Horst D. Deckert

Ein renitenter Kardinal und der übliche Shitstorm

Gerhard Kardinal Müller (Foto:Imago)

Als der katholische Kardinal Gerhard Ludwig Müller, Ex-Bischof von Regensburg und einstiger Präfekt der Römischen Glaubenskongregation, in einem Interview mit dem St.-Bonifatius-Institut unlängst scharfe Kritik an der Covid-Politik der internationalen Staatengemeinschaft und der medialen Berichterstattung in den hauptsächlich beteiligten Ländern übte, sorgte dies vor allem in Deutschland für Aufsehen. Ein konservativer Kirchenmann, der sich gegen eine von fast allen westlichen Regierungen mitgetragene, globale Agenda in Stellung bringt, gegen eine Agenda also, der sogar sein Oberhirte Papst Franziskus und die Vatikanstadt blinde Gefolgschaft leisten? So etwas muss doch querdenkerischen Seltenheitswert haben! Zumal Müller in besagter Philippika in Interviewform unter anderem von einer „Gleichschaltung” der Medien und dem Einfluss „globaler Finanzeliten” gesprochen hatte (namentlich des Großinvestors und politischen Aktivisten George Soros), die einen Great Reset verfolgten, um die Welt nach ihren Vorstellungen umzuformen. Ein Schwurbler im roten Ornat! Skandal!

Noch bevor das Interview überhaupt vollständig verfügbar war, fielen die üblichen Verdächtigen aus Politik und Medien mit der Zuverlässigkeit Pawlowscher Hunde über Müller her – und auch hierbei war wieder der Begriff „Verschwörungstheoretiker” die rhetorische Allzweckwaffe, um jegliche inhaltliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Zu den Kritikern zählen unter anderem Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und die stets regierungstreue Deutsche Bischofskonferenz. Damit nicht genug: Der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, warf dem Kardinal vor, er verbreite „absurde, antisemitische Verschwörungsmythen (…), die schädlich für unsere Gesellschaft sind und bestehende Probleme nur verstärken.” Es bedürfe „einer klaren, unmissverständlichen Distanzierung von den verantwortungslosen Äußerungen Kardinal Müllers durch die katholische Kirche.” Ähnlich äußerte sich auch der Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz (CER), Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt.

Wie Pawlowsche Hunde

Die vormals konservative „Welt” stieß umgehend ins gleiche Horn: Wie unter anderem auch „Spiegel online“ aktivierte sie einen der jederzeit abrufbaren Allzweck-„Experten“ des notorischen Zitierkartells für derartige Fälle – in diesem Fall den Politikwissenschaftler Jan Rathe vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS), dessen „fachkundige“ Einschätzung wie folgt lautete: „Die Aussagen lassen sich größtenteils verschwörungsideologisch werten.” Es folgten die üblichen selbstreferentiellen Zirkelschlüsse: Durch den Begriff „Gleichschaltung” werde ein „Vergleich zum Nationalsozialismus” gezogen, der dadurch „verharmlost” werde. Und schließlich könne Müllers Erwähnung von George Soros „als antisemitische Chiffre gewertet werden.

Demzufolge ist also schon die kritische Erwähnung des Namens Soros bereits ein Indiz für latenten Antisemitismus – weil Soros zufällig Jude ist. Dies also ist das hiesige akademische Debattenniveau in einer weltüberspannenden sogenannten Pandemie, die täglich mehr Fragen aufwirft.

Schon die Maßlosigkeit und Undifferenziertheit der Angriffe auf Müller bestätigen seine Kritik im Prinzip bis ins Detail. Entsprechend schlagfertig reagierte dieser auch auf die Kampagne: Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe hätten keine Basis in den von ihm getätigten Äußerungen. Un der Tat: von hastig überflogenen Schlagzeilen und nach bestenfalls diagonalem Querlesen eines „Aufreger-Interviews“ in einen Empörungsrausch versetzt, sonnt sich das „Coronamilieu Juste“ im Lichte seiner höheren Moral – und missachtet einmal mehr man das Gebot der intellektuellen Redlichkeit, nur überprüfte Behauptungen in die Welt zu setzten. Schmähungen der Mitbürger ohne ein fundamentum in re verraten allemal mehr über die Moral des Denunzianten als über die Gesinnung des Denunzierten, so Müller.

