Horst D. Deckert

Diplomatie funktioniert noch – nur nicht im Westen – Über das Treffen Putin und Erdogan

Der Westen erwartete sich zweifellos viel vom Treffen der Präsidenten Russlands und der Türkei.

In erster Lesung wohl eine Wiederaufnahme der Schwarzmeer-Initiative. Widererwarten ersetzen Moskau und Ankara jenes Getreideabkommen jedoch stattdessen mit einem Neuen. Der Grund dafür ist so simpel wie real, Unabhängige Politik innen wie außen.

Diplomatie der „alten Schule“

Dass sich die beiden Gesprächspartner bei ihren Treffen mit Dolmetschern verkabeln müssen, ist hierbei wohl die geringste Herausforderung. Putin und Erdoğan zeigen vor, wie Diplomatie funktioniert auch unter vielfältigen, schwierigen Bedingungen, sofern beide Seiten tatsächlich verhandlungswillig sind.

Hierzu eine Analyse von Pjotr Akopow für RIA Novosti.

Das Treffen der Präsidenten Wladimir Putin (Russland) und Recep Tayip Erdoğan (Türkei) im russischen Sotschi war das erste seit Herbst des Vorjahres.

Damals sprachen beide Staatsmänner zweimal bei Gipfeltreffen in Mittelasien miteinander. Viel wichtiger wurde das Treffen in Sotschi jedoch deswegen, weil es das erste nach der Wiederwahl Erdoğan vor drei Monaten war, denn nach den Wahlen gab es viele Spekulationen um einen Kurswechsel Ankaras.

In der Türkei wie in Russland wurde seitdem viel darüber gesprochen: „Erdogan vollzieht harte Halse zum Westen hin“, hieß es dazu. Und alles, aber auch alles wurde damit in Verbindung gebracht, einschließlich der, Russland so missfallenen Rückgabe der Asow-Bandenbosse an Kiew, die zuvor in der Türkei interniert gewesen waren.

Daher sollte dieses jüngste Treffen die Stimmung und Einstellung der beiden Staatschefs zeigen sowie den Zustand der Beziehungen zwischen Russland und der Türkei. Ausgerechnet das, und nicht etwa eine Wiederaufnahme des Getreideabkommens, bildete bei diesem Treffen das Hauptinteresse.

Getreide-Deal ein Nebenthema

Mit dem Getreidedeal war ja ohnehin alles klar. Es wird ihn nicht mehr geben, weil die Türkei nicht auf die Position des Westens bezüglich einer Umsetzung der Forderungen Russlands einwirken kann.

Dies bestätigte auch dieses Treffen. An die Stelle des alten Getreideabkommens trat eine Übereinkunft Russlands mit der Türkei und Katar über die Ausfuhr russischen Getreides. Diese ist lukrativ sowohl für Moskau als auch für Ankara, da beide darauf fokussiert sind, nicht etwa allein die bestehenden Probleme in ihrer bilateralen Beziehung zu lösen, sondern diese Beziehung selbst genauso unabhängiger vom Einfluss äußerer Kräfte zu machen.

Moskau und Peking wenden die Formel „Die Beziehung zweier Länder hängen nicht von äußeren Einflüssen ab“ bereits auf die Beziehungen zwischen Russland und China an. Der Wunsch, solch „wetterfester“ Verbindungen auch zwischen Russland und der Türkei aufzubauen, besteht ebenfalls.

Tatsache ist ebenfalls, die Türkei ist NATO-Mitglied, sie beansprucht größeren Einfluss auf Transkaukasien, das zum Interessenbereich Russlands gehört, sie hat mit Russland Differenzen zu Syrien, von der Position des offiziellen Ankara zur Ukraine, ganz zu schweigen.

Doch wie in der NATO und auch in Syrien führt Erdoğan auch bezüglich der ukrainischen Frage sein eigenes Spiel und vertritt eine Position, die den türkischen Interessen entspricht. Zumindest so, wie er diese Interessen versteht, anstatt fremden Willen auszuführen und Interessen von Drittstaaten zu vertreten.

Darin besteht der grundlegende Unterschied zu den Staatschefs des kollektiven Westens von Deutschland bis Japan. Erdoğan ist ein selbständiger Politiker, der ausschließlich von den Interessen des eigenen Staates geleitet ist.

Das wiederum verbindet ihn mit Putin in einem weitaus höheren Maß als die objektiven wie subjektiven Probleme und Widersprüche zwischen Russland und der Türkei sie voneinander zu trennen vermögen.

Putin erklärte bereits mehrmals, „mit Erdoğan zu tun zu haben, ist durchaus annehmbar.“

Selbiges kann der türkische Präsident über seinen russischen Kollegen sagen, mit dem er bereits zwei Jahrzehnte lang zusammenarbeitet.

Beide respektieren einander

Gerade deshalb sprach Erdogan in Sotschi über neue Projekte in den russisch-türkischen Beziehungen, nicht zuletzt über den Bau eines weiteren Atomkraftwerks nach dem fertiggestellten Akkuyu.

Nicht etwa, um Putin zu gefallen oder von ihm Eingeständnisse in irgendwelchen anderen Arbeitsbereichen zu erkaufen, sondern weil er weiß, dass die Beziehungen dieser beiden Länder Zukunft haben.

Diese Zukunft scheint also eine recht strahlende zu sein. Sowohl kraft dessen, dass diese Beziehungen für beide Länder vorteilhaft sind, als auch weil deren weiterer Entwicklungsweg eben ausschließlich von Moskau und Ankara abhängt. Die Probleme, die zwischen den beiden Ländern objektiv existieren, sind in der Form, in der sie vorliegen nicht von Dauer.

Wenn schon drei Kriege, in die beide Länder auf die eine oder andere Art auf gegnerischen Seiten involviert sind, jedoch Putins Beziehung zu Erdoğan nicht torpedieren konnten. Obwohl dies während der achtmonatigen Pause nach Abschuss eines russischen Kampfflugzeugs an der syrisch-türkischen Grenze zumindest zu erwarten war.

Alleine deshalb, weil die beiden Politiker ihre Augen vor den Differenzen nicht verschlossen, sondern aufrichtig nach Lösungswegen gesucht hatten. Oft fanden sie diese auch wie beispielsweise in Syrien, wo im Übrigen die Lageentwicklung der letzten Tage, als Araber sich gegen Kurden erheben, Russland und der Türkei neue Annäherungsmöglichkeiten gibt.

Erdogan „spielt“ gerne auf allen Bühnen

Erdoğans Gesten in Richtung Westen muss man also gemäß deren Wert betrachten. Als Element seines ständigen Spiels auf allen „Bühnen“.

Eine grundsätzliche Besserung der Beziehungen zwischen Ankara und Washington ist ebenso unmöglich wie ein EU-Beitritt der Türkei. Erdogan weiß das nur zu genau. Unmöglich ist beides deswegen, weil der türkische Präsident nicht gewillt ist, in Fragen, die er als Grundsatzfragen ansieht, klein beizugeben, ob in der Innen- oder der Außenpolitik, weil er nicht vorhat, türkische Interessen sei es in Syrien, Transkaukasien, auf Zypern oder in den Beziehungen zu Griechenland zu vernachlässigen. Obwohl seine westlichen „Partner“ eben gerade dies von ihm verlangen.

Ebenfalls käme diesen „Partnern“ eine Änderung der türkisch-russischen Beziehungen sehr gelegen. Allerdings scheint Erdogan viel eher deren Verbesserung als Verschlechterung zu wollen.


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Quellen:



 


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