[*EPRINC = Energy Policy Research Foundation, Inc.]
Rupert Darwall
Vor zwei Jahren schienen die Bemühungen von Klimaaktivisten und ESG-Investoren (Environmental, Social, and Governance), Investitionen in die Öl- und Gasförderung westlicher Unternehmen zu blockieren, von keiner geringeren Autorität als der Internationalen Energieagentur (IEA) bestätigt worden zu sein, als sie den Bericht mit dem Titel [übersetzt] Net Zero bis 2050: Ein Fahrplan [Roadmap] für den globalen Energiesektor veröffentlichte. Infolgedessen wurde das Bestreben, bis 2050 Netto-Null-Kohlenstoff-Emissionen (NZE) zu erreichen, zu einem zentralen Bestandteil des „E“ in ESG, und der Netto-Null-Fahrplan der IEA wurde zur Definition der NZE-Basislinie für Energieunternehmen.
Aus diesem Grund hat die RealClear Foundation die Energy Policy Research Foundation, Inc. (EPRINC) gebeten, eine forensische Analyse der wichtigsten Berichte der IEA zum Thema Netto-Null-Emissionen durchzuführen und die wahrscheinlichen wirtschaftlichen Auswirkungen einer Einstellung der Investitionen in neue Öl- und Gasfelder zu bewerten. Die Analyse von EPRINC zeigt schlüssig auf, dass die Annahmen der IEA unrealistisch und in sich widersprüchlich sind und häufig für eine verstärkte Förderung von Kohlenwasserstoff-Kraftstoffen sprechen. In Wirklichkeit ist der Netto-Null-Fahrplan der IEA eine grüne Fata Morgana, welche die Energiekosten dramatisch in die Höhe treiben, die westlichen Volkswirtschaften ruinieren und das menschliche Leid vergrößern wird. Investmentmanager und Banken, die das Geld anderer Leute verwenden, um diese investitionsfeindliche Agenda voranzutreiben, verletzen damit ihre treuhänderische Verpflichtung, die Renditen für Rentner, Investoren und Aktionäre zu maximieren.
[Hervorhebung vom Übersetzer]
Dem Netto-Null-Fahrplan der IEA liegt zugrunde, dass die Überlegenheit von Alternativen zu Kohlenwasserstoffen – vor allem Wind und Sonne (Kernkraft kommt kaum vor) – die Nachfrage nach Kohle, Erdöl und Erdgas schwinden lassen wird. Dennoch nutzten progressive Gruppen den Bericht der IEA, um ein Verbot von Investitionen in neue Öl- und Gasprojekte zu rechtfertigen – ja sogar zu fordern. Climate Action 100+, eine Gruppe von 700 Investoren mit einem verwalteten Vermögen von über 68 Billionen Dollar, begrüßte den Bericht als „Wendepunkt“ und hob die Forderung der „relativ konservativen IEA“ nach einem sofortigen Stopp neuer Investitionen in die Förderung fossiler Brennstoffe hervor. In ähnlicher Weise bezeichnete As You Sow, ein gemeinnütziger, klimaaktivistischer Investor, den NZE-Bericht der IEA als bahnbrechend. Für die Proxy Season 2023 reichte As You Sow Aktionärsanträge bei fünf der größten US-Banken ein, um sie zu drängen, ihre Finanzierungsaktivitäten auf das Erreichen von Netto-Null bis 2050 auszurichten. Diese Resolutionen scheiterten alle, aber letztes Jahr wurde auf der Jahreshauptversammlung von ExxonMobil eine Resolution von Ceres, einem weiteren aktivistischen Investor und Gründungspartner von Climate Action 100+ eingereicht, die den Netto-Null-Bericht der IEA zitierte und den Vorstand des Unternehmens aufforderte, einen geprüften Bericht über die Auswirkungen der Anwendung der Netto-Null-Annahmen der IEA auf die Jahresabschlüsse des Unternehmens zu erstellen. Die Resolution wurde von 51,0 % der stimmberechtigten Aktionäre unterstützt.
