Der Widerstand gegen alles Bewährte
Edgar L. Gärtner
Der weinerliche Abgang des ehemaligen grünen Vizekanzlers Robert Habeck ist nur eines von mehreren Symptomen des Niedergangs der Grünen, der „Partei der organisierten Unqualifizierten“ (Roland Tichy) als einflussreiche politische Bewegung. Als die erste Parlaments-Fraktion der Grünen in den 80er Jahren in den „Langen Eugen“, das Abgeordnetenhaus des Bonner Bundestags einzog, gebärdeten sich die Wortführer der Grünen als ausgesprochen technikfeindlich, indem sie die Installation von PCs ablehnten. Auch mit dem Mobilfunk über „Handys“ standen sie zunächst auf Kriegsfuß. Aber das Eis brach, als sich eine führende Hamburger Grüne mit Handy vor TV-Kameras zeigte. Der 1989 gestartete grüne Wirtschaftsinformationsdienst “Ökologische Briefe“, bei dem ich mehrere Jahre lang arbeitete, besaß Deutschlands erstes voll vernetztes PC-Redaktionssystem. Der Vorwurf, die Deutschen und speziell die Anhänger grüner Ideen seien technikfeindlich, bleibt also an der Oberfläche.
Es ist unübersehbar, dass die Ex-68er und Grünen aller Parteien nichts von der Losung „Keine Experimente!“ halten, mit der die Adenauer-CDU in den 50er Jahren auf Stimmenfang ging. Denn der von ihnen eingeleitete gleichzeitige Ausstieg aus der Kohleverstromung und der Kernkraft und deren Ersatz durch unstete „Erneuerbare“ ist ein geradezu waghalsiges Experiment. Ich gebe also eher dem bei uns inzwischen dämonisierten Tech-Milliardär Peter Thiel recht, der den Deutschen und Europäern statt Technikfeindlichkeit und Neuerungs-Angst „Angst vor dem Erfolg“ bescheinigt. Diese Angst hat sicher auch damit zu tun, dass die in Westeuropa herrschende moralingetränkte politische Elite gerne Experimente beginnt, deren Scheitern bei einer vernünftigen Betrachtung von vornherein absehbar ist.
Verrückte Experimente
Zu diesen verrückten Experimenten gehört zweifelsohne die Öffnung unserer Grenzen für die illegale Einwanderung von Millionen junger Männer aus muslimischen Gewalt-Kulturen. Dazu gehört aber auch der Versuch, die längst gescheiterte „Energiewende“ durch den Einsatz von kaum bezahlbaren Wasserstoff als Allheilmittel doch noch zu retten. Hinter der „Energiewende“ steht die irrige Überzeugung, die Durchschnittstemperatur der Atmosphäre durch eine Drosselung der CO2-Emissionen senken zu können. Doch es gibt, wie die im Juli 2025 von fünf Spitzenforschern an das US-Energieministerium vorgelegte nüchterne Bestandsaufnahme zeigt, keine Anhaltspunkte für einen maßgeblichen Einfluss des CO2 auf die Klimaentwicklung. Doch das ist nicht der einzige überhebliche Anspruch der europäischen Politik, der von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.
Denn nicht zuletzt muss man auch das deutsche und europäische Engagement im Ukraine-Krieg, unabhängig von der Frage nach der Kriegsschuld, zu der Liste vermessener und potenziell tödlicher Experimente fügen, durch die sich deutsche Politiker seit einigen Jahren auszeichnen. Berlin und Brüssel hintertreiben, wie es aussieht, das von US-Präsident Donald Trump ausgesprochen Friedensangebot an Russland, obwohl sie auf russisches Gas und Öl angewiesen sind, solange es dazu keine bezahlbaren Alternativen gibt. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) führt hier, entgegen seinen Versprechungen im Wahlkampf, die Politik der gescheiterten „Ampelkoalition“ beinahe bruchlos weiter. Der heute herrschenden Politiker-Generation fehlt offenbar der Kompass für Maß und Ziel politischen Handelns. Der Realitätsverlust der Politik droht in eine ausweglose Situation zu führen, die die Gefahr eines Bürgerkriegs herausbeschwört. Wir sind konfrontiert mit dem grundlegenden Problem einer Mentalität, die den wirtschaftlichen und politischen Selbstmord Deutschlands in Kauf nimmt, um angebliche Gefahren zu bekämpfen.
