Horst D. Deckert

Hirschhausen, der Demokratie-Flachmacher

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Hirschhausen, der Demokratie-Flachmacher

Zwei Spindoktoren umtanzen das „demokratische Establishment“ und rechnen mit der Opposition ab. Ein Stück, das Tag für Tag im ÖRR und im Internet gegeben wird. Volkserziehung für alle und Klimakunde für Dreijährige.

von Roger Letsch

Nirgends zeigt sich die Wirkmacht des Zeitgeistes so stark wie in der inflationären Verwendung von Begriffen. Die großen Schlachtfelder erkennt man zuverlässig an den Geldern, die über ihnen ausgekübelt werden. Von einem Schlachtfeld zum anderen gehen die neidischen Blicke, und die Soldaten suchen nach Synergien, um möglichst überall von den Fluten zu profitieren, die da so großzügig fließen. Die Klima-Alarmisten schauen hinüber zu den Demokratie-in-Gefahr-Erklärern und beide fragen sich, ob sie nicht mal was zusammen machen könnten. Dank der erfindungsreichen deutschen Sprache war schnell ein Begriff gefunden, der semantisch zwar so hohl ist wie ein ausgeblasenes Ei, dafür aber beide Klingelworte zu einem neuen Amalgam verschmilzt: Klimademokratie.

Für den 27. April ist deshalb nun schon zum zweiten Mal der „Tag der Klimademokratie“ ausgerufen. Schirmherr und -herrin dieser einmaligen Gelegenheit, Bundestagsabgeordnete persönlich zu fragen, wie sie es so halten mit dem Klima, der Demokratie und dem ganzen Rest, sind Eckart von Hirschhausen und Katrin Göring-Eckardt. Wer das hautnah erleben möchte, darf sich hier anmelden.

Und worüber reden Klimademokraten, wenn sie sich treffen oder interviewen? Natürlich über die Demokratiefeinde und Klimaleugner von den Schwefelbuben! Schirmherr Hirschhausen entsagte bekanntlich der Bühne, um seine Tage vorerst der Rettung der Welt zu widmen. Hirschhausen ist ein echter Fanboy des autoritären „govern me harder, daddy“. Ende 2021 etwa bezeichnete er die diskutierte Einführung einer Impfpflicht noch als „Erleichterung für Zögerliche“ und bewegte sich damit auf der Argumentationsebene eines Großinquisitors, der die Folter als Instrument der Wahrheitsfindung lobpreist.

Gesunde Erde

Mit seiner Stiftung „Gesunde Erde, Gesunde Menschen“ hat er sich das perfekte Scharnier geschaffen, um unter dem Dach einer apokalyptischen Interpretation der Gaia-Hypothese Gelder einzuwerben und es dann durch Mediasynthese (aus Geld, Luft und Licht Zucker machen, ähnlich wie Photosynthese) in politische Wohlfühlparolen und Allgemeinplätze zu verwandeln. „Gesundheit beginnt mit sauberer Luft zum Atmen, genug Wasser zum Trinken, Pflanzen zum Essen, erträglichen Temperaturen und einem guten Miteinander.“

Mit solchen Slogans kannst du auch experimentelle Impfstoffe, FFP2-Masken und vegane Schnitzel verkaufen! Spätestens bei der Aktion „Planetare Gesundheit als Betriebliche Gesundheitsförderung“ haut es dem Normalbürger dann aber die Sicherung aus dem Logikbaukasten, und das soll auch so sein. Man muss das alles nicht verstehen, da sitzen einige Schräubchen viel zu fest. Wichtig ist nur, dass Geld reinkommt über Spenden und noch mehr Geld über „institutionelle Fördermittel“, was als euphemistische Umschreibung für „Ihre Steuern bei der Arbeit“ verstanden werden darf.

Kennen Sie den? Treffen sich ein linker Soziologe (das war noch keine Pointe, höchstens eine Tautologie) und ein Mediziner, der nie praktiziert hat, um darüber zu sprechen, wie man mit dem „Kampf gegen rechts“ das Klima retten kann. Der war gut, oder? Den Witz gibt es auch in der Langfassung, aber sie müssen schon eine halbe Stunde Ihrer Zeit opfern, um keine Pointe zu verpassen. Als Beitrag zum Wachsen und Werden der Klimademokratie interviewte Hirschhausen den Soziologen und Rechtsextremismusforscher Matthias Quent. Mit 260 Aufrufen in drei Tagen knüpft das Video nahtlos an Hirschhausens große Bühnenerfolge an.

Kein grüner Daumen

Schon das Setting des Videos verdient eine kurze Betrachtung, weil man kaum glauben kann, dass es von einer im vollen steuerlichen Saft (und dem Saft der Gates-Stiftung) stehenden Stiftung produziert wurde: Mit Kabelsalat an der Wand und Mickymaus-Headset auf dem Kopf wirkt Hirschhausen wie ein 14-Jähriger auf einer World-of-Warcraft-Convention. Auch wird auf den ersten Blick klar, dass das Motto „Gesunde Erde, gesunde Menschen“ Pflanzen nicht zwingend mit einschließt, so traurig und vernachlässigt sehen Grünlinie und Bromelie links im Bild aus. Doch genug der Sticheleien, es gilt schließlich, Klima und Demokratie miteinander zu versöhnen. Was eine harte Nuss ist, angesichts der Äußerung von Luisa Neubauer, dass die Klimarettung so dringlich sei, dass wir eigentlich keine Zeit für demokratische Prozesse haben.