Die IEA selbst weist auf die katastrophalen Folgen einseitiger Maßnahmen zur Reduzierung des Angebots hin. „Eine Verringerung der Investitionen in fossile Brennstoffe im Vorfeld oder anstelle von politischen Maßnahmen und sauberer Energienachfrage würde nicht zu den gleichen Ergebnissen führen wie im NZE-Szenario“, warnte die IEA in ihrem World Energy Outlook 2022. „Wenn sich das Angebot schneller umstellen würde als die Nachfrage, wobei ein Rückgang der Investitionen in fossile Brennstoffe einem Anstieg der sauberen Technologien vorausginge, würde dies zu wesentlich höheren Preisen führen – möglicherweise für einen längeren Zeitraum“ – eine genaue Beschreibung der Welt, in der wir jetzt leben.
Stattdessen vertritt die IEA die Friedrich-Engels-Theorie der erneuerbaren Energien: Wie der Staat im Kommunismus wird die Nachfrage nach Öl und Gas abnehmen. Auf der Grundlage ihrer Annahme, dass die Nachfrage obsolet wird, sagt die IEA niedrige und sinkende Kohlenwasserstoffpreise voraus: 35 Dollar pro Barrel für Öl im Jahr 2030 (etwa die Hälfte des derzeitigen Niveaus); und für Erdgas 2,1 Dollar pro Million Btu (MMBtu) in den USA und 2,0 Dollar in der EU im Jahr 2030. Die Geschichte lehrt uns, dass diese Prognosen aus der Luft gegriffen sind. In den 318 Monaten seit Januar 1997 gab es nur 26 Monate, in denen der Erdgaspreis in den USA unter 2,10 $ lag – und sieben davon waren im Jahr 2020, als die Nachfrage aufgrund der Covid-Pandemie gedämpft wurde.
Wird nicht in ein größeres Angebot investiert, ist es viel wahrscheinlicher, dass die Preise in die Höhe schießen, da die Nachfrage das Angebot zunehmend übersteigt, wie die Regierung Biden erkannte, als sie die strategische Erdölreserve zu dem nicht strategischen Zweck einsetzte, die Benzinpreise zu dämpfen. EPRINC vergleicht das Netto-Null-Angebotsdefizit mit dem Stated Policies Scenario (STEPS) der IEA. Auf der Grundlage historischer Preiselastizitäten der Nachfrage könnte das 35%ige Angebotsgefälle sowohl bei Öl als auch bei Gas dazu führen, dass sich die Preise auf dem Netto-Nullpfad mehr als verdreifachen. Unabhängig davon, ob ein Preisanstieg dieser Größenordnung eine Rezession oder eine Depression auslöst, wird er erhebliche negative Auswirkungen auf das globale Wachstum haben.
Die andere Seite dieser Medaille sind die relativen Kosten von Wind- und Solarenergie. „Immer billigere Technologien für erneuerbare Energien“, so die IEA, „verschaffen der Elektrizität einen Vorsprung im Rennen gegen Null“. Doch die eigenen Zahlen der IEA zeigen die Unterlegenheit ihrer postfossilen Energiezukunft, da sie einen enormen Anstieg von Kapital, Arbeit und Land erfordert, um weniger Energie zu produzieren.
Bis 2030 wird der Netto-Null-Pfad der IEA zusätzliche 16,5 Billionen Dollar an Kapital verbrauchen. Mehr Investitionen sollten die Arbeit effizienter machen. Nicht bei sauberer Energie. Erneuerbare Energien erfordern fast 38,5 % mehr Arbeit, und die Zahl der Beschäftigten im Energiesektor steigt weltweit um fast 25 Millionen. Dennoch produziert dieses neue Energiesystem 7 % weniger Energie, was einen katastrophalen Rückgang des Energieoutputs pro Arbeitnehmer um 33,0 % bedeutet. Als wäre das nicht schon schlimm genug, benötigen Solar- und Windenergie eine Fläche, die der Größe von Kalifornien und Texas zusammen entspricht, und Bioenergie für die Stromerzeugung eine Fläche von der Größe von Frankreich und Mexiko zusammen.
