Horst D. Deckert

Ein starkes Stück Journalismus zur weitgehend selbsternannten Swiss National COVID-19 Science Task Force

Die beiden Journalistinnen Catherine Riva und Serena Tinari vom Recherche-Netzwerk re-check.ch haben ganze Arbeit geleistet. Sie haben monatelang recherchiert und geduldig auf Antworten zu Anfragen nach dem Öffentlichkeitsgesetz gewartet. Ihre heute veröffentlichte Arbeit «Wissenschaft im Pandemie-Modus: der seltsame Fall der Swiss National COVID-19 Science Task Force» übertrifft die schlimmsten Erwartungen, die man von dieser 70-köpfigen Expertengruppe haben kann.



Die Task Force ist ein weitgehend selbsternanntes Gremium.
Das von vier Professoren privat erstellte Gründungskonzept wurde vom Bundesamt für Gesundheit praktisch wortgleich in einen Auftrag umgewandelt.

Die Task Force verletzt andauernd ihr vom BAG erteiltes Mandat, wo es u.a. heisst:

«Die Leitung der SN-STF informiert in einer mit dem Auftraggeber vereinbarten Kadenz und Form den Auftraggeber (BAG) über den Stand der Arbeiten. … Die Expertengruppen des Beratungsgremiums kommunizieren nicht selbständig nach aussen. … Falls Empfehlungen für Massnahmen der SN-STF einen Einfluss auf anstehende Entscheide des BAG, des EDI oder des Bundesrates haben können, werden diese Empfehlungen der SN-STF erst nach den entsprechenden Beschlüssen der Auftraggeber publiziert.»

Statt sich an ihr Mandat zu halten, avancierten die Mitglieder der Task Force innert kürzester Zeit zu Medienstars. Die Schweiz. Mediendatenbank verzeichnet allein für den Zeitraum Januar bis Juni 2020 mehr als 1400 Einträge für Marcel Salathé und rund 700 Einträge für Christian Althaus (inzwischen ausgeschieden).

Catherine Riva und Serena Tinari resümieren:

«Meistens geht es darum, ein bedrohliches Bild der Situation zu zeichnen, die von den Behörden verordneten Massnahmen zu kritisieren und eine Verschärfung zu fordern. Und selbst wenn der Bundesrat zunächst beschliesst, ihren Empfehlungen nicht zu folgen, bekommt die Task Force am Ende fast immer, was sie empfiehlt: zum Beispiel die Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln oder die Schliessung von Restaurants, Bars und Nachtclubs. … Aussagen von Task-Force-Mitgliedern machen Schlagzeilen. Sobald sie von anderen Medien aufgegriffen werden, werden sie zu ‹Fakten›, die Ängste und Spannungen schüren und am Ende die Führungskräfte beeinflussen.»

Die Ernennung zum Mitglied der Task Force erfolgt durch ihren Präsidenten in Abstimmung mit dem BAG. Das Gremium ist nicht gewählt, nicht repräsentativ und weder Volk noch Parlament rechenschaftspflichtig-

Riva und Tinari:

«Es gibt kein Reglement, das die Kriterien für die Aufnahme, das Wahlverfahren oder die Rotation festlegt. So wurde beispielsweise Pietro Vernazza, Chefarzt der Abteilung für Infektionskrankheiten am Kantonsspital St. Gallen, im März 2020 in das Expertengremium eingeladen, danach jedoch ohne Erklärung wieder ausgeladen.»

Die Entscheidungsfindung ist intransparent, Protokolle werden nicht geführt, angeblich weil die Mitglieder «ehrenamtlich und unentgeltlich» arbeiten. Sie sind jedoch fast alle bei öffentlichen Institutionen angestellt.

Das Bundesgesetz über die Archivierung bestimmt: «Rechtlich, politisch, wirtschaftlich, historisch, sozial oder kulturell wertvolle Unterlagen des Bundes werden archiviert». Auf die archivierten Dokumente kann zugreifen, wer nach dem Öffentlichkeitsgesetz Anträge stellt. Ohne Protokolle ihrer Sitzungen kann die Arbeit der Task Force weder geprüft noch dokumentiert werden.



Die Task Force fällt auf durch konstante Fehlprognosen
von den ersten Hochrechnungen über die überlasteten Spitäler bis zu den verheerenden Konsequenzen der Mutanten, die längst hätten eintreten sollen.

Catherine Riva und Serena Tinari listen in ihrem ausführlichen Text eine Reihe wissenschaftlicher Fehlleistungen und Ungenauigkeiten mit schwerwiegenden Folgen auf, z.B. im Zusammenhang mit dem PCR-Test, nach wie vor der «Goldstandard» und der hauptsächliche Treiber des Pandemiemanagements.

Was die beiden Autorinnen nicht sagen, und das ist nur als Ergänzung gedacht: Die Meinungen von Mitgliedern der Task Force werden mittlerweile auch von Gerichten zur Begründung von Urteilen, z.B. zur Ablehnung von Einsprachen gegen Verfügungen herangezogen.

Mit anderen Worten: Ein auf private Initiative entstandenes Greium, weder gewählt noch einer parlamentarischen Institution rechenschaftspflichtig, hat sich innert kürzester Zeit zu einem rechtssetzenden Organ hochgeschwungen, das das öffentliche, wirtschaftliche und private Leben in nie dagewesenem Ausmass bestimmt.

Wenn in der kommenden Session der Eidg. Räte die Task Force nicht zumindest aufs Tapet gebracht und auf ihre Beratungsfunktion reduziert wird, dann kann von der Schweiz nicht mehr als Rechtsstaat gesprochen werden.

Im übrigen bin ich der Ansicht, um mit Cato zu sprechen, dass die Task Force sofort abgeschafft werden soll.

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