Horst D. Deckert

Die Schweinezüchter vom „Spiegel“: Schlagzeile & Schlaglicht

Unter der Lupe: Der Spiegel – Foto: Imago

Der hat doch einen Schlag!“ ist eine beliebte Redewendung, um auszudrücken, daß jemand „nicht mehr ganz dicht“ ist, nicht mehr „alle Latten am Zaun“ – respektive „einen Dachschaden“ hat. So ist es auch kein Wunder, daß hin und wieder jemand, der offensichtlich einen Schlag hat, auch eine Schlagzeile produziert. So geschehen beim „Spiegel„:“Mutmaßlicher Rechtsextremist im Bundesverteidigungsministerium enttarnt„, heißt es da. Das wirft ein Schlaglicht auf den Schlag, der sich in der Schlagzeile offenbart.

Rückblende

Zu Zeiten, als der „Spiegel“ noch als das deutsche „Sturmgeschütz der Demokratie“ gegolten hat, hätte man als Schlagzeile eventuell gelesen: „Rechtsextremist im Bundesverteidigungsministerium enttarnt.“ Heute nicht mehr. Heutzutage ist bereits die Enttarnung des Mutmaßlichen eine Schlagzeile wert. Bevor früher etwas veröffentlicht worden wäre im „Spiegel„, hätte man erst einmal – wenn man schon Wind davon bekommen hat – diskret verfolgt, ob sich die Mutmaßungen bestätigen, um danach zu berichten für den Fall, daß sie sich bestätigt hätten. Wenn nicht, dann wäre es eben keine Meldung geworden. Hätte sich tatsächlich bestätigt, daß es im Verteidungsministerium einen Rechtsextremisten mit Zugang zu vertraulichen Informationen gegeben hat, dann wäre er womöglich auch nur „aufgeflogen“ – und nicht gleich „enttarnt“ worden.

Heute reicht also die „Enttarnung des Mutmaßlichen“ für eine Schlagzeile. Der Mutmaßliche hatte sich also auch noch getarnt. Gipfel jener Perfidie, für welche die Mutmaßlichen weltweit berüchtigt sind, seit mutmaßliche Hexen entlarvt werden konnten, um sie hernach ihrer gerechten Verbrennung zuzuführen. Man darf sich ziemlich sicher sein, daß es dem „Spiegel“ keine Zeile wert sein wird, sollten sich die Mutmaßungen über den „Enttarnten“ nicht bestätigen.

Wer entlarvt sich?

Der „Spiegel“ entlarvt sich: Seit Relotius nichts dazugelernt. Hatte er auch nicht wirklich nötig. Die Behauptung, daß er sich bessern wolle, war es, die er nötig hatte. Weil er schließlich Leser nötig hat. Deren Zahl wiederum würde ins Bodenlose sinken, wenn sie davon ausgehen müssten, daß sie auch weiterhin dreist angelogen werden. Das öffentliche Zukreuzekriechen damals, die wohlfeilen Besserungsgelöbnisse und die ganze zur Schau getragene Zerknirschung dienten lediglich der Fassadenrenovierung. Und die wiederum diente der Auflage, nicht der Wahrheit.

Denn die Haltung, hinter der Relotius seine Phantasiegeschichten damals so lange so formidabel verstecken konnte, wabert noch immer gänzlich unreformiert wie eine hirnzellenzersetzende Giftgaswolke über den Schädeln sowohl der „Spiegel„- Produzenten als auch denen seiner Konsumenten. Da gab es keinen Anlaß zur Besserung. Ganz im Gegenteil: Eine kritische Auseinandersertzung mit der eigenen – und der Haltung der Leser – hätte die Auflage ebenso gedrückt wie das Ausbleiben eines wohlfeilen Besserungsgelöbnisses. Nur das „Nichtentlarvtwerden“ war damals als tatsächlich übungsbedürftig identifiziert worden. Bislang ohne vorzuweisende Resultate, wie die gegenständliche Schlagzeile schlaglichtartig ausstellt.

Maßstäbe der Mutmaßer

Es ist so: Wenn jemand schreibt, ein Mutmaßlicher sei enttarnt worden, dann liefert er damit mehr Information über seinen eigenen Geisteszustand, als über den Geisteszustand des Mutmaßlichen, weil dem ja immer noch erst unterstellt wird, daß er einen bestimmten Geisteszustand hätte – hier einen rechtsextremistischen, der in einer zutreffenden Übersetzung auch als „braunlinks“ hätte bezeichnet werden können – , während der Geisteszustand des Schlagzeilenverfassers bereits feststeht. Der illustriert zweifellos nicht die Schlechtigkeit eines mutmaßlichen Hetzers, sondern die eines tatsächlichen. Offensichtlich war er von vornherein gar nicht an der Verbreitung einer gesicherten Information interessiert gewesen, sondern an der Verbreitung einer Mutmaßung. Wer aber, ohne zu wissen, nach welchen Maßstäben der Mutmaßer – hier der MAD – mutmaßte, glaubt, er sei informiert worden, wenn ihm erzählt wurde, ein Mutmaßlicher sei „enttarnt“ worden, der kann sich statt des „Spiegel“ auch gleich ein Fachmagazin für Schweinezucht kaufen. Denn letztlich ist es das, was der „Spiegel“ heutzutage betreibt: Schweinezucht, wenn auch nur in einem übertragenen Sinne.

So sah die Entwicklungsgeschichte des „Spiegel-Redakteurs also aus im vergangenen halben Jahrhundert: Vom Sturmschützen der Demokratie zur Zuchtsau im Schweinestall. Für sich genommen war das durchaus ein Erfolg. Das Gegrunze ist inzwischen im ganzen Land zu vernehmen.

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