Keine Theorie der Wachstumsökonomie besagt, dass mehr Input an Land, Arbeit und Kapital für weniger Output eine Formel für nachhaltiges Wirtschaftswachstum ist. Ganz im Gegenteil. Der Netto-Null-Pfad der IEA kehrt einen Prozess um, der seit den Anfängen der industriellen Revolution im Gange ist: Die Gesellschaft erhält mehr Output für weniger Input, was die Welt eindeutig ärmer macht und die schlimmsten Auswirkungen auf Milliarden von Menschen in den ärmsten Ländern der Welt hat. Und das, bevor die negativen Umweltauswirkungen der erneuerbaren Energien berücksichtigt werden. Damit bleibt die Dekarbonisierung als einziger potenzieller Vorteil des Einsatzes von Wind- und Solarenergie übrig. Wenn es einen wirtschaftlichen Grund für Netto-Null-Energie gibt, dann haben weder der Weltklimarat noch die Regierungen, die Netto-Null-Energie-Ziele beschlossen haben, bisher eine angemessene Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt, um dies zu beweisen.
Dies bringt ESG-orientierte Investmentmanager in eine Zwickmühle. In ihrem World Energy Outlook 2022 räumte die IEA implizit ein, dass ESG-Investmentmanager, die Druck auf Öl- und Gasunternehmen ausüben, damit diese ihre Investitionsprogramme auf das Netto-Null-Ziel ausrichten, zu der derzeitigen makroökonomischen Malaise mit hoher Inflation und schwachem Wachstum beitragen. Diese Investmentmanager sind treuhänderisch gegenüber den derzeitigen und zukünftigen Rentnern, Sparern und Aktionären verpflichtet, ihre Rendite zu maximieren. Sie haben nicht den Auftrag, das Geld anderer Leute zu verwenden, um das abzuwenden, was ihrer Meinung nach eine planetarische Katastrophe sein könnte, indem sie den Unternehmenswert zerstören und die Wachstumsmaschine des freien Marktes in den Rückwärtsgang versetzen.
Die NZE hat auch eine geopolitische Dimension. Der Netto-Null-Fahrplan der IEA sieht vor, dass der Anteil der OPEC am globalen Ölmarkt von 37 % auf 52 % im Jahr 2050 steigt, „ein Niveau“, so die IEA, „das höher ist als zu jedem anderen Zeitpunkt in der Geschichte der Ölmärkte.“ Wenn die Nicht-OPEC-Produzenten – unter dem Druck der ESG-Investoren – dem Netto-Null-Profil einer stark rückläufigen Ölproduktion folgen, während die OPEC-Produzenten ihre Investitionen aufrechterhalten, würde der Anteil der OPEC bis 2050 auf erstaunliche 82 % steigen. Ob wissentlich oder nicht, ESG-Investoren untergraben die Sicherheitsinteressen des Westens in einer Zeit zunehmender geopolitischer Spannungen, in der der Westen eine schmerzhafte Lektion über die strategische Bedeutung der Energiesicherheit lernen muss.
Vor fast 50 Jahren hielt Henry Kissinger seine Pilgerrede, die zur Gründung der IEA führte. Kissinger definierte das Ziel des neuen Energiekonzerns als „die Sicherstellung der erforderlichen Energieversorgung zu angemessenen Kosten“. Die IEA hätte sich dafür entscheiden können, ihrem ursprünglichen Mandat treu zu bleiben. Indem die IEA versucht hat, zu einem Cheerleader für Netto-Null zu werden, hat sie sich als Instrument für klimapolitischen Extremismus missbrauchen lassen, hat die politischen Entscheidungsträger in die Irre geführt und die Weltwirtschaft und die westliche Sicherheit gefährdet, indem sie den Zweck, für den sie geschaffen wurde, aufgegeben hat.
The EPRINC report, “A Critical Assessment of the IEA’s Net Zero Scenario, ESG, and the Cessation of Investment in New Oil and Gas Fields,” published today, can be downloaded here.
This article originally appeared at Real Clear Energy
Autor: Rupert Darwall is a Senior Fellow at the RealClear Foundation.
Link: https://www.cfact.org/2023/06/29/eprinc-report-reveals-iea-net-zero-roadmap-as-a-green-mirage/
Übersetzt von Christian Freuer für das EIKE