollte ich unterstreichen. Wenn wir uns auf etwas einigen, können wir sicher sein, dass beide Seiten ihren Teil der Abmachung einhalten werden.
Was unsere Treffen angeht: Ja, wir hatten viele, und das ist gut so. Sie haben sie wahrscheinlich gezählt, ich weiß es nicht mehr genau, wie viele – vielleicht 40 Treffen. Einmal – ich weiß das Jahr nicht mehr, ich glaube, es war bei einem APEC-Treffen, ich meine in Indonesien – ich hatte Geburtstag und wir haben diesen Anlass gemeinsam gefeiert. Später fiel eine Veranstaltung in Duschanbe [Hauptstadt Tadschikistans] mit seinem Geburtstag zusammen und wir feierten ihn im Rahmen unserer gemeinsamen Arbeit auch dort.
Der Panzerkreuzer Aurora in St. Petersburg und Symbol der Oktober Revolution 1917
Quelle: Fisss, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons
Bild 10 mit Legende – 2023.10.18
Wir hatten eine großartige Reise während des Besuchs von Präsident Xi Jinping in Russland, als wir nach St. Petersburg fuhren und das Kreuzfahrtschiff Aurora besichtigten, eine Bootsfahrt auf der Newa machten und ein sehr langes, ausführliches, absolut neutrales und freundschaftliches Gespräch über die bilateralen Beziehungen und die Weltlage führten. Es war eine sehr angenehme Atmosphäre, wir aus unseren Herzen sprachen, alle Fragen und Probleme durchgingen und alles diskutierten. Es war sehr sachlich, sehr ruhig und freundschaftlich, eine Atmosphäre, in der man sich wie zu Hause fühlte. Wie Sie wissen, hat er uns zuletzt im März besucht. Auch das war ein sehr guter, geschäftsmäßiger Besuch, der für die zukünftige Entwicklung unserer Beziehungen von großer Bedeutung ist. Ich hoffe, dass wir beim nächsten Treffen, das in China geplant ist, an diese Tradition anknüpfen werden.
Wang Guan: Was die ukrainische Frage betrifft: Herr Präsident, wie beurteilen Sie die Aussichten auf eine friedliche Beilegung der Ukraine-Krise? Wann wird sich der Frieden durchsetzen können?
Sie haben auch das chinesische Dokument erwähnt, das eine politische Lösung für die Beilegung der ukrainischen Krise vorsieht. Was halten Sie davon?
Wladimir Putin: Wir sind unseren chinesischen Freunden dankbar, dass sie versuchen, über Wege zur Beendigung dieser Krise nachzudenken. Ich möchte Sie jedoch daran erinnern, dass die Feindseligkeiten in der Ukraine nicht mit unserer speziellen Militäroperation begannen, sondern schon viel früher einsetzten – im Jahr 2014, als die westlichen Länder, nachdem sie sich als Garanten für die Vereinbarungen zwischen Präsident Janukowitsch und der Opposition angeboten hatten, diese Garantien innerhalb weniger Tage vergaßen und – schlimmer noch – einen Staatsstreich unterstützten. Beamte der US-Regierung haben sogar zugegeben, viel Geld dafür ausgegeben zu haben – fünf Milliarden, sagten sie, wenn ich mich recht entsinne -, und jetzt haben wir das, was passieren musste.
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Ich werde mich nicht damit aufhalten, ob es sich um eine Revolution oder eine Farbrevolution gehandelt habe, aber es war auf jeden Fall ein Staatsstreich. Ja, es ging um Fehler, die die damalige [ukrainische] Führung gemacht hat, aber diese Fehler hätten durch demokratische Verfahren behoben werden müssen und nicht durch militante Kämpfer auf der Straße. Aber die westlichen Länder haben sich anders entschieden – sie haben einen Staatsstreich unterstützt. Und dann begannen sie, im Wesentlichen stellvertretend für das Kiewer Regime, die Feindseligkeiten im Südosten der Ukraine, im Donbass, und setzten diese Feindseligkeiten acht Jahre lang fort und töteten Frauen und Kinder. Der Westen schenkte dem keine Beachtung oder tat so, als würde er es nicht bemerken.
Selbst als in Minsk, Weißrussland, Vereinbarungen unterzeichnet wurden, die so genannten Minsker Vereinbarungen, tat Russland alles, um diesen Weg zur Beilegung des Konflikts zu beschreiten. Sie haben uns das auch nicht erlaubt.
Darüber hinaus erklärte die ukrainische Führung schließlich, dass ihr diese Minsker Vereinbarungen einfach nicht gefielen und sie sie nicht einhalten würde.
Verschärft wurde dies durch die Versuche der Vereinigten Staaten, die Ukraine in die NATO zu ziehen, was zu einer Eskalation des Konflikts führte.
Ich möchte Sie daran erinnern, als die Ukraine ihre Unabhängigkeit erlangte – oder proklamierte -, die Unabhängigkeitserklärung das grundlegende Dokument war, dem die ukrainische Unabhängigkeit zugrunde lag: Der wichtigste Grundsatz dieser Unabhängigkeitserklärung lautete, dass die Ukraine ein neutraler Staat sei.
Doch im Jahr 2008 verkündeten sie ohne triftigen Grund – es war keine Krise in Sicht, dass die Ukraine in der NATO willkommen wäre. Und warum? Das versteht bis heute niemand.
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Und so verschärften sie Jahr für Jahr die Spannungen. Schließlich kam es zur Krise von 2014, und die Feindseligkeiten brachen aus. Damit wurde die Eskalation auf eine neue Stufe gehoben. Daher war der Beginn der militärischen Sonderoperation nicht der Beginn eines Krieges, sondern ein Versuch, diesen zu beenden.
