Im französischen Fernsehen darf man offenbar nicht mehr wichtige Zahlen nennen. Besonders dann nicht, wenn sie zum Nachdenken anregen könnten. Diese bittere Erfahrung musste jetzt der konservative Sender CNews machen, der sich erdreistete, in einer katholischen Sendung eine simple Statistik zu Abtreibungen zu präsentieren.
Der „Skandal“, der die selbsternannten Tugendwächter der République auf den Plan rief, ereignete sich im Februar dieses Jahres. In der Sendung „En quête d’esprit“ wagte es Moderator Aymeric Pourbaix, eine Infografik zu globalen Todesursachen zu zeigen. Der Aufreger: Abtreibungen führten die Liste mit 73 Millionen Fällen pro Jahr an – weit vor Krebs (10 Millionen) und den Folgen des Rauchens (6,2 Millionen).
Was folgte, war ein regelrechter Shitstorm der „aufgeklärten“ Medienlandschaft. Der Grundtenor: Wie kann man es wagen, einen Fötus als Lebewesen zu betrachten? Das sei ja geradezu mittelalterlich! Die Empörungsmaschinerie lief auf Hochtouren, und am Ende stand eine saftige Geldstrafe von 100.000 Euro durch die Medienaufsicht Arcom.
Abject : Sur CNEWS, l'avortement est qualifié de "première cause de mortalité dans le monde". Devant le cancer.
C'était hier, en direct.
La chaine doit être sanctionnée, et ce droit garanti dans la Constitution. pic.twitter.com/t0q2h3tbU5
— Clémence Guetté (@Clemence_Guette) February 26, 2024
Die Begründung liest sich wie aus dem Orwell’schen Neusprech: CNews habe gegen die „Verpflichtung zu Ehrlichkeit und Genauigkeit bei der Darstellung von Informationen“ verstoßen. Mit anderen Worten: Wer Fakten präsentiert, die nicht ins progressive Weltbild passen, muss zur Kasse gebeten werden.
Jean-Marie Le Méné von der Fondation Jérôme Lejeune bringt es auf den Punkt: „Damit Abtreibungen mit reinem Gewissen durchgeführt werden können, ist es verboten zu sagen, dass sie Leben beenden. Sonst bricht das ganze Kartenhaus zusammen.“ Besonders pikant: CNews und der Schwestersender C8 – beide im Besitz des katholischen Unternehmers Vincent Bolloré – sind die einzigen Sender, die in Frankreich jemals mit Geldstrafen belegt wurden. Ein Schelm, wer dabei an gezielte Zensur denkt.
Die Episode zeigt einmal mehr: Im Land der „Liberté“ gibt es offenbar Freiheiten, die freier sind als andere. Während man die Aufnahme des Rechts auf Abtreibung in die Verfassung feiert, werden unbequeme Statistiken mit Strafzahlungen belegt. Voltaire würde sich im Grabe umdrehen.