Schon der einführende Monolog im Video macht deutlich, was wir hier eigentlich sehen und schlucken sollen. Es stehen in diesem Jahr einige Wahlen an und das Duo Hirschhausen/Quent erklärt, wo wir unsere Kreuzchen auf keinen Fall machen dürfen, weil sonst Demokratie und Klima in Gefahr seien. Überall rechte Klimaleugner, besonders in Thüringen! Woher komme nur die enge Verbindung zwischen Rechtspopulismus und der Ablehnung von „wissenschaftlich etablierten Themen“, will Hirschhausen von seinem Gast wissen. Das komme vom Chauvinismus, keine Verantwortung für die Welt übernehmen zu wollen, so Quent.

Ein Molekül macht zu viel

Nun nennen es die einen „Verantwortung gegenüber der Welt“, andere würden es eher Größenwahn nennen. Ich will Sie nicht mit einem Wortprotokoll dieses Phrasenstrohs langweilen, liebe Leser. Wichtig ist nur, zu wissen, dass man in den nächsten Minuten wie beim Bingo alle Buzzwords der Alarmisten von „Erderhitzung“ bis „Trump“ abhaken kann. Aber ein schönes Bonmot Hirschhausens möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Im Video finden Sie es schon bei Minute 2:15 und es steht exemplarisch für die in diesen Kreisen typische Mischung aus faktenfreier Panikmache und eloquentem Blödsinn:

„Das CO2-Molekül tut, was es tut: es drückt uns die Luft ab.“ 

How dare you, CO2-Molekül! Der Mann ist übrigens Mediziner, ich wollte nur kurz daran erinnern. Die Kritiker des Klimaalarmismus hätten wohl Physik in der Schule abgewählt, meint Hirschhausen. Ich wüsste gern, ob er selbiges mit Chemie und Biologie getan hat. Es folgt eine lange und langweilige Tirade Quents über Hass, Hetze und Desinformation im Netz, und seine Darstellung wäre geeignet, die tapferen Demokratieklimaretter als kleines, umzingeltes Fähnlein Fieselschweif zu zeichnen, das mit einer Übermacht aus braun-blauen Hunnen konfrontiert ist, wäre die Realität nicht genau entgegengesetzt.

Regierung, Parlamente, Medien, Universitäten und „Zivilgesellschaft“ halten mit großer Mehrheit ein und dieselbe Fahne hoch, darüber hilft auch das Gejammer von Hirschhausen und Quent nicht hinweg. „Die stellen unsere Forschungen in Frage!“ – wie unverschämt. „Wir befinden uns in einer Schweigespirale!“ – in der es allerdings verdammt laut zugeht. „Es werden Stimmen zum Schweigen gebracht“ – das stimmt. Allerdings sind es die Stimmen der Kritiker, nicht die der Aktivisten. Und dann haut auch Quent ein Bonmot raus, das es wert ist, auf einem Wandteppich oder doch wenigstens auf einer Sahnetorte verewigt zu werden:

„AfD-Wähler gehen auf Distanz zum demokratischen Establishment.“

Right in your face, baby! Der Satz ist semantisches Gold, denn Quent spricht hier den leisen Teil laut aus. Schauen wir uns dazu kurz den Wiki-Eintrag zum Begriff „Establishment“ an. Da heißt es: „…bezeichnet eine politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich einflussreiche Milieugruppierung oder Klasse, eine etablierte Elite. Meist ist die Machtelite in einem Land bzw. einer Region gemeint.“ Es gibt also eine Machtelite im Land, und die versteht sich trotz ihrer herausgehobenen Position als demokratisch? Seltsamer Widerspruch, finden Sie nicht? Jedenfalls und offensichtlich gehört die AfD nicht dazu, und damit das so bleibt, gibt es Interviews wie dieses.

Mehr Haltung bei der Transformation, bitte

Womit wir wieder zurück im Wahlkampf und beim Framing sind. Laut Hirschhausen werde das massive Erstarken von rechtsextremen Parteien nämlich zum Standortnachteil für Deutschland und kann bis hin zum Verlust der Arbeitsplätze für die Wähler dieser Parteien führen. Der Zaunpfahl winkt. Deutschland steckt gewissermaßen zwischen Baum und Borke, denn von der anderen Seite drohen uns dank grüner Energiearmut und Deindustrialisierung durch „Transformation“ dieselben Folgen. Der Wähler weiß also, was ihm winkt und was ihm blüht.

