Horst D. Deckert

Die Revolution muss im Kopf stattfinden!

Schon die Fahrt nach Glarus lässt mich schmunzeln: Ein Kreisel mit rostigen Stahlfiguren, die an die direktdemokratische Tradition der Landsgemeindeversammlung erinnern soll, durchbricht die Kantonsstrasse. Links und rechts wirken die abzweigenden Strassen mehr wie kleine Quartiereinfahrten, nicht wie bedeutende Verkehrsachsen. Gabriela, bei der ich mit der Gruppe «OHA Glarus» verabredet bin, meint: «Mich muss man finden. Links und rechts türmen sich hohe Berge – und die einzige Strasse führt an meinem Haus vorbei!»

Das Tal mit Blick auf den Glärnisch mag eng sein, der Geist der fünfköpfigen Truppe, die sich «OHA Glarus» nennt, ist umso offener! OHA steht nämlich für: Offen – Hinterfragen – Austausch.

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Auf dem Sitzplatz mit Garten und freilaufenden Hühnern komme ich mit den fünf Frauen schnell ins Gespräch. Gabriela, praktizierende Homöopathin und zweifache Mutter, ging am Anfang der Corona-Krise auf Demos, worauf sie bald zur Erkenntnis kam: «Das bringt gar nichts. Diese Unverhältnismässigkeit der Polizei uns Demonstrierenden gegenüber hat mich frustriert. Ich wollte wirklich etwas bewegen.»

Etwas bewegen wollte auch Marianne, nämlich in den Köpfen der Politiker. Sie ist von Beruf Hotel- und Gastgewerbefachfrau. «Ich habe das Buch ‹Corona Fehlalarm?› von Karina Reiss und Sucharit Bhakdi zehnmal gekauft und es an die Bundesräte und Christoph Blocher geschickt. Antworten bekam ich von den meisten, sehr formell. Ausser die von Blocher, die war wirklich persönlich, er nahm auch Bezug zum Buch!»

Eve, die ursprünglich das KV und die Automech-Lehre absolvierte und nun in der Projektbeschaffung in einem KMU arbeitet, nennt sich einen Vereinsmenschen: «Mein Vereinsleben wurde komplett an die Wand gefahren. Nicht mal mehr in die Feuerwehr konnte ich! Ein komisches Gefühl, was die Gesellschaft anbelangt, habe ich schon seit 9/11 …».

Mit einem ebenso unguten Bauchgefühl kam Susanne, gelernte Malerin und Kleinkinderzieherin und Mutter von drei Kindern, durch ein Gespräch auf der Strasse mit den Gleichgesinnten in Kontakt.

Miriam, die zweifache Mutter, Naturheilpraktikerin und Ayurveda-Therapeutin, gesellte sich zum ersten Treffen im Waschhüüsli am Landsgemeindeplatz in Glarus dazu. Dies aus der Überzeugung, durch den Austausch mit ihren Mitmenschen etwas verändern zu können.

Beim ersten Treffen war noch ein Mann dabei, der später ausgestiegen ist. «Das war ihm vermutlich zu viel Womenpower», lacht Gabriela. «Unser zweites Treffen zog bereits gut 20 Leute an. Aus den Treffen entstand die Idee, Informationsanlässe zu organisieren, denn die Revolution muss von innen kommen, nicht von aussen», ist sich Marianne sicher.

Treffen wecken grosses Interesse

Zu ihrem ersten Event luden die Frauen den Arzt Andreas Heisler und Christoph Ruckli ein, der den YouTube-Kanal «CoronaDepro» betreibt. Es kamen erstaunlich viele Leute. Den ersten und zweiten Anlass bewarben sie noch mit Flyern, doch das erübrigte sich bald: Das Interesse war so gross!

Die zweite Veranstaltung mit Stefan Millius, dem Chefredaktor der Zeitung Die Ostschweiz, und dem Arzt Dr. Björn Riggenbach wurde wegen der grossen Nachfrage parallel an zwei Orten durchgeführt. Die Referenten wechselten nach ihrem Vortrag einfach den Saal! Für weitere Treffen wurde der Gruppe kein öffentliches Gebäude mehr zur Verfügung gestellt.

