Horst D. Deckert

Googles Krieg gegen Werbeblocker und Datenschutz-Tools: Wie man sich der Überwachung entziehen kann

Der weltweite Marktanteil des Browsers Google Chrome, der 2024 voraussichtlich über 65 % liegt, übertrifft den seiner Konkurrenten bei Weitem.

Dies könnte eine Erklärung für eine Reihe von umstrittenen Entscheidungen aus Nutzersicht sein, die zusätzlich zu Googles werbebasiertem Geschäftsmodell zu Problemen führen – was aus der Sicht des Konzerns aber Sinn ergibt.

Eine solche Entscheidung ist die Abschaffung des Manifest-V2-Erweiterungs-Frameworks, das viele datenschutz- und sicherheitsfördernde Add-ons entfernt hat. Konkurrierende Browser hoffen, dass Google sich in trügerischer Sicherheit wiegt, da Chrome-Nutzer die Änderungen wohl akzeptieren werden, unabhängig davon, was ihnen geboten wird.

2020 kündigte Google seinen großen Plan zur „Verbesserung“ von Chrome-Erweiterungen an und stellte Manifest V3 mit dem Versprechen besserer Leistung, Privatsphäre und Sicherheit vor. Doch wie so oft steckt der Teufel im Detail. Der Übergang von Manifest V2 zu V3 war ein bedeutender Schritt, und während Google behauptet, dies diene dem Schutz der Nutzer, sehen Kritiker das anders. Die auffälligste Änderung? Das Blockieren von Werbung wurde erheblich erschwert – ob absichtlich oder nicht, ist umstritten.

Manifest V2: Das goldene Zeitalter der Ad-Blocker

Als Chrome sich noch als der „rebellische Browser“ positionierte, bot Manifest V2 eine ideale Grundlage für Ad-Blocker-Erweiterungen. Durch die webRequest-API hatten Ad-Blocker die Freiheit, Netzwerk-Anfragen zu überwachen und effizient Werbung sowie Tracking zu blockieren. Diese Funktion ermöglichte Ad-Blockern, wie ein Türsteher zu agieren, der verdächtige Anfragen stoppt, bevor sie überhaupt geladen werden.

Diese „goldene Ära“-API ermöglichte Ad-Blockern eine beeindruckende Kontrolle:

  • Vollständige Kontrolle über Netzwerkanfragen: Ad-Blocker verhinderten das Laden von Werbung und schützten so vor invasiven Trackern, indem sie Anfragen frühzeitig abfingen.
  • Dynamische und gezielte Blockierung: Ad-Blocker konnten gezielt blockieren, ohne alles auf einmal abzuschalten, und so auf Benutzerpräferenzen und Filterlisten reagieren.
  • Anpassbare Filterlisten: Benutzer und Communities konnten umfangreiche Filterlisten erstellen, die Werbeblocker an die sich ständig wandelnden Formate der Online-Werbung anpassten. Tools wie uBlock Origin gediehen in dieser Umgebung und boten ein sauberes und kontrolliertes Surferlebnis.

Allerdings hatte diese Freiheit auch Nachteile: Die gleichen Berechtigungen, die Ad-Blockern das Blockieren erlaubten, konnten auch von zwielichtigen Erweiterungen missbraucht werden. Einige argumentieren zudem, dass der Overhead von V2 die Leistung von Chrome beeinträchtigen könnte – eine Darstellung, die Google zugutekommt.

Manifest V3: Googles „lächelnder Polizeistaat“

Mit Manifest V3 führte Google neue Regeln für Erweiterungen ein und schränkte die Nutzung der webRequest-API stark ein, wodurch Ad-Blocker stark eingeschränkt wurden. Google betonte die Vorteile für die Leistung und den Schutz der Nutzer, aber Kritiker sehen in Manifest V3 einen Schritt, der weniger dem Schutz der Nutzer dient und vielmehr die Einnahmen aus Online-Werbung sicherstellen soll.

