Horst D. Deckert

Ein Balance-Akt

Willis Eschenbach

Ich bin ein visueller Typ. Ich verstehe Zahlen, aber nicht in Tabellen. Ich stelle sie in Diagrammen und Karten dar, damit ich verstehe, was vor sich geht. Ich habe noch einmal über die gesamte absorbierte Strahlung an der Erdoberfläche nachgedacht. Die gesamte von der Erdoberfläche absorbierte Strahlung ist eine Mischung aus langwelliger (thermischer) und kurzwelliger (solarer) Strahlung. In meinem vorigen Beitrag „Putting It Into Reverse“, [in deutscher Übersetzung hier] habe ich die Korrelation dieser absorbierten Strahlung mit der Temperatur untersucht.

Da ich ein visueller Typ bin, habe ich eine globale Karte erstellt, die zeigt, wo diese gesamte Strahlung an der Oberfläche absorbiert wird. Doch bevor ich dieses Ergebnis zeige, möchte ich kurz auf die abwärts gerichtete kurzwellige (solare) und abwärts gerichtete langwellige (thermische) Strahlung eingehen. (Beachten Sie, dass „absteigende Strahlung“ die Strahlung ist, die auf die Erdoberfläche gerichtet ist, und „aufsteigende Strahlung“ die, die in den Weltraum gerichtet ist).

Die Sonnenstrahlung ist an der Oberfläche der Atmosphäre zunächst relativ konstant. Sie beträgt im globalen Durchschnitt rund um die Uhr 340 Watt pro Quadratmeter (W/m²). Sie schwankt nur um ± 0,1 W/m² während des Sonnenfleckenzyklus‘.

Außerdem wird zu jeder Zeit und an jedem Ort ein mehr oder weniger großer Teil der einfallenden Sonnenstrahlung von Wolken und Aerosolen reflektiert. Die reflektierte Menge variiert je nach Datum, Jahreszeit, Temperatur, Ort, Höhe und lokalem Wetter.

Von der nach der Reflexion an diesem Ort verbleibenden Sonnenstrahlung wird ein mehr oder weniger großer Teil in der Atmosphäre absorbiert, hauptsächlich durch Wolken, Wasserdampf und Aerosole (Rauch, Dunst, vulkanische Aerosole, Mineralstaub). Auch hier variiert die absorbierte Menge je nach Datum, Jahreszeit, Temperatur, Ort, Aerosolart und lokalem Wetter.

Wenn schließlich die Sonnenstrahlen die Oberfläche erreichen, wird ein mehr oder weniger großer Teil der Strahlung von der Oberfläche selbst in den Weltraum zurückgeworfen. Auch hier variiert die reflektierte Menge je nach Datum, Jahreszeit, Wasserzustand (flüssig vs. Eis vs. Schnee), Windstärke, Bodenbedeckung, Ort, Höhe und lokalem Wetter.

Kurz gesagt, die Menge der vom Boden absorbierten Sonnenstrahlen schwankt in Raum und Zeit auf allen Skalen enorm.

Die abwärts gerichtete Wärmestrahlung hingegen wird von verschiedenen Dingen in der Atmosphäre über uns ausgesandt – von Treibhausgasen [?] wie Wasserdampf und CO2, von Aerosolen und von Wolken.

Die großen Schwankungen in der abwärts gerichteten Strahlung sind auf die unterschiedlichen Mengen an Wolken, Wasserdampf und Aerosolen zurückzuführen. CO2 ist ein relativ gut durchmischtes Gas, während Wasserdampf in kurzer Entfernung von nahezu Null bis zu Mengen schwanken kann, die groß genug sind, um zu kondensieren. Die Menge der von Wasserdampf, Treibhausgasen, Aerosolen und Wolken abgegebenen Wärmestrahlung variiert je nach Datum, Jahreszeit, Windstärke, Standort und lokalem Wetter.

Und wie bei der Sonnenstrahlung sind auch hier die Wolken die große Variable. Wolken sind in Bezug auf die Wärmestrahlung ein nahezu perfekter Schwarzer Körper. Wenn in einer klaren Winternacht eine Wolke vorbeizieht, kann man die Wärme sofort spüren. Und wie oben erwähnt, variiert die von den Wolken abgegebene Wärmestrahlung je nach Datum, Jahreszeit, Temperatur, Ort und lokalem Wetter.

Kurz gesagt, genau wie bei der Sonneneinstrahlung variiert die vom Boden absorbierte Wärmestrahlung in Raum und Zeit auf allen Ebenen enorm.

In Abbildung 1 ist die Gesamtmenge der von der Erdoberfläche absorbierten Strahlung (kurzwellig + langwellig) dargestellt:

Abbildung 1. Eine Karte von 1° Breitengrad mal 1° Längengrad der Gesamtmenge der von der Erdoberfläche absorbierten Strahlung.