Was die Frage betrifft, was getan werden muss und wie es getan werden muss, um den Konflikt mit friedlichen Mitteln zu beenden: Wir haben uns nie dagegen ausgesprochen. Im Übrigen haben wir in Istanbul eine Vereinbarung getroffen, die bestätigt, dass wir dazu bereit sind, vorausgesetzt, dass – ich betone – die legitimen Sicherheitsinteressen Russlands respektiert würden. Die ukrainische Seite hat sehr strenge Sicherheitsanforderungen gestellt, und wir haben sie nahezu akzeptiert. So wie wir jedoch unsere Truppen aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew zurückgezogen hatten, hat die ukrainische Seite alle Vereinbarungen in Flammen aufgehen lassen. Dieselben Vereinbarungen, die auf dem Papier von den Leitern der Verhandlungsparteien paraphiert worden waren – nicht das Paket selbst, sondern das Memorandum über diese Vereinbarungen.
Sie kündigten dann an, dass sie versuchen würden, Russland zu besiegen und einen Sieg auf dem Schlachtfeld zu erringen, um Russland eine strategische Niederlage zu bereiten. Sie starteten eine aktive Militäroperation, die so genannte Gegenoffensive. Sie dauert seit dem 4. Juni an. Bislang wurden keine Ergebnisse erzielt, sondern nur massive Verluste. Die Verluste sind einfach riesig, im Verhältnis eins zu acht.
Natürlich kennen wir die Vorschläge unserer chinesischen Freunde. Wir schätzen diese Vorschläge sehr. Ich denke, sie sind absolut realistisch und könnten die Grundlage für Friedensvereinbarungen bilden. Aber leider ist die Gegenseite nicht bereit, in Verhandlungen einzutreten. Der ukrainische Präsident hat sogar ein Dekret erlassen, das allen – auch ihm selbst – verbietet, mit uns in Verhandlungen zu treten. Wie können wir verhandeln, wenn sie nicht dazu bereit scheinen und sogar eine Verordnung erließen, die solche Verhandlungen verboten hat?
Wenn also die ukrainische Seite dazu bereit ist, dann sollte sie als erstes das Dekret aufheben und ihre Bereitschaft zu Verhandlungen bekunden. Wir sind dazu bereit, auch auf der Grundlage der Vorschläge unserer chinesischen Freunde.
Wang Guan: Herr Präsident, China hat stets sein Interesse an der Schaffung einer allseitigen, gemeinsamen und unteilbaren Sicherheit zum Ausdruck gebracht. Gibt es eine Chance, die Positionen in der Ukraine-Frage zu schlichten?
Wladimir Putin: Ja, das haben wir auch immer gesagt. Wir haben gesagt, dass die Sicherheit einer Gruppe von Staaten nicht auf Kosten der Sicherheit anderer Staaten aufgebaut werden kann. Die Sicherheit muss für alle gleich sein.
In diesem Zusammenhang ist es für uns äußerst wichtig, dass die Ukraine außerhalb jeglicher Blöcke bleibt. Bereits 1991 wurde uns – von der damaligen US-Regierung – gesagt, dass die NATO nicht weiter nach Osten expandieren würde. Seitdem hat es fünf Erweiterungswellen der NATO gegeben, und jedes Mal haben wir unsere Bedenken geäußert. Jedes Mal wurde uns gesagt: «Ja, wir haben euch versprochen, die NATO nicht nach Osten zu erweitern, aber das waren mündliche Versprechen – gibt es ein Papier mit unserer Unterschrift darauf? Kein Papier? Auf Wiedersehen.»
Sie sehen, es ist sehr schwierig, mit solchen Leuten einen Dialog zu führen. Ich habe bereits das Beispiel des iranischen Atomprogramms angeführt. Die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm waren sehr, sehr langwierig. Es wurde eine Einigung erzielt, ein Kompromiss gefunden und Dokumente unterzeichnet. Dann kam eine neue US-Administration und die hat alles auf den Müll geworfen, als hätte es diese Vereinbarungen nie gegeben. Wie können wir uns auf irgendetwas einigen, wenn jede neue Regierung wieder von Neuem beginnt – jedes Mal einen neuen Ankick?
Das gilt für jede Frage, für jedes Thema, auch für das, über das wir gerade sprechen. Deshalb besteht einer der wichtigsten Punkte darin, gleiche Sicherheit für alle zu gewährleisten und darauf hat Russland ebenso Anspruch wie jeder andere Staat. Wenn wir sagen, dass die NATO uns über die Ukraine bedroht, wünschen wir, dass unsere Bedenken gehört werden.
Wang Guan: Vielen Dank für das Gespräch. Ich danke Ihnen.
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Wladimir Putin: Es war mir eine Freude, dies für die chinesischen Zuschauer und Zuhörer zu tun. Ich möchte Ihnen von ganzem Herzen danken und den Bürgern unseres freundlichen Nachbarn, der Volksrepublik China, meine besten Wünsche übermitteln!
Ich danke Ihnen.
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Übersetzung aus dem Englischen: Unser-Mitteleuropa
Nur wenige Tage nach dem Interview und
der Ankunft von Wladimir Putin in Peking
17. Oktober 2023 – Der chinesische Präsident Xi Jinping und seine Frau Peng Liyuan gaben am Dienstag in Peking ein Bankett zur Begrüßung der Gäste, die in China am dritten Belt and Road Forum für internationale Zusammenarbeit teilnehmen.
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