EU-Bürgerbeauftragte erteilt Verzögerungstaktik eine Absage und stärkt das Recht auf Zugang zu Dokumenten
Die Europäische Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly hat dem EU-Parlament eine politische Ohrfeige verpasst. In einer heute veröffentlichten Entscheidung stellt O’Reilly fest, dass das Parlament gegen seine Pflicht verstoßen hat, Dokumente zeitnah herauszugeben. Sie bewertet die Verzögerung als schlechte Verwaltungspraxis und fordert das Parlament auf, diese zu beenden.
Grundlage war eine Beschwerde, die wir Anfang des Jahres gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen FragdenStaat, Corporate Europe Observatory (CEO) und SOMO eingereicht hatten. Darin geht es um den Umgang des Europäischen Parlaments mit unserem Antrag auf Zugang zu Dokumenten, den wir im Februar 2022 gestellt hatten. Angefordert hatten wir das sogenannte 4-Spalten-Dokument der damals noch laufenden Verhandlungen zum Digital Markets Act. Dieses Dokument bildete die Arbeitsgrundlage für die sogenannten Trilog-Verhandlungen zwischen Parlament, Kommission und dem Rat.
Anfrage erst nach Verhandlungen beantwortet
In den ersten drei Spalten sind die Positionen der drei EU-Institutionen festgehalten, in der vierten Spalte der bisherige Kompromiss. Diese Dokumente werden nach jeder Verhandlungsrunde aktualisiert. Ohne Zugang zum aktuellen 4-Spalten-Dokument ist eine kritische Begleitung der EU-Gesetzgebung in der entscheidenden Phase kaum möglich. Unsere Anfrage wurde zunächst falsch beantwortet, dann verschleppt und erst nach Abschluss der Verhandlungen beantwortet.
Nach den Verhandlungen sind die Dokumente nur noch als historische Dokumentation und zum besseren Verständnis des Gesetzgebungsprozesses nützlich, aber nicht mehr geeignet, den Entscheidungsprozess nachzuvollziehen und mögliche Lobbyeinflüsse zu recherchieren.
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Deutliche Kritik der Ombudsfrau
Das Parlament begründet die späte Veröffentlichung damit, dass es nötig war, das Dokument zu prüfen und sich mit den anderen EU-Institutionen abzustimmen. Besonders dreist: Das Parlament argumentiert sogar, dass wir selbst an der Verzögerung schuld seien, da wir das zuständige Büro mit zusätzlichen Anfragen überlastet hätten.
Der Verzögerungstaktik und den Ausreden des EU-Parlaments erteilt Emily O’Reilly eine klare Absage. Das ist ein wichtiges Signal für künftige Anfragen: Verzögerter Zugang ist verweigerter Zugang. Nur wenn wichtige Dokumente zeitnah und während laufender Verhandlungen veröffentlicht werden, können Bürgerinnen und Bürger die Entscheidungen der EU im Detail nachvollziehen und so ihre demokratischen Rechte wahrnehmen.
Dokumente proaktiv veröffentlichen
Einen Schritt weiter geht die Bürgerbeauftragte bei der Veröffentlichung der 4-Spalten-Dokumenten. Diese sollen proaktiv veröffentlicht werden, da sie von besonderer Bedeutung sind und regelmäßig Anfragen zu diesen Dokumenten zu erwarten sind. Proaktive Transparenz hatten wir auch in unserer Beschwerde gefordert.
Es ist daher erfreulich, dass Emily O’Reilly diese Forderung aufgegriffen hat. Dieser Schritt zu mehr Transparenz kann die europäische Demokratie stärken und die Beteiligung der Zivilgesellschaft verbessern.
Die bestehenden Regelungen (Art. 15 Abs. 2 AEUV, Verordnung (EG) Nr. 1049/2001) sehen bereits jetzt weitreichende Verpflichtungen zur Veröffentlichung von Dokumenten vor. Diese wurden in der Vergangenheit mehrfach gerichtlich bestätigt. Im sogenannten Capitani-Urteil wurde beispielsweise bereits 2018 entschieden, dass die Öffentlichkeit freien Zugang zu Trilog-Verhandlungsdokumenten haben muss. Umso bedenklicher ist es, dass trotzdem immer wieder gegen die Verpflichtung zur Offenlegung von Dokumenten verstoßen wird.
EU-Gesetzgebung darf keine Geheimsache sein
Es ist daher leider nicht zu erwarten, dass die EU-Institutionen von sich aus ihre zögerliche Haltung bei der Herausgabe von Dokumenten ändern werden. Für mehr Transparenz und Demokratie in der EU braucht es den Druck der Bürger:innen. Gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen wollen wir daher die Kritik und Empfehlung der Ombudsfrau als Rückenwind nutzen, um den Druck zu erhöhen.
Mehr als 15.000 Menschen haben bereits unseren Appell „Gesetzgebung darf keine Geheimsache sein“ unterzeichnet. Im Herbst wollen wir die Unterschriften an Parlament, Kommission und Rat übergeben. Mit Ihrer Unterschrift zeigen Sie, dass die Öffentlichkeit mehr Einblick in die Verhandlungen über Gesetze will. Unterzeichnen Sie jetzt unseren Appell!
Weitere Infos:
- Pressemitteilung: „Ohrfeige“ für das EU-Parlament
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