Doch Quent hat die Lösung: Klare Haltung! Ja was denn sonst! Und da die sogenannte Zivilgesellschaft schon geflutet ist mit Demokratie-Leben-Projekten, will er an die Unternehmen ran. Mit Demokratie-Workshops, Demokratie-Stunden, mit Angeboten zum Diskutieren… worüber eigentlich? Über die Form der Winkelemente beim Abfeiern der Erfolge der Energiewende? Der Heizwende? Der Verkehrswende? Denn die Farbe der Winkelemente steht fest, und dass gejubelt wird, auch. Demokratie-Workshops und Demokratie-Stunden sind Mittel der Gleichschaltung und Volkserziehung. Nicht Mitbestimmung ist das Ziel, sondern Mitlaufen.

Hirschhausen erklärt, er sei extrem frustriert, dass auch die Ampelregierung die Vorteile der Energiewende nicht gut genug kommuniziert. Und zwar so, dass man versteht, „wir haben alle was davon“. Die Bundesregierung erkläre alles einfach viel zu kompliziert, das muss alles einfacher und direkter sein. Ob der Mann einst Kinderarzt werden wollte? Er redet wie mit Dreijährigen. Der Ansatz, die Gesundheit als Ziel vorzuschieben, wie Hirschhausens Stiftung dies tut, sei jedenfalls ein „ganz hervorragender Ansatz“, da sind sich Quent und der Doktor einig. Und haben sie damit nicht recht? Dass Angstpropaganda wirkt, hat man schon in der Corona-Zeit durchexerziert, und Hirschhausen gehörte schon damals zu den Drill-Instruktoren.

Als der bessere Kommunikator böte sich Hirschhausen für die Ampelregierung auch an, und wir dürfen annehmen, dass zumindest er „etwas davon hätte“. Für alle anderen wird es eben ein bisschen teurer, aber gegen unseren Frust mit der Energiewende kann man ja wunderbar kommunizieren. Zum Beispiel legten ja Rechtsradikale gern mal tote Vögel unter Windräder, um auf Gefahren hinzuweisen, die es nicht gäbe („es gibt so Geschichten“, orakelt Hirschhausen). Die Rechten sabotieren einfach gern den technologischen Fortschritt – weshalb sie bekanntlich gegen Windmühlen und für Kernenergie eintreten. Der Experte Quent weiß: Bei diesen Kritikern sei Autoritarismus am Werk und somit schlechte Charaktereigenschaften, die sozialisiert, also gelernt wurden. Schlechte Menschen halt, da ist nichts zu machen!

Aber im Allgemeinen sei die Zustimmung zur „ökologischen Transformation“ schon sehr groß. Die Zeit, in der man „keine fossilen Belastungen in Luft, Autos und Rohrleitungen mehr hat“, rücke unaufhaltsam näher, so Hirschhausen. Der Rückbau unserer Gasnetze ist also auch schon ins Blickfeld des Fernsehdoktors geraten.

Spindoktoren des Establishments

So geht es weiter und weiter. Zwei Spindoktoren umtanzen das „demokratische Establishment“ und rechnen mit der Opposition ab. Ein Stück, das in unterschiedlichen Inszenierungen Tag für Tag im ÖRR und im Internet gegeben wird. Doch ich möchte meine Leser mit einem positiven Ausblick aus diesem Artikel entlassen. Und zwar mit einem geradezu selbstentlarvend ehrlichen, der ausgerechnet vom interviewten Soziologen Quent selbst kommt:

„Rechtsextremismus gab es auch schon vor 20, 30 Jahren. Es hat sich auf der Einstellungsebene gar nicht so viel verändert. Es ist gar nicht wirklich schlimmer geworden. Im Gegenteil.“

Ein Eindruck, den ich übrigens teile. Daraus lässt sich allerdings schließen, dass es in erster Linie die Zuschreibungen sind, die inflationär zugenommen haben, nicht das Problem selbst. Und wir dürfen die am Steuerzahlersäckel wuchernde Infrastruktur aus Initiativen, NGOs, Hashtags, Initiativen und Bündnissen nicht vergessen, die ihren einzigen Daseinszweck daraus saugen, sich medial als im Kampf gegen einen übermächtigen Feind darzustellen und um kontinuierliche Munitionslieferungen betteln.

Quent weiter: „Viele Diskussionen führen wir ja gerade, weil die Gesellschaft demokratischer geworden ist, weil wir mehr aufeinander Rücksicht nehmen, weil wir einen höheren Anspruch an Gerechtigkeit, an Menschenwürde haben.“

Das ist ein schöner, positiver Gedanke, den wir festhalten sollten. Danke, Herr Quent! Aber wenn alles immer besser, demokratischer und rücksichtsvoller wird, wozu brauchen wir dann all die teuren Demokratieerziehungsprogramme, Demokratiefördergesetze, Demokratiestunden in den Betrieben oder „Tage der Klimademokratie“? Dieser Matthias Quent ist doch nicht etwa ein Verharmloser, ein Klimaschwurblerfreund und Demokratiegefährdungsleugner? Unser Fernsehdoktor scheint den Widerspruch nicht bemerkt zu haben. Aber der redet ja auch viel lieber, als zuzuhören. Gut, dass er nie auf Patienten losgelassen wurde!

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