Horst D. Deckert

Ephraim Kishon über seine “Befreiung” im Jahr 1945: Kommunisten genauso schlimm wie Nazis

Auf meinen digitalen Streifzügen nach interessanten Zeitdokumenten bin ich bei einem einstündigen Interview mit Ephraim Kishon hängen geblieben. Der in Ungarn geborene Jude, der nach dem Krieg sein Leben in Israel verbrachte, sprach darin über seinen Werdegang als Schriftsteller und beschrieb auch, was er als Jugendlicher und junger Erwachsener erst unter den Nazis und danach unter den Kommunisten erlebt hatte. Ganz besonders interessant wird es ab 23:55, als er den Umgang der beiden totalitären Systeme mit ihm und mit Menschen im allgemeinen miteinander vergleicht. Es mag überraschen, aber für ihn war das Sowjetsystem keinen Deut besser als der Nationalsozialismus.

Naive Hoffnungen nach Einmarsch der Russen

Kishon beginnt mit der 1. Ukrainischen Armee, die Ungarn erobert hat, und bezeichnet sie als die Erlöser vor der deutschen Besatzung und der SS, die bis zum Schluss ausgeharrt hatte. Die Erwartung der sich noch im Land aufhaltenden Juden und sicherlich auch vieler ethnischer Ungarn an die russischen Besatzer waren groß. “Wenn erst einmal die Russen da sind”, so Kischon über die Hoffnungen, “dann werden wir aufatmen und nicht nur frei sein, sondern auch Menschen sein.”

Wer Nazis hasst, so die damalige Annahme, der muss einfach ein guter Mensch sein. Gleichzeitig dachten viele, dass das Sowjetsystem eine wunderbare Sache sein muss, weil die Propaganda der Nazis so sehr dagegen gerichtet war. Das schlichte Gut-Böse-Denken mag im Nachhinein naiv wirken, jedoch hatten die Menschen damals so viel durchgemacht und verfügten kaum über zuverlässige Informationen, dass sie sich die nahende Zukunft kaum anders vorstellen konnten, zumal sie auch keine Wahl hatten über das, was bald kommen sollte.

Vom Regen in die Traufe

Über den Beginn seiner Besatzungserfahrung durch die Kommunisten erzählt Kishon weiter: “Da hat man mich mitgenommen zu einem Gefangenenlager.” Der Interviewer fragt nach dem Grund, woraufhin Kishon erklärt, dass die Menschen die Gründe dafür heute nicht mehr verstehen würden.

Er sagt: “Im stalinistischen System war das menschliche Leben absolut uninteressant”, und führt dann aus, wie der sowjetische Marschall für Ungarn Stalin zu wenige Kriegsgefangene präsentieren konnte. Daraufhin ging die kommunistische Geheimpolizei NKDW von Haus zu Haus und forderte alle Männer dazu auf, herauszukommen.

Jeder, der sich freiwillig auf die Straße stellte wurde dann mitgenommen und als “Kriegsgefangene” nach Weißrussland verschleppt. Kishon war einer von ihnen. Kaum einer der damals mitgenommenen Männer habe laut ihm die Gefangenschaft überlebt, da die Zustände so schlecht waren, dass Typhus zu grassieren begann.

Kishon selbst kam nur deswegen mit dem Leben davon, weil er “ein Meister im Fliehen” wurde, wie er es selbst bezeichnete. Erst sprang er den Nazis von der Rampe nach Auschwitz und dann sprang er den Kommunisten gerade noch rechtzeitig in Ungarn von der Rampe in den Gulag.

Vernichtung als Problemlösungstechnik

“Das schrecklichste daran war”, so Kishon, “dass ich gesagt habe, ich bin ein Jude.” Das aber hätte beim NKDW niemanden interessiert. Das sowjetische System von Stalin fasste er so zusammen, dass wenn eine Nadel in einem Heuhaufen liegt, “dann muss man den ganzen Strohhaufen verbrennen”. Erst wenn man den ganzen Menschen vernichtet, so Kishons Tenor über die totalitären Methoden, denen er in rascher Folge erst durch die Nazis und dann die Kommunisten ausgesetzt war, dann kann man sich sicher sein, dass man keinen Spion, oder Zionisten oder etwas anderes vor sich hat.

Einen qualitativen Unterschied erkennt man nicht in den Beschreibungen Kishons von der Naziherrschaft über Ungarn und jener der Kommunisten. Für ihn waren beide in der selben Weise totalitär und menschenverachtend. In Anbetracht dieser gelebten Realitäten unter Hammer und Sichel ist mehr als nur tragisch, dass der Kommunismus heute bei vielen einen Frühling zu erleben scheint. Kishon und Millionen andere würden weinen im Angesicht dieser Naivität gegenüber der vom Kommunismus ausgehenden totalitären Menschenverachtung.

Man merkt Kishon während seiner Erzählung die ganze Zeit an, dass er zwar gefasst bleibt, aber stets den Tränen nahe ist. Fatalistisch schließt Kishon den kurzen Ausflug zu seinen Erlebnissen im Jahr 1945 ab mit: “So ist das Leben.”

Quelle Titelbild

Ähnliche Nachrichten