Horst D. Deckert

Frankreich zwischen Coronaprotest und Bürgerkrieg

Knapp 90 Kilometer liegt Bensheim von der französischen Grenze entfernt. Ob die relative Nähe dazu beitrug, dass es dort kürzlich zu massiven, bürgerkriegsartigen Ausschreitungen durch mehrere Dutzend migrantische Jungmänner kam – oder wie es die FAZ formulieren würde: “Gut 40 Festnahmen nach Autobränden” – muss eine Spekulation bleiben. Die Art und Weise jedoch erinnert stark an das, was in Frankreich seit Jahren schon Alltag ist und in immer mehr kleinere Orte vordringt.

Die rohe Gewalterziehung aus den vor Jahrzehnten verlorenen französischen Banlieues inzwischen reif geworden und mischt sich immer mehr mit einer islamistischen oder ethnisch aufgeladenen Herrschaftsgesinnung, gegen die der Staat schon lange das Nachsehen hat. Nicht zu selten sehen auch mit einander im Krieg stehende Drogenbanden die Staatsmacht als Ventil ihrer Ansprüche, wenn dieser es wagt, ihnen zu nahe zu kommen. In Anbetracht der Dramatik der Schilderungen scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis in Frankreich auch das letzte Provinznest gefallen ist, und es mindestens aufgrund der offenen Grenzen auch diesseits des Rheins zu einer vergleichbaren Entwicklung kommt.

 

The Spectator: Verliert Macron die Kontrolle über Frankreich?

 

Der Start in die Woche bekam für Emmanuel Macron sehr wahrscheinlich einen kleinen Dämpfer, als er einen Blick in die Schlagzeilen warf. Laut einer neuen Umfrage erreichte die Impfstoffskepsis in Frankreich ein neues Rekordniveau, nachdem der Impfstoff von AstraZeneca öffentlich als gefährlich hingestellt wurde. Einundsechzig Prozent der Befragten äußerten ihre Zweifel an dem Impfstoff, ein Ansteig um 18% seit letztem Monat. Gerade einmal 23% sagten, sie hätten Vertrauen in den Impfstoff. Im Vergleich dazu liegt dieser Wert bei den Briten bei 75 %.

 

Friedliche Aufstände von Coronaüberdrüssigen

 

Obwohl sich die Franzosen immer weniger impfen wollen, sind sie dennoch entschlossen, den Frühlingsbeginn zu genießen – Impfbeschränkungen hin oder her. Gestern feierten und tanzten in Marseille rund 6.500 verkleidete Menschen anlässlich eines Straßenkarnevals. „Die jungen Menschen haben genug davon, eingesperrt zu sein“, sagte der 26-jährige Romain. „Gebrechliche Alte gibt es hier keine, nur junge Leute.“

In Annecy, wo sich am Sonntag rund 1.000 Menschen am Ufer des Stadtsees zu einem Freiheitsfest versammelten, war das Altersspektrum etwas breiter verteilt. Die Stimmung aber war die gleiche wie in Marseille. „Schluss mit Masken, Schluss mit den Zwängen“, skandierte die Menge. Einer der Anwesenden meinte gegenüber Reportern, er wolle „die Freude und Liebe der Gemeinschaft erleben, und zwar ohne Angst vor einem Virus“.

Am frühen Abend auf löste die Polizei den Karneval in Marseille schließlich auf und verhaftete neun Personen, während sich Marseilles Bürgermeister Benoit Payan auf Twitter echauffierte: „Ich bin wütend. Die egoistische Haltung einiger unverantwortlicher Menschen ist inakzeptabel. Nichts rechtfertigt, dass damit die kollektiven Bemühungen zur Eindämmung des Virus zerstört werden.“ Ähnliche reagierte die Regierung.

 

Gewalttätige Aufstände wie im Nahen Osten

 

Als Trost lässt sich festhalten, dass die Aufstände in Marseille und Annecy friedlich verliefen, und damit ganz anders als das, was sich in den letzten Wochen in vielen Städten Frankreichs abgespielt hat. Von Blois bis Bordeaux, von Verdun bis Toulouse und von Rennes bis Lyon wurden zahlreiche Städte von Ausschreitungen heimgesucht, wobei insbesondere die Polizei und Feuerwehr von der Gewalt betroffen waren.