Mit Manifest V3 hat Google den „Wildwest“-Ansatz zum Blockieren von Werbung eingeschränkt und die webRequest-API durch eine weniger effektive Alternative ersetzt: die deklarativeNetRequest-API. Diese neue API sagt den Werbeblockern im Wesentlichen: „Hier sind voreingestellte Blockierungsregeln, aber keine Eigenmächtigkeiten!“ Erweiterungen können zwar weiterhin einige Anzeigen blockieren, sind jedoch nun auf eine feste Liste von Regeln beschränkt, was die dynamische und detaillierte Blockierung, die V2 ermöglichte, erheblich einschränkt.

Die Auswirkungen sind klar:

  • Weniger Kontrolle über Netzwerkanfragen: Unter V3 arbeiten Ad-Blocker wie Sicherheitskräfte, die nur nach einem festgelegten Skript vorgehen dürfen. Anstatt Anfragen in Echtzeit zu analysieren, sind sie auf vorab festgelegte Regeln beschränkt, was ihre Wirksamkeit bei komplexeren Anzeigen verringert.
  • Eingeschränkte Filterlisten: Die deklarativeNetRequest-API begrenzt die Regelanzahl auf 30.000 pro Erweiterung – weit unter den teilweise über 100.000 Einträgen von Ad-Blocker-Listen in V2.
  • Geringere Anpassungsoptionen: Benutzerdefinierte Filterlisten und mehrstufige Blockierungsstrategien werden durch V3 stark eingeschränkt.

Google betont, dass V3 die „Sicherheit“ verbessern soll, was weniger Spielraum für bösartige Akteure bieten soll. Doch dass Google – einer der größten Datensammler weltweit – nun als Privatsphäre-Wächter auftritt, erscheint vielen ironisch.

Kritik von Datenschützern

Datenschützer und Entwickler beliebter Werbeblocker kritisieren V3 heftig. Sie sehen darin einen Versuch von Google, den Browsermarkt unter dem Vorwand der Sicherheit stärker zu kontrollieren – und dabei freundlich auf die Werbekunden zu schielen, die Googles Einnahmen sichern. Schließlich ist Werbung das Hauptgeschäft von Google, und weniger Ad-Blocker könnten zu höheren Werbeeinnahmen führen, ob dies nun offiziell zugegeben wird oder nicht.

Raymond Hill, Entwickler von uBlock Origin, äußerte sich besonders kritisch zu den Auswirkungen von V3 und wies darauf hin, dass die Änderungen den Datenschutz der Nutzer verschlechtern. Für ihn und andere geht es beim Blockieren von Werbung nicht nur um ein sauberes Layout, sondern um den Schutz vor Tracking, das jeden Klick und Kauf im Netz verfolgt.

Ist Manifest V3 wirklich eine Verbesserung oder einfach nur… anders?

Ob V3 ein Upgrade ist, hängt davon ab, wen man fragt. Für Werbetreibende sind die Einschränkungen von V3 sicherlich vorteilhaft. Für Nutzer, die Wert auf Kontrolle und ein werbefreies Surfen legen, könnte V3 hingegen eine Einschränkung darstellen.

Die Konkurrenz hofft, davon zu profitieren und neue Nutzer zu gewinnen. Besonders da uBlock Origin, einer der beliebtesten und effektivsten Werbeblocker, für Chrome-Nutzer nicht mehr in vollem Umfang verfügbar ist. Diese Einschränkung ist eine direkte Folge von Manifest V3, das die webRequest-API von Chrome ersetzt.

Die Nutzbarkeit eines Werkzeugs wie uBlock Origin ist für viele entscheidend, da es die Internet-Erfahrung erheblich verbessern kann. Kein Wunder also, dass viele Nutzer auf Alternativen zu Chrome umsteigen möchten, als in Chrome eine Meldung erschien, die das Ende von uBlock ankündigte.

„Diese Erweiterungen werden nicht mehr unterstützt. Chrome empfiehlt, sie zu entfernen“, lautet die Nachricht, die beliebte Werbeblocker wie uBlock aufführt. Offenbar funktioniert die Erweiterung nicht mehr, auch ohne Nutzeraktion – ein Vorgehen, das gut zu Googles Umgang mit Nutzern passt.

