
Da „verblöden“ ein transitives Verb ist, kann Volksverblödung als sowohl aktiver wie auch passiver Vorgang beschrieben werden – und beide Bedeutungen des Begriffs treffen dieser Tage fraglos zu. Je intelligenzbefähigter das Publikum, umso mehr muss es sich in eine Arena des Irrsinns versetzt fühlen angesichts der Aussagen von vermeintlich „qualifizierten“ Experten wie des neuen Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach, der mit jedem Tag mehr Zweifel an seiner geistigen Zurechnungsfähigkeit nährt.
Lauterbachs konfuse Logorrhoe bei „Anne Will“ am Sonntag Abend, als er minutenlang ungehindert blanken Unsinn zusammenstammeln durfte, schaffte es als Videoausschnitt immerhin zum Renner im Netz – obwohl es eigentlich frösteln lassen muss, dass der wichtigste Fachminister in einer angeblichen Gesundheitskrise, der dank eines zur Ersatzverfassung mutierten Infektionsschutzgesetzes mit unguten Sondervollmachten ausgestattet ist, nicht nur strunzdummes Zeug absondern darf, sondern dabei auch von weder der Moderatorin noch einem der Umsitzenden unterbrochen oder zur Rede gestellt wird.
Lauterbachs „Logik“ bescherte den Zuschauern am Ende folgenden „Gedankengang“: Bezogen auf die Delta-Variante würden 90 Prozent Impfquote nicht genügen, da der Impfschutz nicht bei 100 Prozent läge; läge er bei 100 Prozent, käme man mit 90 Prozent Impfquote hin und bräuchte keine Impfpflicht, so Lauterbach. Bei Omikron betrage der Impfschutz nun jedoch nur 35 Prozent – deswegen brauche man hier erstrecht die Impfpflicht, weil nur eine Impfquote von 100 Prozent, nicht aber von 90 Prozent „viele Tote“ verhindert könnten. Was Lauterbach damit ernsthaft sagte, war dies: Bei Omikron sollen 35 Prozent Schutz durch die Impfung aller genügen, deshalb Impfpflicht; bei Delta jedoch genügten nicht einmal knapp 90 Prozent (deshalb Booster für alle). Und das, obwohl Omikron nach allen verfügbaren Studien deutlich milder und glimpflicher verläuft als Delta.
Wir wissen, dass wir nichts wissen
Von derselben Widersprüchlichkeit und Ahnungslosigkeit kündeten dann auch die gestrigen Aussagen von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, der in seiner Staatskanzlei-Pressekonferenz sinngemäß und ernsthaft sagte: Weil niemand wisse, wie die Impfstoffe wirken, müsse jetzt mehr geboostert werden. Södolf wörtlich: „Keiner kann hundertprozentig sagen, wie die Impfstoffe wirken. Da gibt’s keine genaue Treffsicherheit.” Na, das will der Bürger doch hören, wenn ihm eine epochale politische Präzedenzentscheidung wie die allgemeine Impfpflicht ins Haus steht! Die Phantasie- und Rücksichtslosigkeit Söders setzte sich sodann noch fort in seiner Äußerung, es könne im Hinblick auf das neue Jahr „…nur eine Möglichkeit geben, nämlich so viel boostern wie es geht.” Zudem müsse „schnell der Omikron-Impfstoff entwickelt werden”, um diesen dann „gleich verimpfen” zu können. Es brauche aber „auf jeden Fall eine Impfpflicht – so oder so”, bekräftigte Söder. Interessanterweise sprach er in diesem Zusammenhang wieder einmal verniedlichend vom „Pieks“ – diesmal jedoch nicht mehr vom zuerst einfachen, dann doppelten „Pieks in die Freiheit” (wie noch im Sommer), sondern jetzt von einem „Minipieks”, der angeblich vor allen möglichen an großen Gefahren schützen solle – obwohl er fortan absehbar nur noch ein Haltbarkeitsdatum von wenigen Monaten haben wird.
Wenn es bloß die Politiker wären, deren Aussagen mit gesundem Menschenverstand ohnehin immer weniger in Deckung zu bringen sind, dann könnte man ja noch irgendwie eine heilsame Distanz zwischen sich und diesen Störern des sozialen Friedens herstellen. Doch leider stimmt zunehmend auch die gekaufte bzw. hörige Wissenschaft, die eigentlich bloßen Fakten und sprödester Risikobewertung verpflichtet sein müsste, in die unseriöse Impfverherrlichung ohne nachweisbaren Nutzen mit ein: Der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Klaus Cichutek, eigentlich qua Amtes verantwortlich für die Sicherheitsbewertung von Medikamenten und Impfstoffen, appelliert nun ebenfalls an die Bürger, nicht auf einen neuen Impfstoff gegen die Omikron-Variante des Coronavirus zu warten. „Die Grundimmunisierung abzuschließen oder sich ein drittes Mal impfen zu lassen, ist dringlich geboten”, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung„. Die Impfung mit den verfügbaren Wirkstoffen sei das Mittel der Wahl, „um uns vor schweren Covid-19-Verläufen zu schützen”.
Heilsversprechen statt spröde Risikobewertung
Was sich wie ein religiöses Heilsversprechen anhört, wird durch die schwammige Begründung nicht besser: Selbst wenn die Anpassung der alten Impfstoffe an die Omikron-Variante und deren Zulassung „so gut und schnell funktionierten sollte, wie das PEI dies erwartet”, erfordere die Bereitstellung eines neuen Impfstoffs doch einen Zeitraum von Monaten. „Auf Grundlage vorläufiger Daten” (!) sei davon auszugehen, dass Booster-Impfungen mit den derzeit zugelassenen und verfügbaren Covid-19-Impfstoffen „auch vor der Omikron-Variante schützen”.
Und um Ungeduld und Zweifeln der Bevölkerung zu begegnen, macht sich der PEI-Präsident auch gleich noch zu einer Art Dr. Marlboro, der die Unbedenklichkeit von Tabak für die Gesundheit betont: Cichutek nimmt ironiefrei Biontech und Moderna gegen den Verdacht in Schutz, „aus Profitgründen noch keinen Impfstoff gegen die seit Längerem vorherrschende Delta-Variante” produziert zu haben: Auf der Grundlage der aktuellen Daten sei es „folgerichtig, die Delta-Variante mit dem uns zur Verfügung stehenden Impfstoff zu bekämpfen”, sagte er. Es könne immer nur ein Impfstoff pro Herstellungsstätte produziert werden. „Also wird jetzt in großen Mengen der Impfstoff produziert, von dem bekannt ist, dass er eine sehr gute Schutzwirkung hat.” Schöner hätten es die PR-Abteilungen der Impfgiganten auch nicht formulieren können (vielleicht stammt der Text ja sogar von ihnen).
Der Chef der wichtigsten gesundheitlichen Aufsichtsbehörde im Land als Erklär-Bär des Impfstoff-Managements und Apologet dubioser wirtschaftlicher Machenschaften der Pharmaindustrie? Es geht wirklich jeden Tag noch ein wenig verrückter, in diesem Land.