Die in der Zeit der Renaissance vom Arzt Theophrastus Bombast von Hohenheim (genannt Paracelsus) aufgestellte Regel, wonach erst die Dosis einen Stoff zu Gift werden lässt, hat sich als überzeitlich gültig erwiesen. Was in unseren Sensations-Medien über Giftwirkungen berichtet wird, ist demgegenüber meist irreführend, denn dort steht der Nachweis verdächtiger Stoffe im Mittelpunkt, nicht aber die Frage, ob die gemessenen Konzentrationen schädlich sein können. Unterschlagen wird dabei, dass potenziell tödliche Gifte in niedrigerer Konzentration als Stimulantien oder gar als Dopingmittel wirken können. Das Paradebeispiel dafür ist Arsen. Das gilt auch für die von vielen Menschen als unheimlich empfundene Radioaktivität. Diese Effekte sind Gegenstand der Hormesis-Hypothese, wonach die Entwicklung des Lebens auf der Erde ohne die Überkompensation widriger Reize gar nicht möglich wäre. Da den Menschen aber ein Sinn für die Abwägung von Risiken und Wahrscheinlichkeiten fehlt, versuchen sie nicht selten, Risiken zu umgehen, indem sie (unbewusst) noch größere Risiken eingehen.
Eine Kultur des Narzissmus
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Der Narzissmus, eine durch elterliche Erziehungsfehler (zu viel Lob) verursachte Reifestörung, hat in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Auffällige Neurosen werden hingegen immer seltener. Im Unterschied zu Neurosen ist der Narzissmus aber nur schwer heilbar. Der amerikanische Historiker Christopher Lasch konstatierte schon gegen Ende der 1970er Jahre in seinem Buch „Das Zeitalter des Narzissmus“ die Ausbreitung einer dekadenten Kultur der Selbstliebe im ganzen Westen. Die Studentenrevolte von 1968 war nach seiner Ansicht nur ein Ausdruck dieses Kulturbruchs. Dessen Hauptursache sah er schon damals in der Ablösung des patriarchalischen durch den matriarchalischen Führungsstil in Politik und Wirtschaft und in der damit verbundenen Infantilisierung der Menschen durch eine ausufernde Sozialbürokratie. In Deutschland und Österreich haben die Psychiater Raphael Bonelli im Besteller „Die Weisheit des Herzens“ und Hans-Joachim Maaz im Buch „Das falsche Leben. Ursachen und Folgen unserer normopathischen Gesellschaft“ diesen Befund bestätigt.
Narzissten glauben im Grunde an nichts richtig. Sie richten ihren durch enttäuschte Selbstliebe entstandenen Selbsthass in Form der obsessiven Beschäftigung mit möglichen Schadstoffen gegen sich selbst. Sie konzentrieren sich darauf, ihre innere Leere und vagabundierenden Ängste durch moralische Überheblichkeit, durch scheinbar gute Taten oder auch durch die Kultivierung von Schuldkomplexen und deren Nutzung für die eigene Imagepflege zu überspielen. Ideologischer Ausdruck des Selbsthasses ist der Postmodernismus. In seinem Kern beruht dieser auf der uralten Häresie des Gnostizismus, das heißt auf dem Glauben an die Möglichkeit der Erlösung des Menschen durch Selbstermächtigung. Aus diesem Grund ordnen die Postmodernen die Frage, ob etwas wahr ist oder falsch, der manichäischen Entgegensetzung von „gut“ und „böse“ unter. Es kommt dann nicht mehr darauf an, ob etwas wirtschaftlich nützlich ist, sondern ob es von postmodernen Gurus für „gut“ und schick erklärt wird. Natürlich spielt auch die Geldgier eine Rolle, sobald der Zug zum „Guten“ erst einmal in Bewegung gekommen ist. Die Postmodernen halten deshalb die Sprache nicht mehr für ein Mittel, die Wahrheit zu erkunden und mitzuteilen, sondern benutzen sie als Waffe, um ihre Gegner durch die Moralisierung von Sachfragen zum Schweigen zu bringen.
