Horst D. Deckert

«Die Regierung kann uns nicht mehr einfach kriminalisieren und einsperren»

Heute vor einem Jahr fand die Gründungsversammlung der «Freunde der Verfassung» in Solothurn statt. Am 23. Juli 2020 erstellten die Verfassungsfreunde die Vereinsstatuten. Inzwischen sind sie längst eine ernst zu nehmende politische Bewegung. Federführend bei der Gründung des Vereins war Christoph Pfluger, Herausgeber der Corona-Transition. Pfluger lancierte das erste Referendum gegen das Covid-19-Gesetz.

Zwar scheiterte es am 13. Juni 2021, doch die Geschichte ist längst nicht passé. Gemeinsam mit dem Aktionsbündnis Urkantone und dem Netzwerk Impfentscheid und weiteren Organisationen sammelten sie zuletzt innerhalb von wenigen Wochen fast 190’000 Unterschriften gegen die Ergänzungen des Covid-19-Gesetzes vom 19. März 2021 (Corona-Transition berichtete).

Zum Jahrestag der Vereinsgründung sprach Corona-Transition mit Mediensprecher Michael Bubendorf über die Zukunft der «Freunde der Verfassung».

Herr Bubendorf, gegenwärtig ist Sommer, die Massnahmen lockerer: Viele Menschen scheinen kein Problem mehr zu haben mit der «neuen Normalität». Kämpfen die Verfassungsfreunde gegen Windmühlen?

Schauen wir auf die Abstimmung vom 13. Juni über das Covid-19-Gesetz. 40 Prozent der Stimmbürger haben das Gesetz abgelehnt. Das sind 1,27 Millionen Menschen. Und das, obwohl das gesamte Establishment für das Gesetz war. Ich gehe davon aus, dass in der Schweiz gegenwärtig mindestens ein Drittel, wenn nicht sogar 40 Prozent der Bevölkerung, erbitterte Massnahmengegner sind. Dazu kommt: Diese grosse Anzahl Stimmbürger wehrte sich gegen das Gesetz trotz der Entschädigungen, welche die Regierung bei einem Nein zum Gesetz in Frage gestellt hatte.

Mit den Hilfszahlungen kann die Regierung dieses Mal nicht mehr kommen.

Ja genau. Deshalb sehe ich das zweite Referendum als eine super Gelegenheit für den Souverän, den ganzen Spuk zu beenden. Wenn wir uns im November wieder inmitten dieser wahnsinnigen Massnahmen befinden, was ich mir gut vorstellen kann, werden noch mehr Menschen gegen das Gesetz stimmen. Ich bin sehr optimistisch für diese Abstimmung.

Wie geht ihr vor, um gegen das Covid-19-Gesetz zu mobilisieren? Wie versucht ihr die «unentschlossenen» Leute zu erreichen und auf eure Seite zu ziehen?

Wir erwarten, dass wir keine Leute auf unsere Seite ziehen müssen. Die kommen von selbst. Immer mehr Schweizer sehen den gesundheitlichen Sinn all dieser Gesetze nicht mehr. Und wenn die Geimpften dann realisieren, dass sie ja immer noch angesteckt und krank werden können, könnten sie allenfalls recht aufgebracht und ebenfalls politisiert werden.

Den Lead der Abstimmungskampagne übernimmt das Aktionsbündnis Urkantone?

Nein. Wir arbeiten gemeinsam mit den Organisationen des Referendumskomitees zusammen.

Wie sieht der aktuelle Stand der Dinge aus?

Wir sind im Moment in der Planung der Aufgabenverteilung. Diese machen wir drei Organisationen zusammen. Die erste Aktion wird allerdings Fundraising sein, damit wir dann budgetieren können. Erst dann können wir abschätzen, in welchem Umfang wir Mittel einsetzen können.

Mit einem Nein zum Covid-19-Gesetz ist es aber noch nicht getan. Massnahmen kann der Bundesrat basierend auf dem Epidemiengesetz dann ja nach wie vor umsetzen.

Ja, trotzdem ist das zweite Referendum zum Covid-19-Gesetz für uns eine riesige Gelegenheit. Damit können wir dem Bundesrat nun wirklich die rote Karte zeigen. Einem Bundesrat, der wohlgemerkt nach wie vor behauptet, seine Politik stehe im Dienste der angeblichen Pandemiebekämpfung.