Ich muss zugeben, dass ich mir diese Grafik anschaute, als ich sie zum ersten Mal erstellte, mich am Kopf kratzte und sagte: „Wie seltsam!“. Ich liebe Überraschungen in der Wissenschaft, und dies war eine davon.

Folgendes fand ich merkwürdig: Die südliche Hemisphäre besteht größtenteils aus Wasser, mit einem Block aus eisbedecktem Gestein unten. Das ist ein großer Unterschied zur nördlichen Hemisphäre, die viel mehr Land und Wasser anstelle von eisigem Gestein oben hat.

Aus Abbildung 1 geht hervor, dass der Ozean pro Quadratmeter etwa 20 % mehr abwärts gerichtete Strahlung absorbiert als das Land. Man sollte also meinen, dass die südliche Hemisphäre mit ihrem wesentlich größeren Anteil an Ozeanen wesentlich mehr Energie absorbieren müsste als die nördliche.

Das ist aber nicht der Fall. Tatsächlich sind die beiden Hemisphären auf ein Zehntel W/m² genau gleich … deshalb habe ich mich am Kopf gekratzt und gesagt: „Wie seltsam“.

Natürlich wollte ich wissen, ob dies nur ein Zufall ist, oder ob diese Gleichheit der Hemisphären ein dauerhaftes Merkmal des Klimasystems ist. Also habe ich mir die Veränderungen im Laufe der Zeit angesehen. Hier sind die jährlichen Durchschnittswerte für den Zeitraum der CERES-Satellitendaten:

Abbildung 2. Jahresdurchschnittswerte, gesamte absorbierte Strahlung, kurzwellige und langwellige Strahlung.

Es wird immer kurioser. Jahr für Jahr ist die absorbierte Gesamtenergie des Nordens und des Südens fast identisch – in der Hälfte der Jahre lag die Differenz zwischen beiden Hemisphären innerhalb eines Zehntelprozentes (~ ein halbes Watt pro Quadratmeter).

Die lang- und kurzwelligen Komponenten sind ebenso interessant. Jedes Jahr wird auf der Nordhalbkugel etwas mehr langwellige als kurzwellige Strahlung absorbiert. Bei der kurzwelligen Strahlung verhält es sich jedoch umgekehrt. Möglicherweise wird auf der Südhalbkugel wegen der größeren Meeresfläche mehr Sonnenenergie absorbiert als langwellige. Wenn man die lang- und die kurzwellige Strahlung addiert, ist die gesamte von den beiden Hemisphären absorbierte Strahlung fast identisch.

Ich habe eingangs gesagt, dass sowohl die Sonnen- als auch die Wärmestrahlung von einer Vielzahl von Faktoren abhängt, allen voran von den Wolken, und dass sie sich in Raum und Zeit ständig ändern. Wir haben also a priori keinen Grund anzunehmen, dass die beiden Hemisphären an der Oberfläche die gleiche Strahlung absorbieren würden, und wir haben allen Grund anzunehmen, dass dies nicht der Fall ist.

Ich meine, es gibt Vulkane, Überschwemmungen, Dürren, Waldbrände und eine ganze Reihe von Dingen, die sich auf die abwärts gerichtete lang- und kurzwellige Strahlung auswirken … und trotzdem erhält jede Hemisphäre Jahr für Jahr die gleiche Menge an Strahlung wie die andere.

Lässt man diese Merkwürdigkeit einmal beiseite, so lässt sich das Klima gewinnbringend als eine riesige Wärmekraftmaschine analysieren. Es verwandelt die eintreffende Sonnenenergie in die endlose physikalische Arbeit, die Ozeane und die Atmosphäre gegen Turbulenzen und Reibung in Bewegung zu setzen. Diese ozeanischen und atmosphärischen Bewegungen tragen die Wärme aus den Tropen polwärts, wo sie in den Weltraum abgestrahlt wird.

Diese unerwartete Stabilität der von der Oberfläche absorbierten Gesamtenergie über die Zeit zeigt deutlich, dass es sich um eine Wärmekraftmaschine mit einem Regler handelt. Und es gibt nicht nur einen Begrenzer. Der Regler funktioniert zum Teil durch die Steuerung der Drosselklappe der Klima-Wärme-Maschine.

