Horst D. Deckert

Impfverweigerer sind Straftäter: Gutachten legitimiert Impfpflicht und Zwangsmaßnahmen

Ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags skizziert die möglichen Strafen für Impfverweigerer und könnte von Corona-Fanatikern als Freifahrtschein für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht verstanden werden. Was Genesene erwartet, ist unklar.

von Manfred Ulex

Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat vor einiger Zeit ein Gutachten („Sachstand“) zur Impfpflicht vorgelegt. Dieses Gutachten ist eine sachliche Analyse, wie eine Impfpflicht durchgesetzt werden kann. Das Gutachten ist abstrakt, und daher unverändert gültig. Zwar verzichten die vorliegenden Entwürfe des Bundestags zur Impfpflicht auf unmittelbaren Zwang. Doch das Gutachten sagt klar, dass es eigentlich gar keines Gesetzes bedürfe, um die Impfpflicht durchzusetzen – auch eine Verordnung genüge. Außerdem bleiben bei der Durchsetzung viele offene Fragen, die die Behörden in jedem Fall werden lösen müssen.

Laut dem Gutachten sind Impfverweigerer nämlich Straftäter, die im Fall einer Impfpflicht mit Zwangsmaßnahmen belegt werden dürfen. Grundlage sei der § 74 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG), welches „einen Straftatbestand beinhaltet“. Im IfSG heißt es dazu: „Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine in § 73 Absatz 1 oder Absatz 1a Nummer 1 bis 7, 11, 11a, 12 bis 20, 22, 22a, 23 oder 24 bezeichnete vorsätzliche Handlung begeht und dadurch eine in § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannte Krankheit, einen in § 7 genannten Krankheitserreger oder eine in einer Rechtsverordnung nach § 15 Absatz 1 oder Absatz 3 genannte Krankheit oder einen dort genannten Krankheitserreger verbreitet.“

Das Gutachten erläutert: „Handlung meint jedes vom menschlichen Willen beherrschte oder beherrschbare, sozial erhebliche Verhalten, sodass auch Unterlassungen vom Handlungsbegriff umfasst sein können. Mithin kann, abhängig von der genauen Ausgestaltung der Impfpflicht, auch die bewusste Zuwiderhandlung der Impfpflicht unter diese Voraussetzungen fallen.“ Die im Gesetz gemeinte Krankheit ist Covid-19. Die Krankheitserreger sind die Sars-CoV-2- und die Sars-CoV-Viren.

Diese müssten „nach dem vorsätzlichen Unterlassen der Impfung durch die Person verbreitet werden“. Das Gutachten erläutert: „Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach § 74 Absatz 1 IfSG ist – da gemäß § 15 StGB6 nur vorsätzliches Handeln strafbar ist, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht – dabei zudem, dass die Person hinsichtlich sämtlicher Tatbestandsmerkmale des § 74 IfSG vorsätzlich gehandelt hat. Vorsatz bedeutet, dass der Täter hinsichtlich des jeweiligen Tatbestandsmerkmals mit Wissen und Wollen handelt.“ Ausnahmen gäbe es nur, wenn im Gesetz aufgeführte „Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe“ vorliegen.

Die vom wissenschaftlichen Dienst konsultierten Verfassungsrechtler sehen diese Regelung als zulässig an: „Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Sanktionsregelung werden, soweit ersichtlich, nicht erhoben.“ Es seien auch keine Gründe ersichtlich, aus denen sich besondere Bedenken im Falle einer Corona-Impfpflicht ergeben könnten: „Wenn eine COVID-19-Impfpflicht durch Gesetz eingeführt würde, stünde es dem Gesetzgeber frei, entsprechende Straf- oder Ordnungswidrigkeitstatbestände bei Zuwiderhandlung zu definieren.“ Ausnahme könne es für Menschen geben , „für die keine Impfempfehlung bzw. eine entsprechende Kontraindikation vorliegt“.

Genesene würden wohl unter eine solche Ausnahmeregelung fallen, denn es heißt in dem Gutachten, Ausnahmen müsse der Gesetzgeber „für Menschen mit anhaltender Immunisierung aufgrund Genesung von einer Ansteckung mit dem Corona-Virus“ zulassen. Wie aber der Zustand der anhaltenden Immunisierung gemessen wird, ist noch unklar, ebenso wie die Definition, ob Immunität nur in Kombination einer Infektion mit mindestens einer Impfung definiert wird.

Als Sanktionen und „Verwaltungsvollstreckung“ für Impfverweigerer könne der Gesetzgeber im Grunde die ganze Palette des „Verwaltungszwangs“ zum Einsatz bringen. Und dieser ziele darauf ab, dass der Impfunwillige geimpft wird: „Während das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht der Ahndung der in der Vergangenheit liegenden Rechtsverletzung dient, zielt die Verwaltungsvollstreckung, zu der auch der Verwaltungszwang gehört, darauf, die Pflichtwidrigkeit zu beenden.“

Von einigen Verfassungsrechtlern werde „die Möglichkeit des Einsatzes von Verwaltungszwang zur Durchsetzung der Impfpflicht als ultima ratio, also letztmögliches Mittel, gesehen“. Die Anwendung des Zwangsmittels muss durch die Behörde zunächst schriftlich angedroht werden. Danach gilt folgende Reihenfolge, die verfassungsrechtlich prinzipiell möglich wäre. Zunächst „kann der Rechtsverstoß mit einer Geldbuße von bis zu 25.000 Euro geahndet werden“. Es ist hier unklar, ob die Durchsetzung der Verordnung mittels Zwangsvollstreckung erfolgen kann, etwa in Analogie zur Eintreibung des Rundfunkbeitrags (früher GEZ) oder der IHK-Beiträge oder aber von Steuerrückständen.

Wenn „die Festsetzung eines Zwangsgeldes nicht zur Vornahme der Handlung durch den Pflichtigen führt, könnte diese nach dem Verwaltungsvollstreckungsrecht grundsätzlich auch durch unmittelbaren Zwang (§ 12 VwVG) vollstreckt werden“. Unmittelbarer Zwang ist, so führt das Gutachten aus, „die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, Hilfsmittel oder Waffen“.

Alternativ wäre „unter weiteren Voraussetzungen“ eine Haftstrafe möglich: „Kann ein Zwangsgeld beim Pflichtigen nicht eingebracht werden, so ist unter weiteren Voraussetzungen auch eine Ersatzzwangshaft möglich (§ 16 VwVG).“ Die Haft kann gemäß IfSG „bis zu fünf Jahre“ betragen.

Alternativ wären einschneidende Maßnahmen für Impfverweigerer denkbar: „Im Wege der Verwaltungsvollstreckung können auch weitere Rechtsfolgen, die der Gesetz- oder Verordnungsgeber mit der Impfpflicht verknüpft, durchgesetzt werden, zum Beispiel solche, wie die im Rahmen der Masern-Impfpflicht geregelten Besuchs-, Tätigkeits- oder Betreuungsverbote (§ 20 Abs. 9 Satz 4 bis 7 IfSG).“

Die Auswahl des Zwangsmittels liegt im Ermessen der Behörde, wobei diese den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren habe. Das Gutachten zitiert den Verfassungsjuristen Degenhart, der meint, „es wäre mit der Würde des Einzelnen unvereinbar, wenn man Impf-Unwillige wie Autofahrer zur Blutabnahme mit unmittelbarem Zwang zur Impfung bringen würde“. Allerdings liegt die Entscheidung darüber „im Ermessen der Behörde“.

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