Anfang des Monats wurde Polizeiverstärkung aus Paris wurde nach Lyon geschickt, nachdem es mehrere Nächte lang zu Ausschreitungen von Jugendlichen gekommen war, die angeblich über die Verhaftung lokaler Drogenhändler verärgert waren. Eine Polizeiwache wurde von einem Feuerwerk selbstgebauter Böller getroffen, das sich zunehmend zur Waffe der Wahl für die Randalierer entwickelt.

Auch in Toulouse, in Sarcelles nördlich von Paris und in Grenoble wurden Polizeiwachen ins Visier genommen. Im vergangenen Oktober in Champigny-sur-Marne südöstlich von Paris zeigte sich, wie diese Angriffe ausarten können. Damals wurde eine Wache von gleich 40 Jugendlichen unter anhaltenden Beschuss mit Böllern genommen. Es spielten sich Szenen ab, die den Kriegsgebieten des Nahen Osten in nichts nachstanden. Die Angreifer versuchten daraufhin, sich mit Eisenstangen den Weg in die Wache zu bahnen, jedoch ohne Erfolg.

Diese Ausschreitungen haben wenig mit den Covid-Restriktionen zu tun; die dahinter stehen Kräfte sind vor allem Drogenbanden oder Islamisten, die bei der gelangweilten Jugend leichtes Spiel haben, wenn sie diese dazu ermutigen, die Polizei anzugreifen, um das Gewaltmonopol des Staates herauszufordern.

 

Gerard Collomb dystopische Warnung wird wahr

 

Diese urbane Kleinkriege nehmen an Häufigkeit, Dreistigkeit und Grausamkeit stetig zu, wie Gerard Collomb schon 2018 vorhersagte, als er den Innenministerposten abgab, weil er nach nur 18 Monaten zu erschöpft davon war. Nachdem er die Situation in vielen Innenstädten aus erster Hand gesehen hatte warnte Collomb den damaligen Premierminister Edouard Philippe: „Es herrscht das Recht des Stärkeren, das Recht der Drogenhändler und der radikalen Islamisten, die den Platz der Republik eingenommen haben“. Dazu beschrieb er eine erschreckende Vision für die Zukunft, sollte nicht dringend etwas unternommen werden: „Wir müssen eine gemeinsame Vision haben, weil wir Seite an Seite leben… aber ich fürchte, morgen werden wir uns Gesicht zu Gesicht gegenüberstehen.“

Es wurde nichts getan. Im Gegenteil, die Situation hat sich verschlimmert und sich auf Provinzstädte wie Chateauroux in Zentralfrankreich ausgeweitet. Drogenbanden haben die Gewalt aus den Banlieues in die 44.000 Einwohner zählende Stadt importiert. Letzten Monat erst wurde ein Auto mit 14 Kugeln aus einer Kalaschnikow beschossen. Man geht davon aus, dass die Tat im Zusammenhang mit einem Drogenkrieg stand.

 

Die Polizei wurde abgeschliffen

 

Jerome Retailleau von der zuständigen regionalen Polizeigewerkschaft gab sich verzweifelt über die mangelnde Unterstützung durch die Regierung in Paris. „Seit mehr als zehn Jahren warnen wir vor der immer kleineren Zahl [an Polizisten]“, sagte er. „Inzwischen sind wir operativ am absoluten Minimum angelangt. Sollte es noch weiter nach untn gehen, dann verlieren wir unsere Fähigkeit zu funktionieren.“

Vor siebzehn Jahren hatte die Polizei in Chateauroux 200 Polizisten, doppelt so viele wie 2021. Im Juni letzten Jahres versicherte der Innenminister Christophe Castaner den Politikern vor Ort, dass es „Lösungen“ für den Personalmangel geben würde. Im darauffolgenden Monat aber wurde er durch Gerald Darmanin ersetzt, der die Versprechen seines Vorgängers nicht einhalten wollte.

 

Frankreich ist todkrank

 

Was Collomb in seiner Warnung als „Ghettoisierung“ dieser Städte bezeichnete, wird sich durch die Covid-Beschränkungen nur noch verschärfen. Nach der Pandemie wird sich absehbar die Kluft zwischen den „Habenden“ und den „Habenichtsen“ noch einmal vergrößert haben, so dass Drogenbanden und Salafisten ein leichtes Spiel haben werden, sich aus den Reihen der demoralisierten Jugend eine neue Generation Rekruten heranzuzüchten.

An diesem Virus leidet Frankreich und er bedroht aktut die langfristige Zukunft des Landes. Wie schon seine Vorgänger im Elysee Macron allerdings kein Stück vorangekommen beim Auffinden eins Impfstoffs dagegen.

Quelle Titelbild

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