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Die Methode Hausdurchsuchung
Immer öfter klingelt es wegen harmlosen, satirischen Social Media-Posts an der Tür. Regierungskritiker und unliebsame Beiträge sollen aus der Öffentlichkeit verschwinden. Es ist ein System, das man sonst nur aus autoritären Staaten kennt.
von Pauline Schwarz
Was erwarten Sie denn?“, schreibt Barbara A. (Name geändert) am 10. September 2022 auf Twitter – „die Führer der Republik würden sogar die Steine überzeugen, sie wären weich!“ Dazu postet sie ein Bild, ein Meme. Darauf stehen satirisch leicht abgeänderte Aussagen, die Olaf Scholz, Christian Lindner, Annalena Baerbock und Robert Habeck im Laufe ihrer politischen Karriere getätigt haben. Barbara fand diese Überspitzung „genial“. Sie erinnerte sie in ihrer Art an Witze, die sie und ihre Freunde früher in ihrer Heimat gemacht hatten – „um sich über das Regime lustig zu machen, ohne dabei Gefahr zu laufen, dass die Staatsorgane wie die Securitate uns entdeckten“.
Barbara stammt ursprünglich aus Rumänien, einem kommunistisch geprägten Land, in dem bis ins Jahr 1990 eine kaltblütige und brutale Geheimpolizei agierte: die Securitate. Der Nachrichtendienst war nach dem Vorbild des KGB gegründet worden und nicht nur mit der Stasi vergleichbar, die beiden Behörden arbeiteten auch zusammen – etwa bei Entführungsoperationen. Zu den üblichen Instrumenten der rumänischen Abteilung für Staatssicherheit gehörten aber auch Folter, Haftstrafen und die Deportation in Arbeitslager. Vor diesem Hintergrund verpackte Barbara ihre Kritik immer in „Humor und Satire“, als eine Art „Schutzmechanismus“.
Doch heute lebt sie in der Bundesrepublik Deutschland, einem demokratischen Land – sie war sich sicher, dass „satirische Bemerkungen“ wie die, die sie im September 2022 teilte, „keine Konsequenzen nach sich ziehen würden“. Und es passierte auch nichts – zumindest ein knappes Jahr lang. Am 19. Juni 2023 klingelte während der Arbeit dann plötzlich ihr Telefon. Es hieß, zwei Herren würden sie sprechen wollen, sie warteten am Empfang. Wahrscheinlich fragte sich Barbara in diesem Moment, was das alles soll, sie hatte keine Ahnung, worum es gehen könnte. In einem Büroraum hielt man ihr dann einen Durchsuchungsbefehl hin, teilte ihr mit: Wir waren gerade in ihrer Wohnung.
Die beiden Männer waren von der Polizei. Sie kamen zu ihrer Arbeitsstelle, um ihr mitzuteilen, dass sie Barbaras Vermieter kurz zuvor dazu verpflichtet hatten, ihre Wohnungstür zu öffnen. Wahrscheinlich teilten sie ihm den Grund dafür nicht mit, wahrscheinlich hieß es nur: Durchsuchungsbefehl, bitte öffnen. Und wahrscheinlich fragte sich ihr Vermieter in diesem Moment, was für eine schwerkriminelle Frau er da eigentlich zur Mieterin hatte.
Denn woran würde jeder normale Mensch bei einer Hausdurchsuchung auch anderes denken, als an Mord, Terror, gefährliche Körperverletzung oder organisierte Kriminalität. Doch Barbara war nicht kriminell, ihr wurde noch nicht mal ein Verfahren, geschweige denn ein ihr bis dahin bekannter Vorwurf gemacht.
Trotzdem drangen mehrere Polizisten um sieben Uhr morgens in ihre Wohnung ein. Sie durchsuchten ihre Küche, ihr Wohn- und Schlafzimmer und sogar das Bad. Sie drangen in ihre intimste Privatsphäre ein, als sie Schränke und Schubladen öffneten – möglicherweise auch ihre Klamotten und Dokumente durchwühlten.
Es ist schwer vorstellbar, wie sich Barbara gefühlt haben muss, als sie in diese Wohnung zurückkehrte. Vermutlich fühlte es sich kalt und fremd an, vielleicht hat sie sich auch geekelt. Immerhin hatten fremde Menschen gerade ohne ihr Wissen oder Einverständnis Dinge gesehen, berührt und durch die Gegend geworfen, die man eigentlich nur Menschen zeigt, die einem am Herzen liegen – wenn überhaupt.
Barbara stand vor diesen Fremden ohne ihr Einverständnis quasi nackt da, und es gab nichts, aber auch gar nichts, was sie dagegen tun konnte. Von diesem schmerzhaften Schamgefühl und der emotionalen Grenzverletzung völlig unberührt, heißt es auf dem Sicherstellungsprotokoll der Polizei nur „Durchsicht Papiere/Datenträger“ und „Sicherstellung“. Auch die beschlagnahmten Gegenstände sind notiert: ein „Laptop HP, schwarz“ und ein „I Phone 10“. Das Handy gehört Barbara, der Laptop hingegen ihrem Sohn. Er sollte ihn sieben oder acht Monate lang nicht zurückbekommen. Barbara wartete auf ihr Handy mehr als ein Jahr.