Was ist jetzt besonders wichtig? Wie kann die Abstimmung die gegenwärtige Politik generell in ihre Schranken weisen?

Wichtig ist jetzt, dass immer mehr Menschen in ihrem Umfeld mutig hinstehen und sagen: Ich glaube nicht mehr daran, dass diese Massnahmen irgendeinen positiven Nutzen haben. Wenn das gelingt, dass die Menschen beginnen authentisch zu ihrer Meinung zu stehen und sagen: Das passt doch alles nicht zusammen! Dann werden wir die Abstimmung gewinnen.

Je mehr Menschen ihre Zweifel äussern, desto schwieriger wird es für die Regierung.

Auf jeden Fall. Selbst wenn wir nur 25 Prozent wären. Das wäre zwar nicht super, das ist noch keine Mehrheit. Doch selbst dann lautet die gute Nachricht: Das sind immer noch viel zu viele. Die Regierung kann uns nicht mehr einfach kriminalisieren und einsperren. Ich bin überzeugt, dass die Gruppe der Massnahmengegner eine Gegenöffentlichkeit bilden kann, die einen anderen Weg gehen möchte. Einen Weg der Freiheit, der echten, gelebten Solidarität und der Menschlichkeit.

Wie können weitere scharfe Massnahmen verhindert werden?

Es gibt zwei Szenarien. Entweder man erkennt, dass wir in einer Test-Pandemie leben und beginnt die PCR-Tests zu regulieren. Das heisst: Man setzt die Ct-Werte auf ein vernünftig tiefes Niveau herunter. Dann wäre die Pandemie vorbei.

Szenario zwei?

Man fährt weiter wie bisher. Entsprechend wird man anhand der Tests zirkulierende Viren finden – wie jeden Winter. Dann sehe ich keinen Ausweg für die Regierung und die Bevölkerung, die in diesem Narrativ lebt. Der Bundesrat wird dann vermutlich wieder auf dieselben Massnahmen setzen wie letzten Winter. In den Augen des Bundesrats waren diese ja angeblich erfolgreich.

Die Bevölkerung ist gegenwärtig gespalten. Familien und Freundeskreise werden durcheinandergewühlt. Zwischen Massnahmengegnern und Befürwortern sind die Fronten verhärtet. Wie sehen Sie das?

Ich bin überzeugt, dass wir in der Schweiz gegenwärtig zwei Arten von Menschen haben: Wir haben diejenigen, die Angst haben vor der Pandemie, und wir haben auf der anderen Seite diejenigen, die den PCR-Test verstanden haben.

Viele Leute haben doch noch zahlreiche andere Ängste. Der Historiker Daniele Ganser sprach in diesem Zusammenhang von drei Sorten von Ängsten. Die Angst vor dem Virus, die Angst vor Armut und die Angst vor Diktatur.

Daniele Ganser hat einen entscheidenden Punkt vergessen. Das habe ich ihm auch schon gesagt: Die Angst vor sozialer Ächtung. Sie ist der Haupttreiber dieser Pandemie. Natürlich existieren all diese Formen der Angst. Trotzdem: In der Mitte der Gesellschaft gibt es eine ganz grosse Anzahl an Menschen, die einfach nur Angst vor sozialer Ächtung hat. Die trauen sich nicht mehr, ihre Meinung zu äussern.

Was macht Ihnen politisch momentan am meisten Angst?

Die Impfung macht mir grosse Sorgen. Auch die Virusmutationen, die nach Medienberichten bald für Geimpfte zu einer grossen Gefahr werden könnten. Äusserst bedrohlich empfinde ich die faschistischen Bemerkungen einzelner Politiker, welche unter dem gegenwärtigen Massnahmenregime offen zur Diskriminierung und Markierung von Nicht-Geimpften aufrufen.

Vorausgesetzt, die gegenwärtigen Massnahmen werden früher oder später gekippt: Was sind dann die längerfristigen Ziele der Verfassungsfreunde?

Sobald die gegenwärtigen Massnahmen ein Ende finden, werden die Auswirkungen dieser fehlgeleiteten Politik erst richtig sichtbar. Dann kommen die ganzen wirtschaftlichen Auffangmassnahmen ans Ende ihrer Wirksamkeit: Zum Beispiel die Kurzarbeitsentschädigungen. Die werden irgendwann einmal auslaufen. Ich denke aber auch an die Geldpolitik der Zentralbanken, die ungeheuer viel Geld druckten. Das hat bereits jetzt zu Inflation geführt. Die Bewältigung dieser gesellschaftlichen Probleme wollen wir nicht den immergleichen Akteuren überlassen. Auch hier muss der Souverän ein Wort mitreden.

