Horst D. Deckert

Europas teurer Klima-Club und seine Gegner

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Tilak Doshi

Eine Analyse der Energiewirtschaft und damit zusammen hängender politischer Dinge-

Die EU hat am 14. Juli mit ihrem lang erwarteten „Fit for 55“-Paket eine ganze Reihe zusätzlicher klimapolitischer Maßnahmen veröffentlicht, um Europa bis 2050 Kohlenstoff-neutral zu machen. Darin enthalten ist auch der umstrittenste Punkt – der Kohlenstoff-Grenzausgleichs-Mechanismus (carbon border adjustment mechanism CBAM). Am 19. Juli brachten demokratische US-Gesetzgeber einen ähnlichen Gesetzesentwurf ein, der darauf abzielt, importierte Waren aus Ländern, die keine strengen Umweltrichtlinien haben, nach ihrem Kohlenstoffgehalt zu besteuern. In einem führenden Zeitungsartikel heißt es, die USA würden „Unternehmen, die Stahl, Eisen und andere Waren in die USA verkaufen wollen, dazu verpflichten, einen Preis für jede Tonne Kohlendioxid zu zahlen, die während ihrer Herstellungsprozesse ausgestoßen wird. Wenn Länder das nicht tun können oder wollen, könnten die Vereinigten Staaten ihren eigenen Preis durchsetzen“. Es hat den Anschein, als sei die Nordhaus-Klimaklub das politische Vehikel der Wahl für Befürworter des „Klimanotstands“ auf beiden Seiten des Atlantiks geworden.

Warum der Klima-Klub?

Auf den ersten Blick ist die Logik des Klima-Clubs ganz einfach. Er soll die früheren, fehlerhaften Strukturen des Kyoto-Protokolls (1997) und des Pariser Abkommens (2015) ersetzen, bei denen es sich um freiwillige internationale Vereinbarungen zur Verringerung der Kohlenstoffemissionen handelte. Um das Problem der „Trittbrettfahrer“ zu entschärfen, das bei solchen Vereinbarungen unweigerlich auftritt, würde der Klima-Club eine Anreizstruktur zur Bestrafung derjenigen Nationen schaffen, die sich nicht an die Regeln halten.

Die EU und die USA wollen Handelszölle erheben, um die Kosten für Kohlendioxid-Emissionen, die bei der Herstellung einer importierten Ware entstehen, an die Kosten anzugleichen, die ein inländischer Hersteller für die Herstellung derselben Ware zahlen würde. Europäische und amerikanische Unternehmen sind weniger wettbewerbsfähig, weil sie für ihre Emissionen zahlen müssen, während ausländische Unternehmen, die in diese Länder exportieren, davon befreit sind. Daher werden Vorschriften zur Emissionsreduzierung Unternehmen im Westen dazu ermutigen, ihre Produktion in Entwicklungsländer zu verlagern, die weniger strenge Emissionsbeschränkungen haben, ein Prozess, der als „Carbon Leakage“ bekannt ist. Brüssel und Washington, so wird behauptet, beabsichtigen lediglich, „gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen“. Es stellt sich natürlich die Frage, wessen Spielfeld?

Die Europäische Kommission wird die CBAM zunächst auf Einfuhren aus energieintensiven Sektoren wie Eisen und Stahl, Aluminium, Zement, Düngemittel und Elektrizität anwenden, die ab Januar 2026 in Kraft treten werden. Eine Analyse einer Bank hat ergeben, dass Russland, die Türkei, die Ukraine, Indien und China am stärksten von der CBAM betroffen sein werden. Die Komplexität des von Brüssel ausgearbeiteten Plans sorgt dafür, dass Exporteure in die EU alle Hände voll zu tun haben werden. Die exportierenden Unternehmen müssen detaillierte Kohlenstoffbilanzen über ihre Emissionen erstellen und dabei auch den Prozentsatz der Emissionen berechnen, der bereits anderweitig durch Kohlenstoffsteuern abgedeckt ist (im Inland und für Importe, die zur Herstellung der Exporte verwendet werden). Wenn diese komplexen und teuren Analysen die Möglichkeiten der Unternehmen, insbesondere der kleinen und mittleren Unternehmen, übersteigen, wird die EG einseitig Kohlenstoffzölle auf der Grundlage der schmutzigsten 10 % der europäischen Hersteller derselben Ware festlegen.

