Horst D. Deckert

Die Ukraine bekommt Oberwasser – und definiert eigene Kriegsziele

Ehrbare Vorzeigedemokraten, die jede unserer Milliarden wert sind: Die ukrainische Staatsführung (Parlamentspräsident, Präsident, Regierungschef) (Foto:Imago)

Das Opfer emanzipiert sich und dreht den Spieß zunehmend herum: Dass der Ukraine-Krieg nun von den westlich hochmunitionierten Kiewer Musterdemokraten und „Verteidigern der Freiheit Europas“ benutzt wird, um einen territorialen Revisionismus zu vollziehen, war zu erwarten. Während sich alle Welt über den Geisteszustand von Wladimir Putin den Kopf zerbricht, wird jener des ukrainischen Präsidenten nicht in Frage gestellt – obwohl dieser binnen weniger Jahre eine wundersame, harlekingleiche Wandlung vom „Komiker unter der Gürtellinie” zum lupenreinen Kleptokraten und nunmehrigen „Kriegshelden“ hinlegte und somit als schillernd genug gelten müsste, um seine Absichten zu hinterfragen. Anscheinend fühlt man sich jedenfalls im Umfeld von Selenskyj mittlerweile so siegestrunken und mit Narrenfreiheiten des mächtigsten Militärbündnisses der Erde ausgestattet, dass auch Größenwahn zur Tugend wird.

Erneut haben ukrainische Truppen ihrerseits nun russisches Territorium angegriffen. Für das Opfer eines Angriffskrieges in einem verzweifelten Abwehrkampf, der naturgemäß einem Spiel ohne Regeln gleich, wäre dies ein legitimer Akt. Hier geht es aber um mehr: Das Ziel ist nicht mehr nur die Zurückschlagung und Landesverteidigung, sondern der offensichtliche Versuch, diesen Krieg um jeden Preis weiter hochzueskalieren und von einem lokal begrenzten Konflikt auf ukrainischem Territorium zum Weltkrieg auszuweiten. Kiew will den finalen Endkampf um die Zukunft im Sinne einer Zerschlagung Russlands entschieden wissen. Das hört sich nur scheinbar widersprüchlich an, da es doch Russland ist, das eben das ukrainische Existenzrecht bedroht. Hier jedoch wird mit voller Absicht übers Ziel hinausgeschossen, und der einzige plausible Grund dafür ist der, Putin so sehr bis aufs Messer zu reizen und in eine subjektive Enge zu treiben, bis er zum großen Hammer greift.

Auf ein Gläschen Krimsekt…

Der Westen (vor allem die USA aus sicherer Entfernung, die die EU nach dem Motto „Hannemann, geh du voran!” ertüchtigen, weiter Tatsachen zu schaffen) tut in seiner Pseudomoralität und hündischen Fundamentalsolidarität gegenüber Kiew nun alles, um diese Spirale weiterzudrehen. Die Ankündigung der Blitz-Aufnahme von Finnland und Schweden in die NATO kommt in dieser Situation denkbar zur Unzeit. Es wirkt fast so, als wolle man austesten, ab welchem Punkt Putin endlich die Nerven verliert. Dazu passt auch die nunmehrige Ausweitung der ukrainischen Kriegsziele: Die Ukraine will nun so lange weiterkämpfen, bis auch die seit 2014 von Russland besetzte Krim zurückerobert ist. Darauf stößt man anscheinend im Selenskyj-Führerhauptquartier schon mit Krimsekt an: „Was auch immer nötig ist und ganz gleich, wie lange es dauert, die Ukraine wird militärisch und auch diplomatisch dafür kämpfen, dass unser Land vollständig wiederhergestellt wird in seiner gesamten territorialen Integrität, natürlich einschließlich des Donbass und der Krim„, sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba heute im ZDF-„Heute Journal“ – was vom Staatsfunk wie üblich weder kritisiert noch wenigstens problematisiert, sondern nur mit zustimmendem Nicken und einem mimischen Ausdruck von Genugtuung quittiert wurde. Die Führung eines von „Vernichtung“ bedrohten Staates sollte sich anders äußern. Zumindest taktisch, wenn sie auf Spenden- und Herzenfängertour in Deutschland unterwegs ist, wo sich Tränendrüsen, Herzen und Hirne der Einwohner besonders leicht stimulieren lassen. Doch mittlerweile hat man die Deutschen anscheinend so weit, dass es die tränenreiche Opferrolle gar nicht mehr braucht, solange das höhere Ziel der Erniedrigung Russlands im Raum steht.

Auf die – vom ZDF selbst natürlich nicht thematisierten – Sorgen vor einem Atomkrieg )nicht nur der zivilen deutschen Bevölkerung, sondern auch zunehmend von Militärs, politischen Beobachtern und Konfliktforschern) ging Außenminister Kuleba selbst ein, allerdings mit dem üblichen leichtfertigen Hochmut: In entweder stupender Einfalt oder gerissener Hinterlist erklärte er, ein solcher drohe ganz gewiss nicht. „Ich sehe tatsächlich nicht die Möglichkeit, dass hier ein nuklearer Krieg als Möglichkeit auf dem Tisch läge. Denn das wäre der letzte Krieg und zwar auch für Russland.” Es klingt so ähnlich, als riefe hier ein von einer Schusswaffe bedrohter Halbstarker seinem Gegner zu: Du traust dich doch eh nicht abzudrücken… so dumm bist du sicher nicht! Man muss kein Psychologe sein um zu ahnen, dass Sätze wie dieser Putin nur noch mehr provozieren dürften, diesen Krieg sehr bald auf eine andere Ebene zu hieven.

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