Viele Probleme sind aber nicht erst durch Corona entstanden.

So ist es. Der Staat masst sich schon seit Jahren an, für jedes Problem die richtige Lösung zu haben. Dagegen haben die meisten von uns jahrzehntelang nur wenig unternommen. Ich denke an Terror, Klimawandel und jetzt auch an die Pandemie. Ein Blick auf die neusten Bedrohungsszenarien, die der Bundesrat bereits wieder an die Wand malt, zeigt: Die Themen gehen nicht aus. Da kommen Cyberrisiken hinzu, die Strommangellage und und und. Ich sehe leider eine Existenzberechtigung für die Verfassungsfreunde weit über Corona hinaus.

Die Macht des Staates ist ein Teil: Doch was ist mit den Grosskonzernen, deren Macht seit Beginn der «Pandemie» noch massiv zugenommen hat?

Das schreiben wir ja auch klipp und klar auf unserer Website: Die Freiheit und Demokratie sind in Gefahr, weil sie von einer immer engeren Verflechtung von Staat und Konzernen bedroht werden. Die Grosskonzerne sind genauso ein Problem. Beide schaufeln sich gegenseitig immer mehr Macht zu. Inzwischen hat sich ein konzern-staatlicher Komplex gebildet, der die Grenzen zwischen Konzernen und Legislative immer mehr verwischen lässt. Grosskonzerne schreiben inzwischen Gesetze, die später im Parlament diskutiert und von der Exekutive gefordert werden. Zum Teil werden die dann eins-zu-eins im Sinne der Konzerne umgesetzt. Dazu kommt: Grosskonzerne haben nur wegen der Interventionen des Staates so eine Machtfülle erlangt.

Im Interview mit Daniele Schranz warben Sie kürzlich für das Buch «Der Weg zur Knechtschaft» von Friedrich August von Hayek. Hayeks Ideen des Neoliberalismus führten doch genau zu den Problemen, die Sie ansprechen.

Leider hat der Liberalismus gerade auch innerhalb unserer Bewegung einen schlechten Ruf. Ich sehe hier einen grossen blinden Fleck bei vielen Protagonisten innerhalb der Bewegung. Ich denke beispielsweise an Ken Jebsen. Was viele nicht verstehen: Die Ideen von Hayek wurden in der Realität gar nie umgesetzt.

Das gleiche sagen Sozialisten mit umgekehrten Vorzeichen auch, von Stalin bis zu Honecker: Das habe alles nichts mit Sozialismus zu tun.

Ja, ich hörte dieses Argument von Linken schon oft. «Sozialismus funktioniere schon, man muss ihm einfach noch einmal eine Chance geben.» Man darf Sozialismus nicht mit einer sozialen Politik verwechseln. Wir sind selbstverständlich sehr für eine soziale Politik. Nun ist Sozialismus aber das exakte Gegenteil einer sozialen Politik, denn der Sozialismus ist immer auf Zwangsmittel angewiesen. Aus genau diesem Grund führt der Sozialismus immer und immer wieder in die Katastrophe. Die Geschichtsbücher sind voll davon, denn egal ob sich der Sozialismus als «rechts» offenbarte wie im Nationalsozialismus oder als «links» wie im Kommunismus; am Ende stand stets Massenmord und Genozid.

Zurück zum angeblichen Missverständnis des Neoliberalismus. Wo liegen dann die Probleme, dass wir heute da sind, wo wir sind?

Nehmen wir die Subprime-Krise 2008. Im Liberalismus à la Hayek wäre eine solche Krise überhaupt nicht möglich gewesen. Viele sagten damals: Das ist der Neoliberalismus, der Raubtierkapitalismus, der hier zum Tragen kommt. Nichts ist ferner von der Wahrheit. Die Krise entstand, weil die verantwortlichen Akteure die Gewinne über Jahre nur in ihre eigene Tasche steckten. Und in dem Moment, wo das Risiko eintrat, holte man die öffentliche Hand zur Hilfe. Man hat also Gewinne privatisiert und gleichzeitig die Verluste und Risiken an den Steuerzahler ausgelagert. Diese Entwicklungen haben sich seither noch verschlimmert. Mit dieser Politik werden jetzt auch weite Teile des Mittelstands sowie die kleineren und mittleren Unternehmen hart getroffen.

