Horst D. Deckert

Europol ist jetzt vollautorisiert zur EU-weiten Massenüberwachung

Daten-Moloch: Europol-Serverfarm (Symbolbild:Imago)

Am Mittwoch verabschiedete das EU-Parlament mit 480 zu 143 Stimmen bei 20 Enthaltungen einen Entwurf zur Reform des europäischen Polizeiamts Europol. Dieses hat fortan die Befugnis, umfangreiche und komplexe Datensätze zu verarbeiten, um die Mitgliedstaaten beim Kampf „gegen Schwerkriminalität und Terrorismus” zu unterstützen – bzw. gegen alles, was nach „Landessitte“ und nationaler Auslegung darunter fällt. In Deutschland kann man eingedenk der Prioritäten einer linksradikalen Bundesinnenministerin also gewiss sein, dass fortan auch Meinungsverbrecher und als „Rechte“ kriminalisierte Dissidenten in diese Kategorien fallen – mit den entsprechenden, nunmehr legalisierten Entrechtungsfolgen.

Damit wird die Macht der Behörde mit Sitz in Den Haag noch einmal erheblich gesteigert: Denn Europol wird vor allem von den nationalen Strafverfolgungsbehörden mit riesigen Datenmengen beliefert. Dem EU-Datenschutzbeauftragten Wojciech Wiewiórowski sind die ungeheuren Informationsströme, die bei Europol eingehen, seit langem ein Dorn im Auge: Bereits 2020 hatte er die dortige Sammelwut gerügt, weil so auch Unverdächtige – etwa Opfer, Zeugen oder Kontaktpersonen – Gefahr liefen, „unrechtmäßig mit einer kriminellen Aktivität in der gesamten EU in Verbindung gebracht zu werden”. Anfang dieses Jahres hatte Wiewiórowski daher angeordnet, dass Informationen über Personen, denen keine Verbindung zu einer kriminellen Aktivität nachgewiesen werde könne, nach spätestens sechs Monaten gelöscht werden müssen. Dieser Zeitraum versetze die Behörde einerseits in die Lage, „den operativen Anforderungen der EU-Mitgliedstaaten gerecht zu werden„, würde andererseits zugleich aber auch „die Risiken für die Rechte und Freiheiten des Einzelnen zu minimieren„, so Wiewiórowski. Die Frage ist hierbei natürlich grundsätzlich, ob bzw. was tatsächlich „gelöscht“ wird – und dies dann auch auf tatsächlich unrekonstruierbare Weise. Daran bestehen erhebliche Zweifel – zumal die Europol– Datenspeicher mittlerweile, dem britischen „Guardian” zufolge, mindestens vier Petabyte mit -zig Milliarden an Informationsparametern umfassen soll. Von einem solchen mühsam gehorteten „Schatz“ trennt sich keine Behörde freiwillig – schon gar keine intransparente und nur bedingt demokratisch legitimierte kontinentale Polizeieinheit.

Rückschlag für Datenschützer

Die jüngst genehmigte Erweiterung der Befugnisse ist daher ein herber Rückschlag für Wiewiórowskis Datenschutzbemühungen: Sie sieht nämlich vor, dass die Mitgliedstaaten, die EU-Staatsanwaltschaft und die Justizbehörde Eurojust dem Polizeiamt ausdrücklich mitteilen können, dass sie das neue Europol-Mandat auch auf Daten angewendet wissen wollen, die sie bereits vor dessen Inkrafttreten geliefert hatten. Diese Bestände dürfen dann weiterhin genutzt werden. Eine Beschränkung, welche und wieviele Daten diese Ausnahme betrifft, gibt es nicht – womit die gesamte Löschanweisung Wiewiórowskis Makulatur ist. Zudem darf Europol nun auch personenbezogene Daten von Unternehmen wie Facebook, Microsoft und Google, aber auch von Banken und Fluglinien entgegennehmen, speichern und analysieren. Dies soll sogar noch für Informationen aus Drittstaaten gelten – solange diese „angemessene Datenschutzgarantien in einem rechtsverbindlichen Instrument festgelegt haben oder auch nur Europol  solche Sicherheitsvorkehrungen als gegeben sieht. Zur Aufsicht soll die Behörde nun die Stelle eines Grundrechtsbeauftragten einrichten – was man bestenfalls als Feigenblatt bezeichnen kann.

Die Initiative European Digital Rights (EDRi) und 22 weitere zivilgesellschaftliche Organisationen kritisierten heftig, dass die illegale Datenverarbeitung bei Europol somit von einem reinen Abnicker-Parlament de facto „rückwirkend legalisiert“ werde. Eine seit längerem laufende Kampagne, die eben diesen Dammbruch zu verhindern suchte, ist damit nun gescheitert. Patrick Breyer von der „Piratenpartei” erklärte, unschuldige Bürger liefen künftig Gefahr, etwa über Handy-Standortdaten und Passagierlisten zu Unrecht „in den Verdacht einer Straftat zu geraten, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren.“ Werden diese neuen Narrenfreiheiten der kontinentalen Fahnder mit den auch im Westen überall latent auf dem Vormarsch befindlichen Social-Scoring-„Errungenschaften“ verknüpft, dann wird die EU China in puncto totalitärer Bürgerüberwachung in nichts mehr nachstehen.

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