Lange vor Corona, gab der angegriffene Kardinal Müller zu bedenken, habe er bereits „vor einer globalistischen ‚Neuen Weltordnung ohne Gott‘” gewarnt (vor Corona eigentlich eine typisch linke, gegen Freihandel und weltweiten Großkapitalismus gerichtete Konsensposition). Nun komme aber, so Müller, hinzu, „dass die Agenten dieses Unternehmens selbst die Pandemie als eine Chance für die schnellere Durchsetzung des

‚Großen Neustarts‘, Great Resets, der ganzen Menschheit laut und vernehmlich begrüßt haben. (…) Jede grundsätzliche Kritik an diesem auf Ökonomie verkürzten Menschenbild wird mit dem billigen Propagandatrick von angeblichen Verschwörungstheorien abgeschmettert, ohne auch nur im Ansatz diesen Begriff auf seine wissenschaftliche Tauglichkeit hin zu durchdenken.

Rückendeckung aus den USA

Und wie stehe es eigentlich um die persönliche Glaubwürdigkeit dieser Baumeister der schönen neuen Welt, fragt Müller rhetorisch? „Mit Privatmaschinen fliegt man zu den internationalen Treffen der Auserwählten und beschließt, dass die Masse des Volkes aus Gründen des Umweltschutzes zu Hause bleiben soll. Es geht hier nicht um unverbindliche Gedankenspiele über die theoretische Welterklärung, sondern um eine konkrete Agenda mit verheerenden Folgen. Ihr liegt eine Vorstellung vom Menschen zu Grunde, die ihn auf den Kunden und Konsumenten eines ökonomischen Systems reduziert.

Unterstützung erhielt der unkonventionelle Kardinal mittlerweile von Erzbischof Carlo Maria Viganò, dem ehemaligen päpstlichen Nuntius in den USA, der seit Jahren als vehementer Kritiker des Great Reset wie auch des Kurses von Papst Franziskus hervortritt. Für ihn reiht sich die reflexartige Kritik an Müller in ein bestimmtes Muster ein: „Die Beispiele, die wir erlebt haben, wenn jemand einen der Eckpfeiler des offiziellen Covid-Narrativs in Frage stellt, bestätigen die intolerante Haltung derer, die lügen, aber gleichzeitig den Vorwurf der Intoleranz gegen jene erheben, die lediglich die offensichtliche Wahrheit sagen.” Müller habe Dinge ausgesprochen, „die bereits von Kardinal Burke, von Monsigniore Schneider und unter anderem auch von mir angeprangert wurden… Dinge, die Klaus Schwab, George Soros, Bill Gates und all die anderen Anhänger des Great Reset wiederholt öffentlich erklärt und dazu sogar offizielle Dokumente verfaßt haben und Bücher drucken ließen, in denen sie die verschiedenen Szenarien im Detail ausbreiten, von der Pandemie bis zum Klimanotstand.(…) Und ich bedaure, daß die Mainstream-Medien in Deutschland Kardinal Müller des Antisemitismus bezichtigen, nur weil George Soros jüdischer Herkunft ist, während sie es verbissen vermeiden, auf die gestellte Frage einzugehen.

Es scheint, als sei in der skandalumwitterten katholischen Kirche wenigstens noch so etwas wie Streitkultur und gesunder Menschenverstand erhalten geblieben – trotz stiefelleckerischer Regierungnnähe viele Würdenträger und dem unerbittlichen Regiment eines veritablen Impf-Papstes in Rom.

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