Unabhängig von Sozialismus oder Neoliberalismus: Die Stimmbürger hatten bei all diesen Entwicklungen kaum ein Wort mitzureden.

Genau das ist ein kolossales Problem. Das Schweizer Too-big-to-fail-Regime wurde damals ohne demokratische Legitimation umgesetzt.

Gerade innerhalb der Bürgerbewegung herrscht ein grosses Misstrauen gegenüber den etablierten Parteien. Alle Parteien gelten als unwählbar. Alternativen gibt es bislang keine. Wird aus den Verfassungsfreunden bald eine politische Partei, welche diese Leute abholen könnte?

Wir befinden uns momentan in einer Evaluationsphase. Wir analysieren gegenwärtig die Möglichkeiten sowie auch die Probleme und Risiken, die damit verbunden wären. Gegen Ende August werden wir diesbezüglich mit einem entsprechenden Vorschlag an unsere Mitglieder herantreten. Letztlich entscheidet die Basis, welchen Weg wir einschlagen werden.

Die Verfassungsfreunde sorgten zuletzt auch für negative Schlagzeilen. Die Republik schrieb kürzlich, dass ein ehemaliges Mitglied der Verfassungsfreunde dank eines Datenlecks an viele Handynummern gekommen ist und diesen eine SMS mit Wahlempfehlungen zum 13. Juni geschickt hatte. Was war das passiert?

Das hatte nichts mit den Verfassungsfreunden zu tun. Die Person, welche die SMS verschickte, war zwar bei uns Mitglied. Sie machte dies jedoch nicht im Namen der Verfassungsfreunde. Vielleicht ist diese Person ja auch noch Mitglied des Schützenvereins Obergösgen. Das bedeutet: Auch der Schützenverein hat nichts damit zu tun. Die Verknüpfung, welche die Republik versucht hat zu konstruieren, die existiert schlicht und einfach nicht. Mit Journalismus, der die Demokratie retten will, was sich die Republik ursprünglich auf die Fahnen geschrieben hatte, hat das nichts zu tun.

Wie vermeidet ihr künftig solche Peinlichkeiten?

Wir haben das Mitglied nach dieser Aktion aus dem Verein ausgeschlossen. Das war kein einfacher Schritt. Denn es handelte sich um ein verdientes Mitglied. Wir haben diesen Vorfall auch zum Anlass genommen, unsere Mitglieder in Verantwortungspositionen wie zum Beispiel die Regio-Gruppenleiter zu sensibilisieren in Bezug auf Datenschutz. Gerade für einen Verein, der so schnell wächst, ist es natürlich eine grosse Herausforderung. Die Sensibilisierung muss rechtzeitig gelingen. Auch deshalb, weil wir den Mitgliedern nicht autoritär vorschreiben wollen, was sie tun müssen und was nicht. Wir wollen sie nicht in rechtliche Korsetts zwingen. Trotzdem müssen wir sie sensibilisieren. Das ist nicht immer einfach, es ist ein Spagat.

Stichwort Journalismus. «Die Freunde der Verfassung» unterstützen gegenwärtig das Referendum gegen das Medienförderungsgesetz. Weshalb braucht es das?

Das Gesetz sieht vor, dass die grossen Verlage künftig jährlich 178 Millionen Franken erhalten vom Staat. Dabei muss man wissen: Das sind ohnehin schon steinreiche Verlage. Denken Sie nur an die Besitzerfamilie der Tamedia-Gruppe, die Familien Coninx und Supino. Dazu kommt: Mit diesen Zahlungen wird objektiver Journalismus verhindert. So wird kritischer Journalismus verunmöglicht.

Das Geld alleine ist aber noch nicht alles. Viele Journalisten glauben ja aus eigener Überzeugung, dass die Regierung es grundsätzlich gut meint mit uns?

Das stimmt. Das ist natürlich auch ein Problem. Sehen Sie: Viele der Journalisten kommen direkt von der Universität. Dort wurden sie bereits staatskonform ausgebildet. Auch das ist eine Entwicklung, die wir jetzt bestens sehen.

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Michael Bubendorf ist Familienvater, Unternehmer, Gründungsmitglied und Pressesprecher der «Freunde der Verfassung».

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