Für andere Veranstaltungen, wie der mit Uwe Burka, Andreas Thiel, dem Anwalt Philipp Kruse sowie Lehrern und Lehrerinnen musste nach Alternativen gesucht werden. Glücklicherweise hatte immer jemand in der Gruppe eine Idee für eine konstruktive Lösung. Informationen über alle Treffen finden sich auf der Website von «OHA-Glarus».

Eine Journalistin vom SRF bemühte sich, die Veranstaltung von Daniel Trappitsch, Geschäftsführer «Netzwerk Impfentscheid», und dem Juristen Gerald Brei zu besuchen. Doch die Veranstalterinnen waren sich einig: «Publicity schadet mehr, als das sie nützt. Wir sind für die nur ein gefundenes Fressen, um jemanden in den Medien schlechtmachen zu können. Dafür halten wir unseren Kopf nicht her». Gabriela musste vehement auftreten und die Journalistin mit resolutem Ton vertreiben.

Durch die Informationstreffen kam Bewegung ins Geschehen. Etliche Themengruppen wurden ins Leben gerufen. Da gibt es mittlerweile die «Schule/Eltern-Gruppe», die sich mit den Massnahmen an den Schulen auseinandersetzt, Briefe verfasst und Inserate lanciert. Eine Flyer-Gruppe kümmert sich um die Gestaltung, Verteilung und Koordination der Flyer.

Willkommen sind alle, die sich einbringen wollen. Ohne viel Struktur kamen viele Aktivitäten ins Laufen. Das erstaunt selbst die Frauen: «Bei unseren Arbeitstreffen wird so viel gelacht und trotzdem sind wir effizient!». Spass und Arbeit scheint eine gute Kombination zu sein!

Und Konflikte, gibt es die auch? Einen Moment wird überlegt: «Diskussionen gab es schon, aber das gehört dazu. Eine Lösung und einen Konsens zu finden ebenso. Uns verbindet, dass wir uns nicht vor dem Virus fürchten, aber auch nicht vor der Veränderung. Die wollen wir sein!»

Zeit für etwas Neues

Ohne die äusseren Bedingungen, die durch das Coronavirus eingezogen sind, wären diese fünf Frauen wohl kaum an einen gemeinsamen Tisch gekommen. So unterschiedlich sie auch sind, so verwandt sind ihre Visionen:

Eve: «Die falschen Leute sind einfach am falschen Ort: Das möchte ich ändern! Bei den Verfassungsfreunden habe ich meine neue politische Heimat gefunden!»

Susanne: «Mein Fokus für die Zukunft liegt bei unseren Kindern und alternativen Bildungsangeboten. Es tut mir einfach weh, zu sehen, wie unsere Kinder durch die Massnahmen kollektiv traumatisiert werden.»

Für Miriam ist das Fundament unserer Gesellschaft schon lange marode. «Da muss sich eine neue Form von Gemeinschaft mit Wertschätzung für jeden entwickeln. Die Verantwortung über die Gesundheit muss wieder zum Einzelnen zurückgehen.»

Marianne: «Ich möchte ein Bindeglied zwischen Menschen sein, vermitteln und dort mithelfen, wo ich kann und mit dem, was ich kann.»

Gabriela: «Ich freue mich sehr auf das Neue, das jetzt bevorsteht! Um die Bequemlichkeit der Menschen aufzubrechen, hat es einen Knall gebraucht. Ich möchte die Chance nutzen, um die Gesellschaft nachhaltig und menschlich zu verändern!»

Die Gruppe «OHA-Glarus» verfügt über eine übersichtliche Website. Gearbeitet wird nach dem Prinzip der Freiwilligkeit: «Man kann, aber man muss nicht.»

Und sie zeigen: Es geht ganz einfach, «Frau» muss es nur tun!

Das Rezept heisst:

• Den Mut aufbringen, Leute anzusprechen

• Seine Idee weitererzählen und abtasten, wer sich dafür begeistern kann

• Leute einladen, Treffpunkt organisieren

• Miteinander ins Gespräch kommen

• Ideen austauschen

• Arbeitsgruppen nach Interessen bilden

• Informationen austauschen

Das Resultat heisst: gelebte Demokratie!

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