Die Gegner des Klima-Klubs

Am 26. Juli eröffnete China seine erste Abwehrsalve gegen den Plan der EU, die weltweit erste Kohlenstoff-Grenzsteuer einzuführen, und erklärte, dass damit Klimaprobleme in die internationalen Handelsnormen eingreifen, gegen die WTO-Regeln verstoßen und die Aussichten auf Wirtschaftswachstum untergraben würden. Anfang April, als sich abzeichnete, dass sowohl die EU als auch die US-Regierung unter Biden extraterritoriale und unilaterale Maßnahmen in Erwägung ziehen, um der Welt ihre eigenen Vorlieben bei der „Bekämpfung des Klimawandels“ aufzuzwingen, bezog auch Indien eine ähnliche Position wie China. Es gab eine gemeinsame Erklärung mit dem BASIC-Block – Brasilien, Südafrika, Indien und China – heraus, in der es CBAM als „diskriminierend“ bezeichnete und seine „große Besorgnis“ zum Ausdruck brachte. Die Benzinpreise bleiben hoch und könnten weiter steigen, aber es gibt einen Haken: Die USA bleiben auch 2020 der weltweit größte Ölproduzent (hier).

Gegner des Klimaclubs – eines Clubs, der sowohl exklusiv als auch strafend für Nichtmitglieder zu sein droht – weisen darauf hin, dass Kohlenstoff-Grenzsteuern dem Artikel 4 des UN-Klimagremiums zuwiderlaufen. Dieser bezieht sich auf „Gemeinsame, aber differenzierte Verantwortlichkeiten und entsprechende Fähigkeiten“, die seit dem ersten UN-Erdgipfel in Rio 1992 ein fester Bestandteil der Klimaverhandlungen sind.

Letzte Woche berief sich Indien auf dem G20-Gipfel zum Thema Klimawandel und Energie auf dieses seit langem geltende Gerechtigkeitsprinzip, um dem von der EU, den USA, der UN-Klimabehörde und anderen von reichen Ländern dominierten multilateralen Organisationen wie der IEA, der Weltbank und dem IWF unterstützten „Netto-Null-Ziel bis 2050“ entgegenzutreten. Indiens Umweltminister Bhupender Yadav sagte: „Angesichts des legitimen Wachstumsbedarfs der Entwicklungsländer fordern wir die G20-Länder auf, sich zu verpflichten, die Pro-Kopf-Emissionen bis 2030 auf den globalen Durchschnitt zu senken“.

Während der weltweite Durchschnitt bei 6,5 Tonnen CO2-Äquivalent pro Kopf liegt, emittiert Indien nur knapp 2 Tonnen, während die USA 17,6 Tonnen und Deutschland 10,4 Tonnen ausstoßen. Da die reichen Länder seit der industriellen Revolution bereits den größten Teil des verfügbaren „Kohlenstoffs“ in der atmosphärischen Senke „verbraucht“ hätten, sei das Ziel „Netto-Null bis 2050“ unzureichend, so Indien.

Die Kritiker sind nicht auf die Entwicklungsländer beschränkt. Australiens Premierminister Scott Morrison bezeichnete den vorgeschlagenen Kohlenstoffzollplan als „Handels-Protektionismus unter einem anderen Namen“. Russland ist ebenso wie China der Ansicht, dass die CBAM gegen die WTO-Regeln verstößt, und hatte seinen Standpunkt bereits vor einem Jahr deutlich gemacht, als die EU ihre Green-Deal-Pläne vorstellte, die Kohlenstoffzölle beinhalteten.

Probleme mit dem Klima-Klub

Abgesehen von Artikel 4 des UN-Klimagremiums gibt es Bereiche, in denen die vorgeschlagenen Kohlenstoffzölle mit den WTO-Handelsregeln in Konflikt geraten könnten. Sie könnten gegen das WTO-Nichtdiskriminierungsgebot verstoßen, einen Grundpfeiler der internationalen Handelsnormen, der besagt, dass jeder Vorteil, der den eingeführten Erzeugnissen eines WTO-Mitglieds gewährt wird, unverzüglich und bedingungslos auch den gleichen Erzeugnissen aller anderen WTO-Mitglieder gewährt werden muss. Kohlenstoffzölle könnten auch gegen die WTO-Regel der „Inlandskonkurrenz“ (national treatment rule) verstoßen, ein weiterer Grundstein des modernen internationalen Handels im Rahmen des WTO-Systems, der verlangt, dass importierte Produkte nicht weniger günstig behandelt werden dürfen als gleichartige inländische Produkte. Wenn die europäischen Erzeuger weiterhin kostenlose Emissionszertifikate erhalten (wie dies derzeit im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems der Fall ist), wird die EU gegen die Regel der „Inlandskonkurrenz“ verstoßen.