Die Ablehnung des Bewährten
Grundlage der gutmenschlichen Bewegung ist nicht die Angst vor dem Neuen, sondern der Generalverdacht gegen alles Bewährte. Nur der Selbsthass kann erklären, warum eine ganze Generation die Errungenschaften und Lehren ihrer eigenen Geschichte in den Wind schlägt. Das bestätigt nicht zuletzt die Kampagne gegen den Betrieb und den Neubau von Kernkraft- und Kohlekraftwerken oder die Förderung von heimischem Erdgas und Erdöl mithilfe des so genannten Frackings – alles im Namen einer atemberaubend abenteuerlichen „Energiewende“. Deren Ziel ist die Ablösung verlässlicher durch unstete, aber für „sauber“ erklärte Solar- und Windenergie.
Zwar waren unsere Kohlekraftwerke bis in die 1980er Jahre tatsächlich „Dreckschleudern“. Doch infolge einer breiten Kampagne gegen das (vermeintliche) „Waldsterben“ wurden ihre Rauchgase noch im gleichen Jahrzehnt mithilfe aufwändiger Filter entstaubt und entschwefelt und später auch von giftigen Stickoxiden befreit. Die abgasfreien deutschen Kernkraftwerke liefen ohnehin beispielhaft sicher. Doch die Havarie eines anders gebauten und militärisch genutzten Kernreaktors im ukrainischen Tschernobyl rief in Deutschland die Gegner dieser zwar nicht idealen, aber durchaus zuverlässigen Technik auf den Plan. Da sicherheitstechnisch begründete Einwände gegen die Kerntechnik bei uns unglaubwürdig gewesen wären, schoben deren Gegner stattdessen das Argument fehlender Entsorgungsmöglichkeiten für die radioaktiven Abfälle aus Kernreaktoren in den Vordergrund.
Dabei gab es vielversprechende Forschungen über das Recycling beziehungsweise die Transmutation und die energetische Nutzung dieser Rückstände in so genannten Brütern und ähnlichen Reaktoren wie heute vor allem in dem vom Kernphysiker Götz Ruprecht in privater Initiative entwickelten „Dual Fluid-Reaktor“, der Uran und andere Kernbrennstoffe 20 mal effizienter nutzen soll als herkömmliche Kernreaktoren. Doch der ursprünglich als Einstieg in eine neue Etappe der Kernenergie-Nutzung gefeierte „Schnelle Brüter“ von Kalkar am Niederrhein wurde eingemottet und in eine Freizeit-Attraktion verwandelt, bevor er überhaupt die erste Kilowattstunde Strom liefern konnte. Die damit befassten Forschungseinrichtungen wurden aufgelöst. Heute nutzen die Russen mit Erfolg die Brüter-Technik im BN-800 mit einer elektrischen Leistung von 880 Megawatt in Zaerchny bei Sverdlowsk. In Zukunft wird es vielleicht möglich sein, mithilfe von Transmutationen den Traum von der „Kalten Fusion“ zu verwirklichen. Zwar unterstützt die deutsche Regierung im Rahmen der EU die Erforschung der der noch immer als utopisch erscheinenden technischen Nutzung der thermonuklearen Fusion mit Milliarden. Doch der erste Demonstrationsreaktor auf der Basis des greifbareren Dual-Fluid-Konzepts wird in Ruanda und nicht in Deutschland errichtet.
Abwertung der Tradition
Die mehr oder weniger bewusste Abwertung und Diffamierung alles Bewährten beschränkt sich nicht auf technische Probleme. Viel bedenklicher ist, was wir im gesellschaftlichen Leben beobachten. Das beginnt mit der Abwertung der klassischen Familie aus Großeltern, Eltern und Kindern, die sich mit dem Übergang zu Ackerbau und Viehzucht als Form des sesshaften Zusammenlebens durchgesetzt hat und in christlicher Zeit nicht nur durch ökonomische Not, sondern auch durch das unauflösliche Eheversprechen vor Gott zusammengehalten wurde. Ich glaube nicht, dass dieses Verhältnis immer eine ungetrübte Idylle darstellte. Doch hat es sich seit etwa 10.000 Jahren unterm Strich bewährt. Das kann man von den neuen, als „bunt“ und „fortschrittlich“ gepriesenen Formen des Zusammenlebens in polygamen Ehen, Wohngemeinschaften, Patchwork-Familien und Homo-Ehen nicht unbedingt sagen. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Doch die postmoderne Neuerungssucht geht noch wesentlich weiter: Glaubt man Angela Merkel und ihren Nachfolgern, sollen wir schon in naher Zukunft auf die Sicherheit eines Rechtsstaates verzichten und die Formen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens jeden Tag neu aushandeln müssen. Statt verlässlicher gesetzlicher Bestimmungen wird dann wohl das archaische Faustrecht gelten, zumal die von Angela Merkel mit einem Akt der Selbstermächtigung ins Land geholten arabischen und asiatischen Invasoren zumeist nur die Logik des Tribalismus kennen, wonach alles außerhalb ihrer Stammesgemeinschaft als Feindesland und/oder potenzielle Beute gilt. So konnte die damalige „Integrationsbeauftragte“ der deutschen Bundesregierung Aydan Özuğuz (SPD) ungestraft die Existenz einer deutschen Kultur leugnen und sich für eine Legalisierung der „Kinderehe“ und eine Auflösung der deutschen Nation in einer multikulturellen Utopie der „gleichberechtigten Teilhabe“ aussprechen. Demnächst wird man sich bei uns, im Namen der „Gleichheit aller Weltkulturen“, wohl auch an das Wiederaufkommen verschiedener Formen von Menschenopfer und Kannibalismus gewöhnen müssen.
