Horst D. Deckert

Getrennte Inzidenzen Ungeimpfter und Geimpfter: Eine Mogelpackung?

PCR-Mania im Labor (Foto:Imago)

Seit Anfang November werden nun schon vom Robert-Koch-Institut (RKI) Inzidenzen veröffentlicht, die zwischen Geimpften und Ungeimpften unterscheiden. Diese Differenzierung soll vermeintliche Klarheit schaffen. Aus meiner Sicht sie ist jedoch nicht berechenbar, irreführend und setzt einen falschen Fokus auf das Infektionsgeschehen. Warum?

Die „Inzidenz“ bildet die Anzahl von Neuerkrankungen (gemeint sind hier weiterhin nur durch „positiven PCR-Test” bestätigte Fälle) innerhalb einer Personengruppe und eines bestimmten Zeitraums ab. Bis vor kurzem wurde hierbei stets die 7-Tages-Inzidenz unter 100.000 Einwohnern angegeben. So weit, so verständlich. Um nun allerdings die Inzidenz in einer bestimmten BevölkerungsUNTERgruppe zu kennen, benötigt man eine tiefere Datenbasis. Will man zum Beispiel konkret die Inzidenz der Geimpften berechnen, müsste man einerseits für jede positiv PCR-getestete Person den Impfstatus und andererseits den Anteil der Geimpften an der Gesamtbevölkerung kennen. Hier aber beginnt schon das Problem.

Eine flächendeckende Abfrage des Impfstatus bei positiven Tests durch die Gesundheitsämter bei Ärzten oder Laboren scheint nach wie vor nicht zu erfolgen. Selbst wenn dies der Fall wäre, wäre immer noch die Impfquote der Gesamtbevölkerung (z.B. infolge statistischer Untererfassung) unbekannt – wie vom RKI selbst eingestanden. Mangels hinreichender Datenerfassung lässt sich eine Inzidenz unter Geimpften und Ungeimpften daher gar nicht zuverlässig berechnen.

Zwei unterschiedliche Testregimes

Doch selbst wenn es eine seriöse und wissenschaftlich belastbare Datenerfassung gäbe, wären beide Inzidenzen nur dann vergleichbar, wenn ihnen auch dasselbe Testregime zugrunde läge. Davon jedoch kann überhaupt keine Rede sein. Geimpfte wurden – zumindest bislang – weitaus weniger verpflichtend getestet als Ungeimpfte, vor allem, weil der Test für letztere zwingende Zutrittsvoraussetzungen im Rahmen der 3G-Bestimmungen war. Sogar der Umstand, dass Ungeimpfte für diese Tests selbst aufkommen mussten, wirkte der sich daraus ergebenden Schieflage nicht entgegen, dass die die einen überwiegend freiwillig und die anderen überwiegend gezwungenermaßen getestet wurden.

Es handelt sich bei den separaten Inzidenzangaben somit um einen irreführenden Vergleich, der aus meiner Sicht den realen derzeitigen Zustand verschleiern soll, dass zahlenmäßig mehr Geimpfte erkranken und versterben (siehe hier). Dies wird erreicht indem – ganz im Sinne der Impfkampagne – der Betrachtungsschwerpunkt vor allem auf ungeimpfte Menschen gelegt wird und diese zum Problem gemacht werden. So soll vom Versagen der Politik abgelenkt der Mehrheit der Bürger ein Schuldiger am Schlamassel präsentiert werden.

Man kann die – leider immer noch in sehr schlechter Qualität erfassten Daten – aber auch ganz anders aufbereiten. Dies habe ich versucht. Ich lege hierbei den Fokus auf die Erkenntnis, dass Covid-19 in seinen Auswirkungen stark altersabhängig ist, und stelle die Frage, ob durch das bisherige Pandemiemanagement denn wenigstens ein Schutz der besonders vulnerablen und anfälligen Alten erkennbar ist. Vergleicht man hierzu die Daten des RKI über die Covid-Fälle eines Zeitraums von etwas über vier Wochen zwischen Ende September und Anfang November aus 2021 mit dem entsprechenden Vorjahreszeitraum von 2020, so ist insgesamt ein Anstieg aller wesentlichen Parameter festzustellen: bei den sogenannten Fallzahlen, den Hospitalisationen und den Todesfällen („an und mit“ Covid verstorben, wohlgemerkt!).

Für den genannten Zeitraum ergibt sich bei den Hospitalisierungen folgende Gegenüberstellung:

Eigene Grafik (Datenbasis:RKI)

Der größte Anstieg bei Hospitalisierungen ist für Personen über 60 ersichtlich – und der Anteil hospitalisierter Covid-Fälle in dieser Gruppe im Vergleich zum Vorjahr unverändert geblieben.

Bei den Verstorbenen sieht der Vergleich zwischen 2020 und 2021 so aus:

Eigene Grafik auf Datengrundlage RKI

Hingegen ist der Anteil über 60-jähriger an allen an Covid-Verstorbenen (jeweils „an und mit„) geringfügig gesunken. Der Grund ist, dass die Covid-Todeszahlen in der Altersgruppe der unter 60-jährigen etwa vervierfacht haben, während sie sich bei Personen über 60 Jahren im angeschauten Zeitraum nur verdoppelten.

Eigene Grafik auf Datengrundlage RKI

Dennoch sind weiterhin etwa 90 Prozent aller Todesfälle in der Altersgruppe 60+ zu verzeichnen – und das trotz einer Impfquote von geschätzt über 85 Prozent (!) in dieser Altersklasse.

So sind wir nun im zweiten Corona-Herbst wieder bei den Erkenntnissen von 2020 angelangt: Am meisten gefährdet waren, sind und bleiben ältere Personen, von denen viele oftmals mit zusätzlichen Risikofaktoren (Vorerkrankungen) belastet sind  Bei Menschen unter 60 Jahren ist das Risiko einer Hospitalisation hingegen nicht wesentlich höher als im Vorjahr, so dass aus dieser Altersgruppe auch keine größere Covid-bedingte Bettenbelastung als im Vorjahr zu erwarten ist.

Eigene Grafik auf Datengrundlage RKI

Kinder spielen nach wie vor bei der vorhandenen Datenbasis keine nennenswerte Rolle, sie erkranken äußerst selten schwer und stellen keinen Faktor für eine Überlastung des Gesundheitssystems dar.

So bleibt festzuhalten, dass das Gesundheitssystem vor allem politische Entscheidungen bedroht ist, die zu einem beispiellosen Bettenabbau im Intensivbereich inmitten der sogenannten Pandemie führten, ohne dass die Verantwortlichen dieser sich früh abzeichnenden Entwicklung rechtzeitig entgegenwirkt und auf zunehmendem Personalmangel sowie unattraktive Arbeitsbedingungen angemessen reagiert hätten:

Quelle:Intensivregister

Dies unterbleibt bis heute, stattdessen gerät der Pflegesektor durch die Diskussionen über eine berufsgruppenbezogene Impfpflicht weiter unter Druck, weil Kündigungen und damit weitere Versorgungsengpässe drohen. Hier, beim politischen Versagen in der Klinikversorgung und Intensivpflege, hätte längst angesetzt werden müssen. Diskussionen um eine Impfpflicht sind daher sofort zu beenden, um nicht noch mehr Schaden anzurichten, als es das desolate Pandemiemanagement ohnehin schon getan hat.

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