Eine „Drosselklappe“ ist ein Mechanismus, der die Energiemenge regelt, die in eine Wärmekraftmaschine eintritt. In Ihrem Auto wird die Drosselklappe durch das Gaspedal gesteuert. Die Wolken übernehmen diese Funktion für das Klima. Sie regeln die Energiemenge, die in das System eintritt, indem sie einen Teil der einfallenden Sonnenenergie zurück ins All leiten. Und zwar nicht nur eine kleine Menge. Hunderte von Watt pro Quadratmeter. Hier ist ein Beispiel, die Aufzeichnung eines Tages von einer verankerten TAO-Boje am Äquator auf 110° West (östlicher Pazifik):

Abbildung 3. Absteigende Sonnenenergie nach Tageszeit, 30. Dezember 1998.

Man kann sehen, wie die Wolken die Menge der absteigenden Sonnenenergie innerhalb von etwa einer Stunde um mehrere hundert Watt pro Quadratmeter verändern.

Und diese Drosselung der einfallenden Sonnenenergie muss ein wesentlicher Grund dafür sein, dass die Menge an Sonnenenergie, die von jeder Hemisphäre einzeln und von beiden Hemisphären zusammen absorbiert wird, Jahr für Jahr stabil bleibt.

Meine Hypothese ist, dass eine Hierarchie von aufkommenden Klimaphänomenen, hauptsächlich in den tropischen Ozeanen, aber auch anderswo, die eintreffende Energie reguliert. Wie in Abbildung 3 oben zu sehen ist, beginnt ein typischer tropischer Tag klar.

[Einschub des Übersetzers: Im Folgenden beschreibt Eschenbach aus seiner Sicht den typischen Verlaufs eines Tages in den Tropen. Ihm zufolge ist es morgens wolkenlos, vormittags bilden sich erste Quellwolken, nachmittags gibt es dann Gewitter. Dieser Ablauf ist aus heutiger Sicht meteorologisch nicht haltbar, wie z. B. dieses Satellitenbild des tropischen Atlantik zeigt:

Abbildung: Wolken und Wetter im tropischen Atlantik vom 27. August 2022, 9 UTC (11 Uhr MESZ). Die Wolken sind willkürlich verteilt und folgen nicht der Uhrzeit. (Nebenbei: Es sieht so aus, als stünde da der erste große Hurrikan der Saison in den Startlöchern).

Das Anliegen des Autors, die Rolle der Bewölkung zu beschreiben, wird dadurch aber nicht geschmälert!

Ende Einschub]

Alle diese Übergänge erhöhen den Anteil des Sonnenlichts, der entweder in den Weltraum zurückreflektiert oder absorbiert wird, bevor er die Oberfläche erreicht. Und der Zeitpunkt des Auftretens, die Anzahl und die Stärke dieser Phänomene werden alle durch die Temperaturschwelle geregelt.

Das Ergebnis ist, dass sich bei Temperaturanstieg Wolken bilden und die Gesamtenergie, die von der Oberfläche absorbiert wird, verringern. Das folgende Diagramm zeigt eine Streuung zwischen der Temperatur und dem Netto-Wolkenabstrahlungseffekt (CRE) der Oberfläche, aufgeschlüsselt nach Gitterzellen. Der Netto-Wolkenabstrahleffekt (CRE) an der Oberfläche ist die durchschnittliche Änderung der gesamten abwärts gerichteten Oberflächenstrahlung, die sich aus der Anwesenheit von Wolken ergibt:

Abbildung 7. Streudiagramm, Gitternetzzelle für Gitternetzzelle Temperatur gegen Gesamt-Wolkenstrahlungseffekt (CRE). Die Gitterzellengröße beträgt 1° Breitengrad mal 1° Längengrad. Insgesamt sind 64.800 Gitterzellen dargestellt.

Wie man sieht, wirken die Wolken bei hohen Temperaturen stark auf die Verringerung der Energie, die die Oberfläche erreicht. In vielen Gitterzellen verhindern die Wolken, dass mehr als 50 W/m² an Energie an der Oberfläche ankommen.

Das ist jedenfalls meine Erklärung dafür, warum trotz der enormen zeitlichen und räumlichen Schwankungen von Wolken, Wasserdampf und Aerosolen auf beiden Hemisphären jedes Jahr etwa die gleiche Menge an Gesamtstrahlung absorbiert wird. Von Temperaturschwellen abhängige Klimaphänomene sorgen dafür, dass die mögliche absorbierte Energie begrenzt wird.

Ich bin gerne bereit, alternative Theorien für die ungewöhnliche Stabilität der absorbierten Strahlung an der Oberfläche zu hören. Bitte sagen Sie nicht „thermische Trägheit“, es sei denn, Sie können erklären, wie die „thermische Trägheit“ die Menge der herabströmenden Sonnenenergie kontrolliert.

Link: https://wattsupwiththat.com/2022/08/25/a-balancing-act/

Übersetzt und bearbeitet von Christian Freuer für das EIKE

 

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