Horst D. Deckert

Ganze Medien können verboten werden – aber Meinungsfreiheit soll gesichert sein

Im vermeintlichen Kampf gegen „Desinformation“ wollen Union und SPD den medialen Raum nach eigenem Gutdünken formen, die Medienaufsicht schärfer stellen – und im Zweifelsfall auch journalistische Angebote abschalten lassen. Nachdem das geplante “Lügenverbot” zu einem heftigen Aufschrei geführt hatte, gibt man sich aktuell beschwichtigend: Es ginge ja “nur” um die “bewusste” Verbreitung von “Lügen” durch Journalisten. Doch wer soll sich davon nach den Corona-Jahren noch an der Nase herumführen lassen?  

Ein Kommentar von Vanessa Renner

Man wolle „keine Inhaltepolizei“ oder ein “Wahrheitsministerium”, beteuerte Eva Flecken, Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten, gerade gegenüber der Tagesschau. Es gehe nur um „journalistische Sorgfalt“, nicht um die Verfolgung einzelner Bürger. Immerhin gehe die Medienpolizei, Verzeihung, die Medienaufsicht ja schon jetzt gegen “Hass und Hetze” vor: Nach “Jugendmedienschutz- und Menschenwürdestaatsvertrag” seien “Angebote unzulässig, die zum Hass gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln”.

Flecken behauptet zwar, im Zweifelsfall würde ganz bestimmt die Meinungsfreiheit siegen, aber Medienverbote seien natürlich möglich: “Wenn sich jemand systematisch konsequent rechtswidrig verhält, könnten die Medienanstalten als Ultima Ratio auch ganze Angebote oder Kanäle untersagen.”

Unionspolitikerin Christiane Schenderlein, Mitglied im Ausschuss für Kultur und Medien, möchte “Desinformation” politisch “stärker in den Blick nehmen”, weil durch sie angeblich Wahlen manipuliert würden. Doch was ist “Desinformation”? Gemeinhin das, was Regierende nicht hören wollen. Das zeigte die jüngste Vergangenheit eindrücklich.

Wer soll dieser Politik nach den Corona-Jahren noch glauben?

Während der Corona-Jahre erlebte Deutschland eine systematische Einschränkung des Diskurses. Wer es wagte, auf offensichtliche Nebenwirkungen der Impfstoffe hinzuweisen – die selbstverständlich jedes Arzneimittel hat, zumal die mRNA-Technologie zuvor nie so eingesetzt worden war -, wurde als „Schwurbler“ oder „Covidiot“ diffamiert. Wer Kritik an teils absurden und widersprüchlichen Lockdown-Maßnahmen äußerte oder Grundrechtseinschränkungen infrage stellte, galt rasch als Corona-Leugner, Verschwörungstheoretiker oder gar als Gefahr für die Demokratie. Sachliche Debatten wurden mit moralischer Empörung erstickt. Medien, die unliebsame Wahrheiten publizierten, wurden in den sozialen Netzen zensiert und verloren neben ihrer Reichweite auch gleich ihre Monetarisierung, weil auch Google und andere große Werbenetzwerke sie auf politischen Druck zu “Schmuddelkindern” degradierten. Wer dagegen brav zum Hass gegen Ungeimpfte aufstachelte, bekam nicht selten noch Geld vom Staat.

Dass viele der Corona-Maßnahmen sich im Nachhinein als überzogen, ineffektiv oder gar kontraproduktiv herausstellten, schert die Verantwortlichen bis heute nicht. Eine öffentliche Aufarbeitung? Fehlanzeige. Eine Entschuldigung? Nö. Wer damals Recht behalten hat, wurde nie rehabilitiert – er wird vielmehr weiter verdächtigt, künftig „Desinformation“ zu verbreiten. Denn wer einmal die Regierung allzu deutlich kritisiert hat, den verfolgen Nazikeulen und Vorwürfe von “Delegitimierung des Staats” mit Pech lebenslang. Wollen politisch Verantwortliche uns wirklich erzählen, dass sie alle jene Medien, die in den Corona-Jahren offenlegten, was Staatsfunk und Mainstream verschwiegen, nicht auf dem Kieker hätten? 

Die zentrale Frage lautet: Wer entscheidet, was „bewusst falsch“ ist? Wer legt fest, ob eine Aussage irreführend ist oder nicht? Und wie schnell wird aus legitimer Kritik eine angebliche „Destabilisierung“ von Gesellschaft und politischem System? In einem Land, in dem ein Kartell von Altparteien sich als “die Demokratie” definiert, wird jede kritische Äußerung zu Entscheidungen eines Politikers zum Angriff auf die gesamte Staatsform. 

Politiker und staatsnahe Medienaufsichtsbehörden erheben sich mit “Lügenverboten” sehr wohl zum “Wahrheitsministerium”, auch wenn sie das so nicht nennen möchten. Gerade in einer Zeit, in der staatliche Institutionen durch eigene Fehler massiv an Vertrauen verloren haben, wirkt der Versuch, sich die Deutungshoheit gesetzlich zu sichern, wie ein verzweifelter Versuch der Machtsicherung. So wird der letzte Rest an Vertrauen ebenso beerdigt wie die Hoffnung auf eine bessere, echt-demokratische Zukunft. 

Die Meinungsfreiheit ist kein Schönwetter-Grundrecht. Sie schützt auch das Unpopuläre, das Machthaber nicht hören wollen. Sie schützt nicht nur die Mehrheitsmeinung, die von oben forciert wird, sondern auch die Mindermeinungen von unten – aus dem Volk, von dem die Demokratie ausgeht. Demokratie kommt “von unten”.

Wer sich für ein Recht auf freie Meinungsäußerung für Bürger ebenso wie für Journalisten und die Presse einsetzt, kämpft nicht für etwa für ein „Recht zu lügen“, wie die neue Regierung es impliziert. Die Zeiten, in denen man Regierenden gutgläubig sein Vertrauen schenkte, sind schlichtweg vorbei. Wer sich jetzt hinstellt und versichert, die Meinungsfreiheit sei nicht bedroht, muss sich die Frage gefallen lassen, warum sie gerade erst in der jüngsten Vergangenheit so leichtfertig demontiert wurde – und warum nun irgendjemand glauben sollte, dass beim nächsten Mal bestimmt alles ganz anders wird.

Ähnliche Nachrichten