Es hat den Anschein, dass die vermeintlichen Mitglieder des Klima-Clubs der reichen Länder mit dem Rest der Welt auf eine Sackgasse zusteuern, was die Regeln des internationalen Handels angeht, die im Großen und Ganzen seit dem Zweiten Weltkrieg vorherrschen. Auf der einen Seite stehen etwas weniger als 20 % der Weltbevölkerung, die von politischen Eliten vertreten werden, die davon überzeugt sind, dass die „Wissenschaft settled ist und eine „Klimakrise“ bevorsteht. Auf der anderen Seite steht die große Mehrheit der Weltbevölkerung – über 6 Milliarden Menschen – die sich in den letzten Jahrzehnten aus der elenden Armut befreit haben oder dies verzweifelt versuchen. Diejenigen, die in Asien, Afrika und Lateinamerika in den Genuss der Früchte des Wirtschaftswachstums und des technologischen Fortschritts kommen – oder zumindest die Chance haben, diese zu genießen – machen sich weniger Sorgen um den Kohlenstoff-Fußabdruck des Wirtschaftswachstums als vielmehr darum, dass das Wirtschaftswachstum nach den verheerenden Folgen der Covid-Pandemie wieder in Gang kommen wird.

Demokratie ist vorherrschend

Aber es gibt noch eine letzte Wendung. Die westlichen politischen Eliten, die von Klimamodellen überzeugt sind, die angeblich Jahrzehnte in die Zukunft hinein schlimme Klimabedingungen prophezeien, scheinen vor ihrer eigenen Haustür mit den Zwängen der Demokratie konfrontiert zu werden. Nachdem die Schweiz ihre Verhandlungen mit der EU abgebrochen hatte, lehnte das Land letzten Monat in einem Referendum ein Klimaschutzgesetz ab. Das Referendum lehnte alle drei Teile des Gesetzes in getrennten Abstimmungen ab: zu CO2, zu Pestiziden und zu Trinkwasser. Vor zwei Tagen verschob der britische Premierminister Boris Johnson, der sich mit seinen Plänen, Gaskessel in britischen Haushalten zugunsten teurer neumodischer Wärmepumpen zu verbieten, einem zunehmenden Widerstand seiner Wähler gegen die steigenden Heizkosten ausgesetzt sieht, die Pläne seiner Regierung um fünf Jahre auf 2040.

Die größte Lektion für Europa in Sachen Massenpolitik gegen die von den Eliten der Metropolen unterstützte Klimaschutzpolitik waren die Gelbwesten-Proteste, die durch die Kraftstoffsteuern ausgelöst wurden. Ein scharfsinniger Beobachter drückte es so aus: „Die Franzosen lieben einen guten Aufstand, aber die politische Gegenreaktion auf die Pläne der französischen Regierung, die Kohlenstoffsteuern auf Kraftstoff zu erhöhen, könnte ein Vorbote dessen sein, was in Ländern, die sich dem Kreuzzug gegen die globale Erwärmung verschrieben haben, auf uns zukommen wird“. Es überrascht daher nicht, dass ein leitender Wirtschaftswissenschaftler der Deutschen Bank, einer der größten europäischen Banken, davor warnte, dass für den Erfolg des Green Deal der EU „ein gewisses Maß an Ökodiktatur notwendig sein wird“. Die Gegner des Klimaclubs haben den Lauf der Geschichte auf ihrer Seite.

Tilak Doshi

I have worked in the oil and gas sector as an economist in both private industry and in think tanks, in Asia, the Middle East and the US over the past 25 years. I focus on global energy developments from the perspective of Asian countries that remain large markets for oil, gas and coal. I have written extensively on the areas of economic development, environment and energy economics. My publications include “Singapore in a Post-Kyoto World: Energy, Environment and the Economy” published by the Institute of Southeast Asian Studies (2015). I won the 1984 Robert S. McNamara Research Fellow award of the World Bank and received my Ph.D. in Economics in 1992.

Link: https://wattsupwiththat.com/2021/07/29/europes-expensive-climate-club-and-its-detractors/

Übersetzt von Christian Freuer für das EIKE

 

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