Horst D. Deckert

England: Kein Geld für Kassenärzte – Briten reißen sich selbst die Zähne

Von Kornelia Kirchweger
17. Juli 2023

Lesezeit: 2 Min.

Während Großbritannien im Vorjahr die Ukraine mit umgerechnet 5,36 Milliarden Euro Steuergeld gegen Russland aufrüstete, wird das staatliche Gesundheitssystem  ausgeblutet. Die Briten reißen sich jetzt die Zähne selbst, weil es an Kassenärzten fehlt. 

Tausende Zahnärzte kündigten ihre Verträge und ordinieren privat. Ihre Honorare können sich nur Wohlhabende leisten. Während für die Kriegskassen genug Geld da ist, herrscht in den Gesundheitstöpfen gähnende Leere. Einerseits, weil der Staat andere Prioritäten hat und zu wenig Geld zuschießt. Andererseits, weil mehr Menschen aus den Kassen herausnehmen als sie einzahlen.

Britische Schande 

Im vergangenen März wurde eine Umfrage bei 2000 Personen von YouGov durchgeführt. 10 Prozent – also 200 davon gaben an, ihre Zähne im Heimwerker-Verfahren zu behandeln. Sie rissen ihre Zähne selbst mit einer Zange. Davon jeder Fünfte, weil er keinen Zahnarzt-Termin bekam oder andernfalls 5 Stunden zum nächsten Arzt fahren müsste. 22 Prozent der Betroffenen haben gar keine Krankenversicherung. Davon 23 Prozent, weil sie sich das nicht leisten können. Einige der Betroffenen geraten wegen ihrer schlechten Zähne – aus Scham – in Isolation. Der Gesundheits- und Sozialausschuss fordert zum x-ten Mal Reformen: Solches Leid sei im 21. Jahrhundert völlig inakzeptabel. Viel wird das nicht ändern. 

Kranke Kassen

Denn das Problem gibt es schon lange. Staatliche Zahnarztverträge gibt es in England seit 2006. Das Problem dabei: Der Staat legt eine Obergrenze für Zahnbehandlungen fest, die ein Arzt im Jahr durchführen darf. Damit werden die Kosten überschaubar gehalten, aber die Termine verknappt. In bestimmten Regionen kommen auf einen Kassen-Zahnarzt 3000 Personen. In 65 von insgesamt 104 Regionen steigt dieses Verhältnis seit 2019. Das Problem ist also bekannt. Nur 44 Prozent der Kinder waren übrigens im Vorjahr bei einem Zahnarzt. Man warnt bereits vor „zahnärztlichen Wüsten“ in England.

Verlogene Reformen

Betroffen seien vor allem „benachteiligte Viertel“, ethnische Minderheiten, Obdachlose, Flüchtlinge bzw. Asylforderer und Personen mit besonderen Bedürfnissen – wie Autisten, heißt es aus dem Gesundheitsausschuss. Viele Patienten wissen gar nicht, auf welche Gesundheitsleistungen sie Anspruch haben, heißt es weiter. Der Gesundheitsausschuss fordert von der Regierung, jede Person, die einen Kassen-Zahnarzt braucht, müsse diesen in vernünftiger Nähe und vernünftigem Zeitrahmen aufsuchen könne. Das würde eine Aufstockung der Kassen-Ärzte erfordern und die Kassen-Kosten erhöhen. Schon im Vorjahr wurde gewarnt: Die staatliche zahnärztliche Versorgung werde bald zusammenbrechen, weil Tausende Zahnärzte in England aus den Kassenverträgen aussteigen.  

Privatärzte-Boom

Zwischen März 2000 und Mai 2022 waren es bereits 3000. Der Trend zum „Privatarzt“ hält an. Aufgrund der steigenden Lebenshaltungskosten können sich Menschen eine Privatbehandlung aber nicht leisten. Eine damalige Umfrage unter 2.200 Zahnärzten in England ergab: 45 Prozent haben seit Beginn der Pandemie ihre Tätigkeit in der staatlichen Gesundheitsversorgung reduziert. Weitere 75 Prozent wollen das in absehbarer Zeit tun. 87 Prozent gaben an, wegen des Rückstaus nach der Pandemie unter Stress, Burnout oder anderen psychischen Problemen zu leiden. Auf der Strecke bleiben die Patienten. Die staatlichen Gesundheitskassen beschwichtigen: Die Zahl der Termine für Zahnarzt-Kassenpatienten steige, man habe erste Vertragsänderungen im Vorjahr bereits in Angriff genommen. Zusätzlich würden eine Rekordzahl von Zahnärzten und Dentalhygienikern ausgebildet. 

Zum Autor: Kornelia Kirchweger war Journalistin bei „Austria Presse Agentur“, Bundespressedienst, „BBC“, „Asahi Shimbun“. Fokus: EU, Asien, USA, Afrika. Seit 2016 beim „Wochenblick“. Rockte die sozialen Medien mit ihrem offenen Brief an Greta Thunberg und machte gegen den UNO-Migrationspakt mobil.

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