In Googles Welt – sei es in der Suche, auf Videoportalen oder an anderen Fronten – dominiert ein werbebasiertes Geschäftsmodell, das Orwell’sche Züge annimmt: „Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei…“

Googles offizielle Begründung für Manifest V3 lautet, es schütze die Privatsphäre der Nutzer – doch in Wirklichkeit dient es wohl eher dem Schutz von Googles Geschäftsinteressen.

uBlock Origin hat sich nicht den neuen, umstrittenen Vorgaben von Manifest V3 angepasst. Stattdessen wird ein abgespecktes „uBlock Origin Lite“ angeboten, das in Chrome weiterhin verfügbar ist.

Viele Nutzer erwägen nun einen Wechsel zu einem anderen Browser, wobei Firefox nach wie vor ganz oben auf der Liste steht – nicht zuletzt wegen der Bekanntheit der Marke. Doch Mozilla hatte eine böse Überraschung parat: Vor etwa einem Monat kündigte Mozilla an, dass es alle Versionen von uBlock Origin Lite außer den neuesten entfernt hat – eine Entscheidung, die von vielen als enttäuschend empfunden wird.

Die Erklärung war höchstens esoterisch und schien letztlich darauf abzuzielen, die „Lite“-Version (die einzige, die in Chrome verfügbar ist) in ein schlechtes Licht zu rücken.

Mozilla monierte angebliche „Datensammlung“ sowie „minifizierten, verketteten oder anderweitig maschinell erzeugten Code“ im Add-on – was, wäre es vorhanden gewesen, gegen Mozillas Richtlinien verstoßen hätte. Tatsächlich war dies jedoch nicht der Fall. Schließlich hat Mozilla uBlock Lite „neu überprüft“ und wieder zugelassen.

Was also könnte die „echte“ Alternative für Nutzer sein, die von Chrome wechseln wollen?

Der datenschutzorientierte Brave-Browser empfiehlt sich als solche Alternative und bietet einen integrierten Werbeblocker namens „Shields“ an, der ähnliche Funktionen wie die Erweiterung uBlock Origin verspricht.

Die Entwickler des Brave-Browsers berichten aktuell von einem erheblichen Zustrom neuer Nutzer, die sich zu den weltweit bereits 70 Millionen hinzugesellen. Es wird vermutet, dass viele der Neuankömmlinge hauptsächlich von Chrome wechseln.

Obwohl Brave auf Chromium – der Open-Source-Basis von Chrome – basiert, unterstützt Brave weiterhin mehrere Manifest-V2-Erweiterungen, während es seine eigene integrierte Lösung zur Werbeblockierung empfiehlt.

Mit Manifest V3 möchte Google uns glauben machen, dass es „im Namen der Privatsphäre und Leistung“ gegen schädliche Werbeblocker vorgeht. Ein genauerer Blick auf die angeblichen „Verbesserungen“ enthüllt jedoch ein anderes Bild:

  • Declarative NetRequest API: Die Zeiten, in denen Werbeblocker alle eingehenden Anfragen analysieren konnten, sind vorbei. Jetzt müssen Erweiterungen vordefinierte Blockierungsregeln nutzen und können Anfragen nur nach vorab genehmigten Richtlinien abfangen. Google nennt dies eine „Sicherheitsverbesserung“ – Werbeblocker sehen es als Einschränkung.
  • Begrenzte Regelanzahl: Die neue Obergrenze für Filterregeln – ursprünglich 30.000, später auf 150.000 erhöht – wirkt großzügig, bis man bedenkt, dass viele Ad-Blocking-Listen diese Obergrenze leicht überschreiten. Mit der zunehmenden Vielfalt an Werbeformaten ist dies für Werbeblocker wie ein Sieb anstelle eines Netzes.
  • „Verbesserte Leistung und Sicherheit“: V3 mag die Performance verbessern, da die Netzwerkanalyse vom Werbeblocker in den Browser verlagert wird. Doch diese Effizienz geht zulasten der Funktionalität, und der angebliche Sicherheitsvorteil erscheint eher ein Nebenprodukt von Googles Einschränkung der Werbeblocker.