Dabei muss man sich einmal vorstellen, was das bedeutet: Ohne Vorwarnung sind alle Kontakte weg, alle Daten und Apps. In der heutigen Zeit, wo kaum noch jemand ein Festnetztelefon hat, kann einen niemand mehr erreichen. Man kann seiner Mutter weder sagen, dass alles (den Umständen entsprechend) in Ordnung ist, noch seine Kinder erreichen oder dem Chef mitteilen, dass man krank ist. Auch Bankgeschäfte oder seine Arbeit kann man unter Umständen nicht mehr geregelt ausführen. Plötzlich ist man auf die Hilfe von Leuten aus seiner unmittelbaren Nähe angewiesen oder muss für jede Kleinigkeit in ein Internetcafé rennen, bis man sich für viel Geld neue Geräte angeschafft hat.
Und dann ist da noch Barbaras Sohn. Er hat mit all dem nichts zu tun. Er hat nichts Falsches gemacht und sollte eigentlich unter besonderem Schutz des Staates stehen. Trotzdem wird ihm etwas weggenommen, seine Festplatte durchsucht. Ein fremder Mensch dringt auch in seine Privat- und Intimsphäre ein. Ein Gewaltakt, der für ein Kind noch viel schwerer zu ertragen ist als für einen Erwachsenen – vielleicht gar nicht verkraftbar.
Und das alles nur wegen eines Tweets, nur wegen einer satirischen Bildmontage. Nur, weil Annalena Baerbock und Robert Habeck einen Strafantrag unterzeichneten. Weil angeblich ihr „politisches Wirken“ erheblich „erschwert“ sei und „in der öffentlichen Meinung“ herabgewürdigt worden wäre – wegen „übler Nachrede“, so steht es im Durchsuchungsbeschluss. Darin wird auch ein „öffentliches Interesse“ und „hohe Verbreitung“ postuliert – bei einem Twitter-Account mit einer kaum nennenswerten Followerzahl. Ähnlich klingt es auch bei anderen Fällen, wo der Vorwurf meist Beleidigung nach Paragraph 188 lautet – zum Beispiel bei Habecks „Schwachkopf“-Affäre.
Was hier geschieht, ist aber keine Ehrverteidigung oder eine gerechte Strafverfolgung. Es ist Einschüchterung – ein systematisches Vorgehen gegen Regierungskritiker. Inzwischen gibt es neben den zahllosen, teilweise staatlich legitimierten Meldestellen eine regelrechte Industrie von Menschen, die das Internet gezielt nach Beiträgen wie denen von Barbara oder dem Rentner Stefan Niehoff durchsuchen.
Politikern wie Habeck oder Baerbock werden dann nur noch Strafanträge zur Unterschrift vorgelegt – zu Äußerungen, die sie nie mitbekommen hätten und die ihnen ganz sicher auch nicht in irgendeiner Weise besonders schaden. Sie kritzeln ihre Unterschrift hin und denken sich nichts weiter dabei, doch woanders bricht eine Welt zusammen.
Es würde mich nicht wundern, wenn Barbara ein Gefühl beschleicht, wie damals im kommunistischen Regime in Rumänien. Die Methode Hausdurchsuchung findet man sonst schließlich nur in autokratischen Staaten, die Kritik an der Regierung und ihren Vertretern nicht toleriert, sondern bestraft. Um vor solchen Systemen, wie wir sie auch und gerade in Deutschland leider nur zu gut kennen, zu schützen, galt mal der Grundsatz, dass Politiker mehr aushalten müssen als Privatpersonen – immerhin treten sie bewusst in die Öffentlichkeit. Die Rechtsprechung sagte ganz eindeutig, dass die Grenzen bei „Machtkritik“ weiter gezogen werden müssen.
Doch seit 2020 haben wir Paragraph 188 – plötzlich stehen Politiker aus unerfindlichen Gründen unter einem besonderen Schutz, Beleidigungen oder Verleumdungen werden härter bestraft. Und dieses Gesetz haben sich die Ampel-Politiker, insbesondere die Grünen, zu eigen gemacht. Mit Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit hat das zwar nur noch wenig zu tun, aber das scheint sie nicht weiter zu stören. Sie klammern sich im Angesicht fallender Umfragewerte verzweifelt an die Macht und legitimieren ihr Vorgehen mit absurdem Gerede über „Hass und Hetze“. Menschen, die über ein gesundes Selbstwertgefühl verfügen, würden sich für Lappalien wie die Collage von Barbara überhaupt nicht interessieren.
Doch Politiker mit einer gesunden Selbstachtung und Haltung haben wir nur noch wenige. Dafür haben wir viele Haltungs-Politiker: Menschen, die von Gleichberechtigung, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit reden, während sie andere wegen harmloser Satiren, Karikaturen oder Überspitzungen anzeigen und so mundtot machen wollen. Die Justiz wird dabei zum willfährigen Gehilfen. Obwohl sie es ist, die den Bürger eigentlich vor einem übergriffigen Staat und seinen Vertretern schützen sollte.
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