Horst D. Deckert

Falsch Zeugnis

Falsch Zeugnis reden soll man nicht,

im Buch der Bücher steht’s geschrieben,

doch heute vieles dafür spricht,

es ist ein frommer Wunsch geblieben.

Vielleicht ist’s jedem schon passiert,

hat irgendwem was angedichtet,

hat all zu sehr dramatisiert,

dann wird man nicht gleich hingerichtet.

Doch sind es einfach and’re Sachen,

wenn Menschen falsches Zeugnis weben,

von Amtswegen die sollten wachen

bei dem, was sie so von sich geben.

Als Erstes, was nicht einerlei,

sollte man all die benennen,

die als Kirche und Partei

zu Gott und Christus sich bekennen.

Als Zweites, was nicht minder wichtig,

sind die, die öffentlich berichten,

dass sie mitteilen, was ist richtig,

und nichts nach Gusto selbst erdichten.

Als Drittes stehen in Verpflichtung,

Zeugnis zu halten in der Acht,

die sich bewerben um die Führung

oder sind längst schon an der Macht.

Immer mehr in deutschen Landen

bei allen Dreien kommt ans Licht,

geht das Gefühl dafür abhanden,

dass man nicht falsches Zeugnis spricht.

Hat sich gebildet ein Komplex

politmedialer Schwadronierer,

der wie ein wucherndes Gewächs

ersticken will die Opponierer.

Weil ihnen Argumente fehlen,

sie jeden Sachstreit stets verlieren,

müssen sie andre Mittel wählen,

den Politgegner diffamieren.

Nennen ihn Aluhut und Rechter,

Verschwörer, Hetzer, Populist.

Wer nicht ist Rotgrünverfechter,

in jedem Fall ein Nazi ist.

Die eine Frage steht für jeden:

Wer wird in den Faschismus treiben?

Sind’s die, die falsches Zeugnis reden

oder die bei der Wahrheit bleiben?

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aus: Rolf Lindner, «Deutschland — ein Narrenschiff. Gedichte über den Ungeist der Zeit», 2021

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