Aus Googles Sicht ist Manifest V3 ein Sicherheitsgewinn, da es striktere Regeln für „ausschweifende“ Erweiterungen festlegt, um Datenlecks zu verhindern. Doch für Werbeblocker wirkt die Änderung wie ein Machtspiel: Durch die Einschränkung ihrer Funktionalität erhöht Google nicht nur die Sicherheit, sondern auch die Kontrolle darüber, was im Browser passiert.

Wie sich die Werbeblockierung zwischen Manifest V2 und V3 unterscheidet

Für Nutzer, die sich auf ein werbefreies Surferlebnis verlassen, ist der Unterschied zwischen Manifest V2 und V3 mehr als nur technisch – es ist eine echte, spürbare Veränderung. Mit V3 haben Werbeblocker in vier entscheidenden Bereichen an praktischen Fähigkeiten eingebüßt:

  1. Granularität der Kontrolle

Unter Manifest V2 konnten Ad-Blocker dynamisch auf neue Werbeformate reagieren, sobald diese auftauchten. Der statische, regelbasierte Ansatz von V3 macht es jedoch schwierig, dynamische Anzeigen und Tracking-Mechanismen zu blockieren. Früher waren Ad-Blocker flexibel genug, um sich anzupassen – jetzt haben Werbetechniker mehr Möglichkeiten, unbemerkt durchzukommen.

  1. Begrenzte Filterlisten

V2 bot die Freiheit, umfangreiche, von der Community gepflegte Filterlisten mit Tausenden Einträgen zu nutzen. Mit V3 liegt die Obergrenze nun bei 150.000 Regeln, was angesichts der Einfallsreichtum der Werbeindustrie oft nicht ausreicht. Diese Begrenzung zwingt Werbeblocker dazu, ihre Filter sorgfältig zu wählen, um der Fülle an Werbung und Trackern gerecht zu werden.

  1. Ressourcenauslastung

Google bewirbt V3 als effizientere Lösung, die Speicher- und CPU-Belastung reduziert, indem sie die Netzwerkverarbeitung in den Browser verlagert. Diese Effizienzsteigerung kommt jedoch nur zustande, weil Ad-Blocker daran gehindert werden, ressourcenintensive Aufgaben durchzuführen. Die Leistungsverbesserungen gehen direkt auf Kosten der Funktionalität – eine „Lösung“, die nur notwendig wurde, weil das restriktive Framework von V3 die Blocker einschränkt.

  1. Datenschutzbedenken

Trotz der betonten Sicherheitsfunktionen von Chrome hat V3 Datenschützer alarmiert. Die Reduzierung der granularen Filterung bedeutet, dass Ad-Blocker nur eingeschränkt in der Lage sind, Tracking-Skripte sofort zu blockieren. Mit V3 können jetzt mehr Tracker durchschlüpfen, was das Risiko einer Datenerfassung durch Dritte erhöht und die Privatsphäre der Nutzer gefährdet.

Das Nutzererlebnis: Wie sich Manifest V3 in der Praxis anfühlt

Für Nutzer, die sich an ein sauberes, werbefreies Surferlebnis gewöhnt haben, bringt Manifest V3 eine unwillkommene Veränderung. Selbst die beliebtesten Werbeblocker, die durch V3 eingeschränkt sind, können nicht mehr jede Werbung blockieren. Anzeigen, die anspruchsvollere Techniken verwenden, können die neuen Regeln eher umgehen, was zu mehr Unterbrechungen führt. Auch die Anpassungsmöglichkeiten für Werbeblocker wurden eingeschränkt, sodass Nutzer, die auf benutzerdefinierte Filterlisten angewiesen sind, V3 als erhebliche Verschlechterung empfinden.

Das Erlebnis wird weiter durch eine mittlerweile vertraute Chrome-Meldung getrübt: „Diese Erweiterungen werden nicht mehr unterstützt. Chrome empfiehlt, dass Sie sie entfernen.“ Googles Vorschlag, V2-basierte Werbeblocker zu deaktivieren, wirkt weniger wie ein freundlicher Hinweis und mehr wie ein Ultimatum, das Nutzer dazu drängt, das neue Regime zu akzeptieren oder zu einem anderen Browser zu wechseln.

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