Mir fällt da ein, was Thomas Mann in seinen (später größtenteils widerrufenen) „Betrachtungen eines Unpolitischen“ (1920) bemerkte: Deutschland werde im Unterschied zum apollinisch-sokratischen Westen stärker von dionysischen Elementarkräften bestimmt. Dionysmus bedeutet das Sich-Gehenlassen entsprechend kurzsichtiger Impulse. Um diese Bemerkung zu würdigen, müsste man aber wissen, was unter dem „Westen“ zu verstehen ist. Thomas Mann meinte damit seinerzeit höchstwahrscheinlich nicht das laizistische Frankreich, wo Dionysische Blutorgien in Form der Rezeption literarischer Erzeugnisse des Marquis de Sade oder der Umsetzung jakobinischer Politik durch die Guillotine und den Genozid der Vendée gefeiert wurden, sondern eher ein Hinweis auf die nüchterne angelsächsische Tradition oder vielleicht, noch besser, auf eine Art Neuauflage oder Neugeburt des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Dionysische Züge hatte in seinen Augen dagegen die in den deutschen Landen stets wirksame Versuchung der Loslösung von Rom, die im Endeffekt zum Dreißigjährigen Krieg führte. Wir können erst heute richtig verstehen, warum der Apostel Paulus und nach ihm die wichtigsten Kirchenväter so großen Wert darauflegten, die katholische Kirche in die römische Tradition zu stellen, obwohl diese der Sklaverei und dem Machismus Raum gab. Denn Rom beziehungsweise das römische Recht steht für die Überwindung des Tribalismus durch den juristischen Universalismus.
Es geht hier nicht um Formen der Frömmigkeit, sondern um eine christliche Kultur, die direkt oder indirekt auf dem Glauben an den stellvertretenden Opfertod Jesu Christi am Kreuz und die Möglichkeit der Wiederauferstehung beruht. Diese ermöglicht nach Auffassung von René Girard die Überwindung des archaischen Sündenbock-Mechanismus. Nur auf dieser Grundlage ermöglicht das römische Recht die Überwindung von Kannibalismus und Sklaverei. Tatsächlich gab es die außerkirchliche Bewegung der Aufklärung nur in dem vom christlichen Menschenbild geprägten lateinischen Teil Europas. Deren Illusion von Berechenbarkeit, auf die ich auf dieser Plattform hingewiesen habe, verhinderte nicht, dass die zuvor machtpolitisch korrumpierte katholische Kirche unter dem Einfluss der Renaissance bzw. frühen Aufklärung im ökumenischen Reform-Konzil von Trient (Tridentinum), das zwischen 1545 und 1563 tagte, wieder zurück zur Friedens- und Liebesbotschaft der Bibel fand. Doch die europäische „Elite“ leugnet heute die christlichen Wurzeln der Aufklärung. So vermag auch ihr Fußvolk die Verteidigung der Menschenwürde gegenüber politischer Willkür nicht mehr vernünftig zu begründen und steht dem woken Nihilismus wie dem islamistischen Gewaltpotenzial zusehends hilflos gegenüber. Werden die Europäer wieder lernen, sich am Bewährten zu orientieren, statt wahnwitzigen Öko- und Multikulti-Utopien auf den Leim zu gehen?
Der Beitrag Haben die Europäer Angst vor dem Erfolg? erschien zuerst auf EIKE – Europäisches Institut für Klima & Energie.