Horst D. Deckert

Elon Musk als Supermann? Ukrainer betteln um Hilfe

Das ukrainische Militär in der seit Monaten schwer umkämpften südostukrainischen Hafenstadt Mariupol hat einen Hilferuf der besonderen Art abgesetzt: Ausgerechnet Multimilliardär Elon Musk soll seinen Einfluss geltend machen, damit die belagerten Soldaten im dortigen Asow-Tal unbeschadet in einen vermittelnden Drittstaat abziehen können. Hintergrund des Appells: Anders als den Zivilisten im umzingelten Stahlwerksgelände droht den dort ausharrenden Soldaten Kriegsgefangenschaft oder Schlimmeres. Musk hatte sich in der Ukraine bereits mit seinem Satellitensystem Starlink zur Kriegspartei gemacht.

Anscheinend gilt Elon Musk den Ukrainern als eine Art Heiligenfigur oder Messias, seit er vor zwei Monaten auf Twitter Russlands Präsidenten Wladimir Putin zum „Zweikampf“ herausforderte. Auch wenn die Übernahme des Kurznachrichtendienstes durch Musk, die bereits ausgemachte Sache schien, seit gestern wieder fraglich ist (und damit auch seine Rolle als Weißer Ritter der Meinungsfreiheit), so hält sich anscheinend der Ruf des Tech-Visionärs als Supermann, der sich im Kampf gegen die Weltmächtigen auf die Seite der Hilflosen und Vezweifelten stellt. Zu diesem Image hat Musk mit seiner unkonventionellen, unangepassten politischen Libertinage selbst beigetragen – spätestens, seit er bei den kanadischen Anti-Impf-Protesten die Demonstranten unterstützte.

„Von einem anderen Planeten”

Der Appell von Serhij Wolyna, dem Kommandanten der 36. Marinebrigade, der hierfür eigens ein Twitter-Konto einrichtete, an Musk war entsprechend pathetisch und eindeutig:Helfen Sie uns, aus Asowstal in ein Vermittler-Land zu kommen. Wenn nicht Sie, wer dann? Wolyna fuhr fort: „Man sagt, Sie kommen von einem anderen Planeten, um die Menschen zu lehren, an das Unmögliche zu glauben… Unsere Planeten liegen nebeneinander, da ich dort lebe, wo es fast unmöglich ist, zu überleben.” Er rief „jeden Menschen auf dem Planeten Erde” auf, dazu beizutragen, dass Musk seinen Appell wahrnimmt. Die Einheit des Kommandeurs gehört zu den letzten Verteidigern des Stahlwerks der Stadt, die ansonsten fast vollständig unter russischer Kontrolle steht. Unklar ist allerdings, wie genau Musk den ukrainischen Truppen helfen sollte und wie sich die Militärs einen solchen Schritt vorstellen.

Es wäre jedenfalls nicht das erste Mal, dass Musk in dem Konflikt private zivile Unterstützung leistet: Mit seinem privaten Internet-Satellitensystem Starlink, das er dem angegriffenen Land bereits am dritten Kriegstag zur Verfügung stellte, leistet er nicht nur dem ukrainischen Militär, sondern auch Behörden, Schulen und Krankenhäusern wertvolle Dienste.

Hilfe durch SpaceX und Starlink

Bereits am dritten Tag des Ukraine-Krieges hat Milliardär Elon Musk der Ukraine den Starlink-Service zur Verfügung gestellt. Musks Unternehmen SpaceX schickte hierzu Tausende Empfangsgeräte in die Ukraine, mit denen es möglich ist, schnelles Internet aus dem All zu empfangen – selbst dann, wenn Mobilfunk und lokale Internet-Zugänge, etwa durch russische Angriffe, ausfallen. De facto hat sich Musk damit schon zur „Kriegspartei” gemacht – auch, weil er dem ukrainischen Militär Kommunikation und die Luftaufklärung  und Angriffe mit Drohnen ermöglicht. Russland ist es bislang nicht gelungen, das Starlink-Netzwerk abzuschalten oder auch nur dauerhaft zu unterbrechen.

Dmitri Rogosin, der Chef der russischen Digitalbehörde, warf Musk vor, „an der Versorgung faschistischer Kräfte in der Ukraine mit Mitteln militärischer Kommunikation“ beteiligt gewesen zu sein. Dafür werde er sich „wie ein Erwachsener“ verantworten müssen, drohte der Putin-Vertraute. Laut dem ukrainischen Digitalminister Mykhailo Fedorow konnten mit Musks Hilfe rund 150.000 Menschen mit Internet versorgt werden, wobei allerdings die US-Regierung ebenfalls massiv beteiligt ist, Starlink zur Verfügung zu stellen. Auch andere Länder und Privatunternehmen lieferten Empfangsgeräte. 

Weltweiter Trend zum Satelliten-Internet

Allerdings spielt Musk hierbei sicher nicht ganz uneigennützig den Wohltäter aus dem All – denn es geht ihm mutmaßlich auch darum, Starlink zu promoten und dessen Potential zu demonstrieren. Davon abgesehen ist das System auch keineswegs unumstritten, wie Wochenblick bereits berichtet hat. Musk ist zwar Vorreiter auf diesem Sektor – doch auch andere Unternehmen, wie etwa Amazon, sehen in der Internetversorgung aus dem Weltall ein hochlukratives Geschäftsmodell.

Weil es durch die orbitale Netzversorgung eine erhöhte Gefahr ausländischer Einmischungen befürchtet, plant Moskau seit längerem ein eigenes Satelliten-Netzwerk, das allerdings erst in einigen Jahren einsatzbereit wäre. Auch die EU laboriert inzwischen an einem entsprechenden Programm – angeblich, um bestehende Breitbandlücken zu stopfen und von Anbietern wie Starlink unabhängig zu werden.

Musk gibt sich als Kämpfer der Meinungsfreiheit

Bei den Weltraumbehörden NASA und ESA wächst die Sorge, dass durch die mit diesen Planungen einhergehende massenhafte Erhöhung der erforderlichen Satellitenanzahl im erdnahen Orbit nicht nur die astronomische Forschung behindert wird, sondern sich auch die Gefahr durch herabstürzende Satellitenteile und Weltraumschrott extrem erhöht. Viele Staaten, darunter China und auch Russland /schon lange vor Kriegsbeginn!), waren explizit gegen Musks Weltraumnetzwerk – weil sie fürchten, dass Musk ihnen eines Tages – eine gewisse Größe und „Systemrelevanz“ des Projektes vorausgesetzt – den Starlink-Zugang sperren und das Land so von Informationsflüssen abschneiden könnte.

Diese Sorge war offenbar unbegründet: Trotz seiner Unterstützung für die Ukraine hat Musk bisher der vielfach an ihn herangetragenen Forderung, Starlink zur Blockade russischer Medien zu benutzen, eine kategorische Absage erteilt. Die lehnten er und seine Manager entschieden ab – es sei denn, so twitterte er: „wir werden mit Waffengewalt dazu gezwungen. Tut mir leid, dass ich ein Absolutist der Meinungsfreiheit bin.“

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